Was die Kunden wirklich kaufen wollen
Die Gehirnwellen verraten es
In einem übersättigtem Markt wird es immer wichtiger, die Aufmerksamkeit der Menschen als Kunden zu gewinnen. Werbung ist nur ein relativ primitives und indirektes Mittel, um die Menschen in Käufer zu verwandeln. Gleichwohl ist eines der Hauptanliegen der Informationsgesellschaft das Sammeln der persönlichen Daten der Menschen, um durch die Kenntnis der Vorlieben und Interessen gewissermaßen Sicherheitslücken im kognitiven Immunsystem zu entdecken, durch die sich möglicherweise ein Zugang zum Gehirn hacken lässt. Finanziert durch große Unternehmen wie Coca-Cola, General Motors oder Procter & Gamble haben Wissenschaftler jetzt untersucht, wie sich die Gehirnaktivität verändert, in welcher Umgebung die Mensch am ehesten kauffreudig sind.
Natürlich sagen die Wissenschaftler, dass die Forschung nicht nur den Unternehmen zugute kommt, die bessere Mittel finden könnten, um die Menschen zu manipulieren, sondern auch den Kunden selbst: "Wir erhellen die dunklen Stellen des Geistes", sagt so Gerald Zaltman von der Harvard Business School, an der die Untersuchung ausgeführt wurde, "und zeigen, was geschieht, wenn Konsumenten Entscheidungen treffen." Die Wissenschaftler von der Business School, die mit dem Psychologen Stephen Kosslyn von der Harvard School zusammen arbeiten, gehen davon aus, dass Kaufentscheidungen überwiegend unbewusst geschehen. Normalerweise aber sprechen Kundenbefragungen, auf die sich die Marktforschung stützt, nur das Bewusstsein der Menschen an. "Beim Einkaufen", so Zaltman, "ist das, was die Menschen sagen und denken, sehr verschieden von dem, was sie wirklich machen. Hier sind unbewusste Prozesse am Werk."
Diese "unbewussten Prozesse" wurden bei Frauen mit dem PET (Positron Emission Tomographie) an einer Reihe von unterschiedlichen Attrappen von Geschäften gemessen, um eine genaue Vorstellung über die Reaktionen zu gewinnen, vor allem darüber, wann die Wahrscheinlichkeit für einen Kauf groß ist oder warum die Frauen sich abwenden und ein Geschäft verlassen. Mit dem PET lassen sich Schwankungen der Gehirndurchblutung und der Aktivität von bestimmten Gehirnbereichen bestimmen. Negative Reaktionen ergeben beispielsweise eine erhöhte Durchblutung des rechten präfrontalen Kortex sowie der Insula und des Hippocampus, während positive Reaktionen eine erhöhte Durchblutung des linken präfrontalen Kortex und des visuellen Kortex zur Folge haben sollen, wo die Aktivität mit einer erhöhten Lust verbunden ist.
Wie die Sunday Times berichtet, haben die Forscher bereits die noch unveröffentlichten (!) Ergebnisse dazu verwendet, einen amerikanischen KFZ-Hersteller bei der Gestaltung der Ausstellungsräume zu beraten. Vermutet wird, dass es sich um General Motors handelt. Angeblich sollen die Verkäufe bei den umgebauten Ausstellungsräumen um mehr als 30 Prozent gestiegen sein.
Die Harvard-Forscher haben bereits mit einem neuem Projekt begonnen, das gleichfalls herausbekommen will, wie die Aufmerksamkeit der Menschen zielgerecht gelenkt werden kann. Jetzt will man mit derselben Messung der Gehirnaktivitäten feststellen, wie Menschen auf Werbung reagieren, um diese "besser" gestalten, d.h. die Filter des Bewusstseins durchbrechen können. Offenbar geht es auch darum, solche Werbesprüche zu kreieren, die man noch schwerer als bisher vergessen kann.
Die Sunday Times zitiert einen der Wissenschaftler, die natürlich nur für das größte Glück der Menschen sorgen wollen: "Wir wollen nicht die Vorlieben der Menschen manipulieren, wir wollen nur ihre Wünsche ansprechen." Und da kann doch wohl niemand etwas dagegen haben. Vielleicht bauen wir ja alle auch bald nach den Rezepten der Wissenschaftler nicht nur Geschäfte und Werbung, sondern auch Websites, die besser die Wünsche der Menschen ansprechen. Und wahrscheinlich ermüdet unsere Aufmerksamkeit schnell, wenn all jene, die etwas an die Frau oder den Mann loswerden wollen, ähnliche Inszenierungen und Gestaltungen verwenden. Das Wettrüsten geht vermutlich nur eine Stufe weiter.