Was erwartet die islamistischen Märtyrer oder Terroristen?

Das Al-Qaida-Magazin versucht mit Paradiesfantasien und "Open Source Dschihad" Selbstmordattentäter für einen "individuellen Dschihad" zu werben

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Islamistische Terrororganisationen wie Al-Qaida müssen Menschen mit Versprechungen überzeugen, sich ihnen nicht nur anzuschließen, sondern dabei auch ihr Leben aufs Spiel zu setzen. Wenn es um Selbstmordanschläge geht, dann müssen die Menschen ihr Leben mit einer Aktion im Dienste der vermeintlich islamischen Sache abschließen. Sie werden dann als Gotteskrieger oder als Märtyrer (Schahid) bezeichnet, denen der Eingang in den Himmel versprochen wird, um ihnen den irdischen Tod schmackhaft zu machen und ihre blutige Tat zu legitimieren.

In der zweiten, vor kurzem erschienenen Ausgabe des Al-Qaida-Magazins Inspire (Jemen könnte zum nächsten Afghanistan werden) versucht der bekannte und einflussreiche islamische Geistliche Anwar al-Awlaki, ein US-Bürger mit jemeinitischen Migrationshintergrund, der 2002 wieder in den Jemen zurückgekehrt ist, zu zeigen, welcher "Preis" des Schahid erwartet, wenn er durch den Tod im Diesseits in den Himmel gelangt. Al-Awlaki lebt vermutlich im Jemen im Untergrund und ist über seine Predigten bekannt geworden, die im Internet zirkulieren. Er soll mit einigen der 9/11-Attentäter in Kontakt gestanden und andere wie den Amokläufer von Fort Hood und Umar Farouk Abdulmutallab zu Anschlägen angestiftet haben. Von der US-Regierung wird er als so gefährlich erachtet, dass man ihn letztes Jahr auf die Todesliste für Angriffe von Drohnen im Jemen gesetzt haben soll. Er ist, wie auch die neue Ausgabe von Inspire deutlich macht, wohl eine der treibenden Kräfte, die Menschen in den USA dazu bringen wollen, Anschläge gegen die "Ungläubigen" auszuführen.

Und man will offenbar auch für Einzelne die Karriere als Terrorist attraktiv machen, in dem man ihnen Abenteuer verspricht und Möglichkeiten zeigt, wie sie, wo immer sie auch sind, ihren Dschihad führen können, schließlich lebt, wie Inspire auch wieder zeigt, die religiöse Terrorbewegung neben dem Gefühl, eine entscheidende und finale Schicksalsschlacht zu führen, vor allem auch von der Faszination an Waffen und Gewalt, vom Abenteuer des Kriegs, vom riskanten Leben und dem Willen zu töten. Möglicherweise geht es dabei nicht unwesentlich darum, durch die Präsenz des Todes Wirklichkeit zu erfahren, wirkliche Erfahrung zu machen, was bedeutet, die Irreversibilität als Widerspruch zum Simulierten ins Spiel einzuführen.

Open Source Dschihad

Um die jungen Männer zu erreichen, wird von einem "Open Source Jihad" gesprochen. Die Idee ist, dass man keine gefährliche Reise mehr in ein Terrorcamp machen muss, weil man nach den Anweisungen des Handbuchs überall Angst und Schrecken verbreiten kann. Und das sei der "schlimmste Alptraum Amerikas". Und Dschihad heißt: "Bomben bauen, Sicherheitsmaßnahmen, Guerillataktiken, Training an Waffen". Im Grunde müsse man nicht sehr viel mehr machen, als sein Leben einzusetzen. Beispielsweise könne man für einen Selbstmordanschlag in den USA, in Israel, Frankreich, Deutschland, Kanada, Australien, Großbritannien, Dänemark etc. einen Pickup so umgestalten, dass er "zu einer Mähmaschine wird, mit der nicht Gras gemäht, sondern die Feinde Allahs niedergemäht werden". Dazu müsse man nur Stahlklingen am Kühler des Pickups anbringen und dann mit großer Geschwindigkeit durch einen Ort wie eine Fußgängerzone fahren, wo sich eine möglichst große Zahl von Menschen aufhält. Empfohlen wird, Waffen mitzunehmen:

Du kämpfst solange weiter, bis du zum Märtyrer wirst. Du beginnst deinen Tag in dieser Welt und am Ende des Tages bist du bei Allah.

Empfohlen wird auch, nicht in Kontakt mit Gleichgesinnten zu treten und auch keine Dschihad-Websites zu besuchen. Alles soll ganz überraschend geschehen, aber man soll sich Zeit lassen. Die Planung könne durchaus ein Jahr dauern, vor allem müsse man an die "maximale Wirkung" denken. Denkbar wäre ein Angriff mit Schusswaffen auf ein gut besuchtes Restaurant. Zufälliges Schießen wäre sowieso die einfachste Tat, die am wenigsten Vorbereitung benötigt. Besser wären freilich Anschläge wie die mit der "Mähmaschine", weil das eine neue, allerdings ebenfalls einfache Methode sei und Chaos und Terror bewirke.

Innovation ist gefragt, um die meisten Opfer oder den größten wirtschaftlichen Schaden zu verursachen. So werden die "islamischen Brüder", die Chemie oder Mikrobiologie studiert haben, aufgerufen, ein wirksames Gift oder eine Massenvernichtungswaffe zu entwickeln. Es sei von "extremer Wichtigkeit", den Krieg zu den USA zu bringen und Massenvernichtungswaffen einzusetzen. Versprochen wird, diese Themen in den nächsten Ausgaben ausführlicher darzustellen.

"Im Paradies ist alles sauber"

In Inspire werden auch Nicht-Muslime von Hazim Noor aufgerufen, schleunigst zum Islam zu konvertieren, sonst würden sie die Folgen am Tag des Gerichts ereilen. Wer nur nach dem irdischen Leben gesucht hat, wird ewige Qualen durch ein strafendes Feuer erleiden, wer aber ein gläubiger Muslim wird, darf sich schon im Diesseits "maximal des Lebens erfreuen", auch wenn er "die ärmste Person unter dem Himmel" ist. Im Jenseits wird es freilich noch besser werden. Zwar ist keine Rede von den bekannten Jungfrauen, aber den frommen Muslim erwarten "Freuden, die noch kein Auge gesehen, die noch kein Ohr gehört und kein Geist gedacht hat: Ein ewiges Leben in Freude und Glück, frei von Sorgen und Schwierigkeiten":

Der einstige Imam spricht hingegen die "Märtyrer" an, um ihnen deutlich zu machen, dass es "zwischen ihnen und dem himmlischen Glück nichts gibt als den Tod als ein Schahid". Al-Awlaki zieht es allerdings noch vor, den Schritt noch ein wenig hinauszuzögern und im irdischen Leben auszuharren. Das ist aber nach seinen Worten sowieso nichts gegenüber der Ewigkeit. Wenn man die durch die Lebenszeit des Menschen teilt, der am längsten gelebt hat, käme mathematisch Null heraus. Das irdische Leben, in dem alles "verdorben" ist, so al-Awlaki ganz zielorientiert, ist nichts, schlicht "wertlos".

Dagegen ist das Leben nach dem Märtyrertod ganz anders, aber irgendwie scheint die Fantasie des Imam beim Ausmalen des ewigen Lebens auch nicht richtig zu zünden, ein wenig erinnern manche Formulierungen an den Ratgeber (Himmelfahrtskommando), den man angeblich bei Atta gefunden hat:

Im Paradies ist alles sauber. Alles ist rein. Man muss nicht pinkeln und man schwitzt nicht. Unsere Körper haben eine andere Form. Leben ist hier ewig. Es gibt keinen Zeitdruck. Die Menschen des Paradieses können machen, was sie wollen, wann sie dies wollen und wie lange sie es wollen. Einer von ihnen könnte sich auf seinem Thron zurücklegen und mit seiner Frau vierzig Jahre lang reden.

Ob man aus den ersten Sätzen schließen muss, dass den himmlischen Körper auch kein sexuelles Begehren mehr zu eigen ist? Dass alles doch sehr stark auf Männer ausgerichtet ist, macht der letzte Satz deutlich. Da ließe sich fragen, ob das möglicherweise nicht eher abschreckend wirkt oder das Reden nur etwas anderes kaschieren soll? Offenbar meint der Imam, dass die Eheleute sich im Himmel wieder vereinigen. Ob das auch die gesamte Familie und bis zu welcher Generation oder auch die gesamte Sippe betrifft, würde man auch gerne wissen.

Tatsächlich kommt er nachher darauf zu sprechen und erwähnt, der berühmte sunnitische Gelehrte Ibn al-Qayyim habe darüber geschrieben, ein Mann mit seiner Frau 80 Jahre lang schlafen, als Sex haben könne. Das sei aber nur ein "schwacher Hadith" meint al-Awlaki, vielleicht will er sich nicht auf verheiratete Männer festlegen, es sollen ja auch Ledige zum Schahid werden.

Ibn al-Qayyim war allerdings bei seinen Schilderungen deutlicher. Ähnlich wie dies Augustin den Christen und deren Märtyrern versprochen hat, kommen auch die Muslime im besten Mannesalter im Himmel an. Bei den Christen im Alter des Gekreuzigten, im Islam im Alter Adams, also mit 33 Jahren. Augustin hielt nichts von der Sexualität im Himmel, da sah man offenbar manchmal im Islam doch anders, auch wenn die Sexualität irgendwie sauber und reinlich bleiben sollte. Die frommen Islame haben junge Knaben als Diener, ihre Bräute und Frauen sind "jung und vollbusig" und unvorstellbar schön, zudem wird nicht gealtert:

"Das Tuch auf ihrem Kopf ist besser als die Erde und was in ihr ist und sie steigt nicht im Alter, aber in ihrer Schönheit. Frei von einer Nabelschnur, Entbindung, Menstruation. Frei von Schleim, Speichel, Urin und anderen unsauberen Dingen. Ihre Jugend verblasst nie, ihre Kleidung nie abgenutzt, keine Gewänder können hergestellt werden, die sich ihrer Schönheit anpassen. Keinem der mit ihr zusammen ist, kann jemals langweilig werden, ihre Aufmerksamkeit ist auf ihren Ehemann beschränkt, sie begehrt nichts anderes als ihn, genauso wie seine Aufmerksamkeit auf sie beschränkt ist und er nur sie begehrt und er ist mit ihr in allergrößter Sicherheit und Geborgenheit und niemand hat sie jemals angefasst, sei es von den Menschen oder Jinn."

Al-Awlaki will aber eigentlich dem Märtyrer in spe die Ewigkeit gegenüber dem schmutzigen und bedauernswerten irdischen Leben schmackhaft machen. Dazu gibt er noch ein Beispiel. Man könnte beispielsweise aus seinem Haus kommen, sich hinsetzen und eine Blume, die einem gefällt, 10 Jahre lang betrachten. Man habe ja keine Verpflichtungen und keine Arbeit, man kann den Müßiggang pflegen oder auch mal ein ganzes Jahr mit Mohammed verbringen. Wenn er gerade keine Zeit hat, vielleicht auch eine Milliarde Jahre beschäftigt ist, dann könne man das ja später nachholen. Das Problem scheint nur zu sein, was auch das christliche Erlösungsversprechen eines ewigen Lebens für die Frommen hat, dass Ewigkeit nicht sonderlich interessant und anziehend ist, wenn man sich dies näher vorstellt. Ewigkeit ist, wie al-Walaki dies ausführt, das Aussetzen der Zeit und damit auch der Irreversibilität, die das Leben als Märtyrer spannend macht:

Es ist Unendlichkeit, es hört nie auf, es geht immer weiter.

Das klingt dann schon eher nach Alptraum, nach einer Drohung, weniger nach einer Verheißung, weil es der Gegensatz zum irdisch Interessanten ist, also zum immer mal Neuen und Anderen. Al-Awlaki ist in den USA aufgewachsen und offenbar weiter beeindruckt von der amerikanischen Werbung und Technik. So heißt der vorletzte Satz:

The Energizer bunny would die und you're still alive in jannah!