Wasserstoff- und Konfliktpotenzial in Nordafrika
Energiepartnerschaft mit Marokko wegen Westsahara-Konflikt auf dem Prüfstand. Neuer Atlas bescheinigt den Ländern der Region enormes Potenzial
Marokko war bisher ein Hoffnungsschimmer für die deutsche Klimapolitik. In dem nordafrikanischen Land sollte "grüner" Wasserstoff für die deutsche Wirtschaft produziert werden. Eine Energiepartnerschaft war angedacht, ein Hybridkraftwerk sollte gebaut werden, mit einer Anlage zum Entsalzen von Meerwasser und einem Elektrolyseur - doch nun steht das Projekt auf der Kippe.
Der Grund ist der Konflikt in der Westsahara. Das Königreich Marokko beansprucht das Gebiet für sich - die Saharauis kämpfen für ihre Unabhängigkeit. Als die USA die Ansprüche Marokkos anerkannte, wurde die Entscheidung in Berlin kritisiert. Daraufhin bezichtigte das Königshaus Deutschland der Feindseligkeit und zog Anfang Mai die Botschafterin ab. Nun erklärte die Bundesregierung: Die Energiepartnerschaft steht auf dem Prüfstand.
Die deutsche Wirtschaft gibt sich gelassen für die Fall, dass Marokko als Wasserstofflieferant ausfällt. "Ich glaube nicht, dass die diplomatischen Verstimmungen mit Marokko kurzfristig ausgeräumt werden können", sagte Stefan Liebing, Vorsitzender des Afrika-Vereins der deutschen Wirtschaft. In anderen afrikanischen Ländern gebe es dafür Fortschritte. Dort entstehe derzeit eine Vielzahl neuer Projekte, an denen deutschen Firmen beteiligt seien.
Wo Investitionen lukrativ sind, hat die Bundesregierung in mehreren Forschungsprojekten analysieren lassen. Einen weltweiten Überblick gibt der "PtX-Atlas" des Fraunhofer Instituts für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik (IEE), der vom Bundesumweltministerium finanziert am Mittwoch vorgestellt wurde. Eine Woche zuvor hatte das Bundesforschungsministerium den "Potenzialatlas Wasserstoff" vorgestellt, der vor allem Afrika in den Fokus nimmt.
Länder der Region könnten weltweiten Bedarf decken
Die Länder Westafrikas, so eine Kernaussage im Potenzialatlas, könnten den weltweiten Bedarf an grünem Wasserstoff decken. Eine Menge von 165.000 Terawattstunden (TWh) ließen sich dort erzeugen. Das entspricht dem 110-fachen Bedarf Deutschlands im Jahre 2050. Solarenergie lasse sich vor allem in den nördlichen Regionen Westafrikas günstig erzeugen, Windenergie in den südlichen Regionen.
Das Fraunhofer IEE hat einen anderen Ansatz gewählt; denn Potenzial haben viele Länder - ob sie für Investitionen in Frage kommen, hängt aber auch von anderen Faktoren ab, zum Beispiel von ihrer politischen Stabilität oder von den Transportkosten nach Europa. Bei der Analyse kristallisierte sich heraus: Es sind nur zehn Länder, die für Europa von besonderem Interesse sind, weil sich in ihnen 80 Prozent der Potenziale konzentrieren.
Die Forscher vom Fraunhofer IEE rechneten aus, dass außerhalb Europas langfristig eine Energiemenge von etwa 109.000 TWh in Form flüssigen Wasserstoffs gespeichert werden könnte. Stelle man dagegen synthetische Kraft- und Brennstoffe her, käme man noch auf 87.000 TWh. Teile man die verfügbaren Mengen unter den einzelnen Ländern nach dem heutigen Anteil an der Weltbevölkerung auf, so ließe sich auch der künftige Bedarf in Deutschland (bis zu 400 TWh) decken.
Aus den Ländern Nordafrikas könnte grüner Wasserstoff nach Europa geliefert werden, da die Wege kurz sind, könnte das Gas über Leitungen transportiert werden. Bei längeren Wegen sei es dagegen günstiger, Brenn- und Kraftstoffe dort zu produzieren, wo auch der Wasserstoff erzeugt werde. Dort könnte auch gleich das benötigte Kohlendioxid aus der Atmosphäre gewonnen werden. Länder Südamerikas zählen hier zu den besten Standorten.
Für die deutsche Wirtschaft dürfte auch das interessant sein. Deutschland habe als Exportland ein Interesse daran Technologien ins Ausland zu verkaufen. Darauf wies Jochen Bard, Bereichsleiter Energieverfahrenstechnik beim Fraunhofer IEE, am Mittwoch explizit hin. Das sei immer auch Bestandteil von Energiepartnerschaften.
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