Was den Ukraine-Krieg zur globalen Gefahr macht
Seite 3: Wann wird Putin losschlagen?
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Aber noch einmal zurück zu Putin. Was vor allem könnte ihn oder seinen Militärapparat dazu bewegen, Atomwaffen einzusetzen? Zwei Motive sind es vor allem: Zunächst die Sorge um die Glaubwürdigkeit seiner eigenen Abschreckung. Wie im Westen überzeugt sie nur, wenn absolut klar ist, dass diese Waffe nötigenfalls auch verwendet wird.
Das entspricht einem bekannten Paradoxon der Abschreckungslogik. Auch wenn man Atomwaffen eigentlich nicht einsetzen möchte, muss man sich zugleich wild entschlossen zeigen, es im Zweifelsfall zu tun. Es reicht nicht zu drohen, man muss auch handeln wollen.
Dem entsprach die damalige britische Außenministerin Liz Truss, als sie im August 2022 betonte, sie sei jederzeit bereit, den Atomknopf zu drücken, wenn sie zur Premierministerin gewählt würde. Rhetorik ist hier wichtig, aber auch die Entschlossenheit.
Natürlich verschiebt sich das Kontinuum zwischen purer Rhetorik und böser Bereitschaft während einer Krise beachtlich. Jetzt kommt es zum Schwur. Immer nur drohen und niemals schießen – sollte man grundsätzlich so denken, erübrigt sich die atomare Bewaffnung. Und die ist gerade in Russland hochgradig modernisiert, enorm teuer und zudem der Stolz der Eliten. Dort wird ein Einsatz wenigstens der taktischen Waffen keineswegs als bedenklich eingeschätzt.
Das zweite Motiv ist der Machterhalt. Für Putin völlig ausgeschlossen ist die Niederlage. Der vom Westen angezielte Sieg über Russland wäre für ihn geradezu das Stichwort, jetzt Atomwaffen einzusetzen.
Es wäre mehr als ein Glücksfall, wenn ein Sieg des Westens nicht zugleich zumindest das Signal für den Weltkrieg wäre, der sehr rasch bis in den Nuklearkrieg eskalieren könnte. Denn Putin oder auch die ihn stützenden Eliten werden alles tun, um nicht als die Verlierer dazustehen. Als begossene Pudel werden sie sich nicht kampflos ergeben.
Überleben wir den Atomkrieg?
So bleibt nur noch die Selbstberuhigung, ein Atomkrieg werde nicht so zerstörerisch sein, wie früher einmal behauptet wurde. Tatsächlich ist ja schon zu Beginn des Kalten Krieges davon gesprochen worden, der Atomkrieg sei führbar, er sei zu begrenzen und ein Sieg mit Atomwaffen sei möglich.
Von der Wissenschaft ist diese Vorstellung aber wieder fallen gelassen worden, nachdem wahrscheinlich wurde, dass auch ein kleinerer Atomkrieg einen "nuklearen Winter" auslösen würde, der weltweite Hungersnöte im Gefolge hätte. Von einer Vernichtung der menschlichen Zivilisation zu reden, ist nicht übertrieben.6
Eigenartig ist es allerdings, dass die größte aller möglichen Gefahren, der die Menschheit ausgesetzt ist, so wenig zur Kenntnis genommen wird und das Glücksspiel einer Politik am Abgrund bei den Verantwortlichen offenbar kaum Befürchtungen auslöst. Umgekehrt hören wir: Angst sei ein schlechter Ratgeber. Man solle sich von den Drohungen Putins nicht einschüchtern lassen und einfach weiter eskalieren.