Was das Trump-Urteil für die USA bedeutet – und welche Folgen es international hat
US-Gericht spricht Donald Trump schuldig. Beide Seiten werfen sich politischen Machtmissbrauch vor. Warum beide recht haben könnten.
Die Erschütterung durch das Urteil vom 30. Mai 2024 reicht weit über den Atlantik. Ein Geschworenengericht am New York Supreme Court hat den ehemaligen US-Präsidenten Donald Trump am vergangenen Donnerstag wegen Fälschung von Geschäftsunterlagen in 34 Fällen schuldig gesprochen. Darin verwickelt sind auch die seit Langem diskutierten Schweigegeldzahlungen an die Pornodarstellerin Stormy Daniels.
Trump hatte zuvor in allen Anklagepunkten die Schuld von sich gewiesen und bezeichnete den Prozess als politisch motivierte Hexenjagd. An seiner Kandidatur für die Präsidentschaftswahl im November möchte der 77-Jährige festhalten.
Wie aus einem Vergehen eine Straftat wurde Die Staatsanwaltschaft am New York Supreme Court hatte bereits vor rund einem Jahr, am 30. März 2023, Anklage gegen den ehemaligen US-Präsidenten eingereicht.
34 Vorwürfe, 34 Schuldsprüche
Die Anklageschrift war Trump am 4. April vorgelegt worden. Sie umfasste 34 Fälle von falschen Eintragungen in Geschäftsunterlagen, die Rückerstattungen von Zahlungen an Trumps ehemaligen Anwalt Michael Cohen betrafen.
Ihre Hochstufung des Delikts von einem Vergehen (engl. misdemeanor) zu einer Straftat (felony) begründete die Staatsanwaltschaft damit, dass die gefälschten Einträge zu einer Beeinflussung des Wahlergebnisses von 2016 beigetragen hätten.
Hilfe von Boulevardblatt
Im Einzelnen lautet die Argumentation des Teams um Bezirksstaatsanwalt Alvin Bragg wie folgt: Im Wahlkampf 2016 habe sich Donald Trump zusammen mit seinem Anwalt Michael Cohen und der Verlagsgesellschaft des Boulevard-Blattes National Enquirer verschworen, um nach dem sogenannten Catch-and-kill-Verfahren unliebsame Geschichten aufkaufen zu lassen, um deren Veröffentlichung zu unterbinden.
Darin inbegriffen sind Zahlungen in Höhe von 150.000 US-Dollar an das Model Karen McDougal sowie 130.000 US-Dollar an die Porno-Darstellerin Stormy Daniels.
Nach Argumentation der Staatsanwaltschaft handelt es sich bei den genannten Zahlungen um illegale Wahlkampfspenden und damit letztlich um Steuerbetrug.
"Die Demokratie untergraben"
Im Zentrum der Anklage stand die Schweigegeldzahlung, die Trump im Jahr 2016 kurz vor der Präsidentschaftswahl an Daniels auszahlen lassen haben soll. Die Pornodarstellerin hatte zuvor behauptet, 2006 mit Trump eine Affäre gehabt zu haben. Trumps damaliger Chefanwalt Michael Cohen überwies das Geld kurz vor den Wahlen 2016 aus eigenen Mitteln. Trump zahlte ihm das Geld laut Anklage später zurück, deklariert als "Anwaltsvorschuss".
Während des Prozesses sagten insgesamt 22 Personen als Zeugen aus, darunter 20 für die Anklage. Während dieser Befragungen gab Trumps ehemaliger Anwalt Michael Cohen zu, auf Anweisung des Ex-Präsidenten mit dem National Enquirer und dem Pornostar Daniels die Schweigegeldzahlung ausgehandelt zu haben.
Belastende Storys weggeschafft
David Pecker, Ex-Verleger des National Enquirer, enthüllte außerdem, dass die Zeitung ab 2015 Berichte erfand, um Trump zu helfen und ihn belastende Geschichten vom Markt zu kaufen.
Die Geschworenen folgten der Argumentation des Strafverfolgers (prosecutor) Joshua Steinglass, wonach die Vertuschung der Schweigegeldzahlung "die Demokratie untergraben" und womöglich zu Trumps Wahlsieg 2016 beigetragen habe. Nach einem langwierigen Prozess mit mehrfachen Verzögerungen und einem vom Richter verhängten Redeverbot gegen Trump erfolgte der einstimmige Schuldspruch.
So argumentierte Trumps Anwalt
Trumps Anwalt Todd Blanche beteuerte, Trump habe "keine Straftaten begangen" und es gebe "berechtigte Zweifel" an einem Schuldspruch. Blanche argumentierte, das Schweigegeld für Daniels sei Cohens alleinige Idee gewesen.
Trump sei von Daniels erpresst worden und die Unterdrückung negativer Nachrichten sei im Wahlkampf üblich. Bei den Schecks habe es sich um Cohens monatliches Anwaltshonorar gehandelt.
Nun warten alle auf den 11. Juli
Die Verkündung des Strafmaßes wurde von Richter Juan Merchan auf den 11. Juli festgelegt. Ursprünglich war der Termin auf den 15. Juli angesetzt, wurde aber auf Antrag der Verteidigung vorverlegt. Am 15. Juli beginnt die Republican National Convention, auf der Trump offiziell zum Präsidentschaftskandidaten der Republikaner gekürt werden soll.
Theoretisch droht Trump eine mehrjährige Freiheitsstrafe, die allerdings auch zur Bewährung ausgesetzt werden könnte. Da er als "Ersttäter" gilt, wird es voraussichtlich aber auf eine Geldstrafe hinauslaufen, die sich bei einem Strafmaß von bis zu 5.000 Dollar pro Anklagepunkt insgesamt auf 170.000 US-Dollar belaufen könnte.
Gegen das Urteil kann Trump allerdings Berufung einlegen – und selbst im Falle einer Verurteilung weiterhin im November als Präsident kandidieren.
Juristische Destabiliserung der Politik?
Das Urteil gegen den ehemaligen Präsidenten fand mehrheitlich positive Resonanz in den englischsprachigen sowie auch deutschen Medien. Während Publikationen wie etwa die New York Times die Entscheidung des Gerichts als Beweis für die Disqualifizierung Donald Trumps in Bezug auf eine kommende Präsidentschaft anführten, sticht das Wall Street Journal mit einem Kommentar heraus, der vor einer "neue(n) und destabilisierende(n) Ära der amerikanischen Politik" warnte.
Denn, so das Argument der US-Zeitung, trotz der Verurteilung könnten viele Wähler weiterhin an Trumps Eignung für eine zweite Amtszeit festhalten. Und dabei durchaus zu Recht ein politisch motiviertes Vorgehen der Justiz beklagen:
Herr Bragg, ein gewählter Demokrat, kandidierte für das Amt als der Mann, der bereit ist, sich mit Herrn Trump anzulegen. Als der neue Staatsanwalt kurz nach seinem Amtsantritt keine Anklage erhob, kündigten seine obersten Trump-Anwälte lautstark, was den Druck auf Bragg erhöhte, irgendetwas zu tun. Selbst nach einem Schuldspruch sieht der Fall, den er schließlich einreichte, wie eine juristische Verrenkung aus. Washington Post
Richter Merchan habe die "juristische Kreativität" der Staatsanwaltschaft in einer Weise toleriert, die ein Berufungsgericht möglicherweise nicht akzeptieren würde. Das Urteil könnte einen Präzedenzfall schaffen, juristische Fälle zu nutzen, um politische Gegner auszuschalten.
Dass die Politisierung der Justiz in den USA bereits seit geraumer Zeit eine reale Gefahr darstellt, lässt sich derweil schwer bestreiten. Das bezeugen nicht nur jüngste Auftritte wie der des US-Schauspielers Robert De Niro zusammen mit Polizisten des sogenannten Sturms auf das Kapitol zwei Tage vor Verkündung der Entscheidung.
Was bei alledem aber nicht außer Acht gelassen werden sollte: Auch Donald Trump selbst trägt freilich zu der von ihm beklagten politischen Machtmissbrauch bei und scheint Gerechtigkeit mitunter danach zu definieren, woraus er persönlichen Nutzen ziehen kann.
Das zeigte sich – auch – 2016, als der texanische Senator und republikanische Präsidentschafts-Konkurrent Ted Cruz Opfer einer Schmähkampagne wurde – initiiert von eben jenem National Enquirer, der eng mit Trump und Anwalt Cohen verbunden ist.