Was der Neoliberalismus im Alltag bedeutet

Seite 4: Fokussierung auf den Kampf gegen den Neoliberalismus

Es liegt offenbar im ureigenen Interesse der Linken, den Kampf gegen den Neoliberalismus ins Zentrum eigener Aktivitäten zu rücken. Die Frage, wer Verbündeter und wer Gegner ist, muss neu gestellt werden. Eine Konfrontation mit den staatstragenden Parteien lässt sich kaum vermeiden.

Auch muss das Risiko in Kauf genommen werden, von Leitmedien heftig angegriffen zu werden. Desto wichtiger erscheint eine linke Gegenöffentlichkeit, die sich dadurch auszeichnen sollte, dass sie Propaganda und Polemik vermeidet und stattdessen mit Sachlichkeit, Offenheit und Faktentreue punktet.

Wie weit sich die Linke vom Rechtspopulismus und von autokratischen Herrschaftsformen abgrenzt, sollte vom jeweiligen ideologischen Hintergrund und Werteverständnis abhängig gemacht werden. Die Nähe zum Nationalsozialismus ist hierbei ebenso ein No-Go wie ein Absolutheitsanspruch. Letzteren erheben aber nicht nur politische Gegner des Westens, sondern auch relevante Teile seines eigenen Establishments. Überhaupt stellt sich die Frage, ob die führenden Politiker integrer sind als deren gescholtene Gegner.

Zweifel sind angebracht, wenn sie etwa den Verteidigungsetat massiv aufstocken und für Waffenlieferungen an die Ukraine votieren. Gleichwohl ist das Vorhaben der deutschen Regierung, sich noch abhängiger von den USA als dem "Hort des Neoliberalismus" zu machen, linken Interessen diametral entgegengesetzt.

Anstatt anderen Ländern unsere Wertevorstellungen aufoktroyieren zu wollen, sollte die Linke eine multipolare Ordnung akzeptieren, die eine Vielfalt an Herrschaftsstrukturen auf Grundlage der jeweiligen nationalen Wertesysteme zulässt. Einzig sollte verlangt werden, dass Regierungen die Bestimmungen der UN-Menschenrechtsabkommen anerkennen und sichtbar gewillt sind, sie umzusetzen.

Bei der Beurteilung sollten verlässliche Quellen genutzt werden, die eingestandenermaßen nicht leicht zu finden sind. Es wäre ein lohnendes Projekt für die Linke, über internationale Kontakte auf die Gründung einer seriösen, global aktiven NGO hinzuwirken.

Linke Parteien sollten prinzipiell zu einer Kooperation mit anderen politischen Kräften bereit sein, darunter auch mit solchen, die sich zu neoliberalen Werten bekennen. Ist die eigene politische Zielsetzung klar definiert und kommuniziert, kann ohne Sorge um Glaubwürdigkeitsverlust eine Regierungsbeteiligung erwogen werden, was sich besonders im kommunalen Bereich anbietet. Gelingt es, Privatisierungen staatlichen Eigentums und einen Abbau öffentlicher Leistungen zu verhindern, dann wird zugleich ein Beitrag zur Abwehr des Neoliberalismus geleistet.