"Weg mit den liberalen und säkularen Professoren"

Iran: Ahmadinedschad warnt vor politischen Einmischungen des Lehrkörpers an den iranischen Universitäten und betreibt selbst "neue Kulturpolitik"

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Schon im Juni dieses Jahres gab es eine Meldung, die auf eine Personalveränderungen an iranischen Universitäten im größeren Stil hinwies: 40 Professoren und Dozenten an der Teheraner Universität seien in den Ruhestand geschickt worden, berichtete BBC-News im Frühsommer.

Und schon im zweiten Satz der Meldung wurden die Bedenken geäußert, die dergleichen Meldungen implizieren, dass es sich um eine "Säuberungsaktion" der Regierung unter Präsident Ahmadinedschad handelt. Und natürlich dementierte der Kanzler der Universität, ein Ayatollah, der von Ahmadinedschad Ende des vorigen Jahres als erster Geistlicher für diesen Posten eingesetzt wurde, solche Anschuldigungen: Für die Versetzung der Professoren in den Ruhestand würden politische oder religiöse Motive keine Rolle spielen, die Betroffenen seien mit über 65 Jahren einfach zu alt, sagte der 68-Jährige.

Zweieinhalb Monate später bekommt der Verdacht, dass der iranische Präsident die Universitäten stärker auf Linie bringen will, neue Nahrung. Wie AP gestern meldete soll sich Ahmadinedschad in einer Rede vor Studenten für eine "Säuberung der Universitäten im Land von liberalen und säkularen Lehrern" stark gemacht und die Studenten so zu einer "Rückkehr des Radikalismus der frühen 80er Jahre" angehalten haben.

Laut AP hat sich der Präsident wörtlich darüber beklagt, dass Reformen an den Universitäten nur schwer erfolgreich durchzusetzen wären, weil das Erziehungssystem seit 150 Jahren vom Säkularismus beeinflusst sei und der Kolonialismus stetig darauf bedacht, sein säkulares System zu expandieren. Ein Wechsel habe aber gerade begonnen.

Die staatliche iranische Nachrichtenagentur IRNA hebt in ihrer Meldung vor allem die Warnung Ahmadinedschads hervor, dass sich die Leiter der Universitäten von der Politik fern halten sollten. Vor ausgewählten Studenten habe der Präsident in seiner Rede zum Nationalen Tag der Jugend erklärt, dass sich seine Regierung bemühe, sich der Tendenz, Politik in die iranischen Universitäten hineinzubringen, entgegenzustellen.

Während IRNA aus der Rede nur den Satz zitierte, wonach die Studenten das Recht hätten, Ahmadinedschad für die Anwesenheit liberaler und säkularer Professoren heftig zu kritisieren, rückten westliche Medien einen ähnlichen Satz in den Mittelpunkt ihrer Aufmerksamkeit:

Studenten sollten sich dem Präsidenten gegenüber laut bemerkbar machen ("shout at the president") und fragen, warum liberale und säkulare Dozenten an den Universitäten präsent sind.

Einige Berichterstatter sehen darin einen klaren Hinweis auf die Anstiftung zur Denunziation und den Auftakt zu einer größeren Säuberungsaktion an den Universitäten. Kritiker, wie der Teheraner Professor Saeed Al-e Agha, werten dies gar als "Anfang einer sogenannten kulturellen Revolution, die Gegner von Ahmadinedschad und seiner Verbündeten aus den Universitäten vertreiben soll. Sie wollen dort über die Köpfe der Jugend regieren."

Andere, wie Sadegh Zibakalam, ein Politikwissenschaftler an der Tehraner Universität, halten solche Warnungen für übetrieben und sehen in den Äußerungen Ahmadinedschads vor allem populistische Rethorik, dazu angetan, die Wähler von den wirtschaftlichen Problemen abzulenken:

Diese Kommentare bedeuten nicht, dass es einen orchestrierten Plan gegen eher liberale Dozenten gibt.

Skepsis gegenüber einer allzu verharmlosenden Sicht ist jedoch angebracht. Die Universitäten in Iran, vor allem in Teheran, sind als traditionelle Unruheherde bekannt, man denke nur an die Studentenunruhen, die beinahe alljährlich stattfinden und immer wieder größere Verhaftungswellen auslösten. Bekannt für besonders schlagkräftige, brutale Einsätze gegen Studenten sind die Basidschi-Milizen, mit denen Ahmadinedschad seit vielen Jahren in engerer Verbindung steht.

Die unter dem neuen Präsidenten eingeführte Praxis, Märtyrern des Iranisch-irakischen Kriegs Ehrengräber auf dem Gelände von Universitäten zu setzen, wird von manchen ebenfalls dahingehend interpretiert, dass die Regierung die Universitäten mit neuen Zeichen (und Sicherheitskräften, welche die Gräber angeblich bewachen sollen) in Beschlag nimmt.

Die kürzliche Freilassung des international bekannten Intellektuellen Ramin Jahanbegloo und dessen veröffentlichtes (Zwangs-)Geständnis, mit amerikanischen Organisationen in Verbindung gestanden zu haben, welche die nationale Sicherheit Irans gefährden, weist auf einen anderen Aspekt der Politik Ahmadinedschads gegenüber der intellktuellen Schicht Irans hin: Man will öffentlich zeigen, dass jeder Ansatz zu einem Regime Change, der von außen gefördert wird, von der Regierung schon im Keim bekämpft wird.

Wie berichtet (vgl. Mit sanfter Gewalt), haben die USA Anfang dieses Jahres ein 75 Millionen Dollar-Programm angekündigt, dessen Mittel dazu verwendet werden sollen, "politische Veränderungen in Iran" herbeizuführen. Die Nachricht, die internationale Aufmerksamkeit erregte, traf natürlich auch in Teheran auf wache Ohren. Insbesondere, dass die USA für den angestrebten Regime Change Studenten und das akademische Milieu über bestimmte Organisationen erreichen will und sie als potentielle Kräfte zur Veränderung im Visier ihrer Förderung haben.