Wehrpflicht-Debatte und Kriegstüchtigkeit: Vier Fakten über die Altersgruppe, um die es geht

Noch wirbt die Bundeswehr um Nachwuchs. Foto: C.Suthorn / cc-by-sa-4.0 / commons.wikimedia.org

Verteidigungsminister will Richtungsentscheidung zur Wehrpflicht bis 2025. Im Fokus stehen Jüngere. Was tut die politische Klasse für diese Generation?

Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will noch in dieser Legislaturperiode eine "Richtungsentscheidung zur Wehrpflicht" – so zitierte der Spiegel am Dienstag aus einer internen Vorlage des Ministeriums. Bis zum 1. April sollen demnach "Optionen für ein deutsches Wehrdienstmodell" vorgelegt werden, "das bedrohungsangepasst auch kurzfristig skalierbar einen Beitrag zur gesamtstaatlichen Resilienz liefert".

Die Einberufung junger Männer zum Grundwehrdienst ist in Deutschland seit März 2011 ausgesetzt – nicht aber aufgehoben. Im Spannungs- oder Verteidigungsfall können sogar bis zu 60-Jährige einberufen werden.

Ansonsten sind potenziell junge Männer vom 18. bis maximal zum 32. Lebensjahr betroffen – sowie alle, die in den nächsten Jahren volljährig werden. In der Debatte um die Wiedereinsetzung beziehungsweise eine "allgemeine Dienstpflicht" gibt es aber immer wieder Stimmen, die dafür plädieren, auch junge Frauen einzubeziehen.

Hier lohnt sich ein genauerer Blick auf diese Altersgruppe und die Belastungen, denen sie schon jetzt ausgesetzt ist.

Generation Wehrpflicht auf historischem Tiefstand

Erstens: Der Anteil junger Menschen zwischen 15 und 24 Jahren an der Gesamtbevölkerung in Deutschland ist 2022 auf einen Tiefstand von zehn Prozent gesunken. "In Deutschland leben so wenig junge Menschen wie noch nie", teilte das Statistische Bundesamt zum Start einer Themenreihe zum Europäischen Jahr der Jugend 2022 mit.

Die Zahl junger Menschen dieser Altersgruppe wurde mit "gut 8,3 Millionen" beziffert – bei einer Gesamtbevölkerung von rund 83 Millionen.

Für junge Erwachsene bedeutet das auch, dass sie bei Wahlen weniger Einfluss haben als Ältere. Sie können also auf dieser Ebene weniger mitbestimmen – auch in Bereichen, die sie in erster Linie betreffen. Im Zweifel sind ihre Stimmen bei der Bundestagswahl nicht ausschlaggebend, wenn sie eine Wiedereinsetzung der Wehrpflicht ablehnen und dies zum Wahlprüfstein machen.

Generation Corona-Krise zu den Waffen?

Zweitens: Jugendliche und junge Erwachsene sind in besonderer Weise von der Corona-Krise geprägt. Kinder und Jugendliche galten als am wenigsten durch das Virus gefährdet, bekamen aber die Eindämmungsmaßnahmen besonders stark zu spüren. Auch die Bundesregierung räumt ein:

Die Corona-Pandemie ist wahrscheinlich an keinem Kind oder Jugendlichen spurlos vorüber gegangen: geschlossene Kitas und Schulen, fehlende soziale Kontakte, Lernlücken, mangelnde Bewegung, ausgefallene Klassenfahrten oder Abifeiern. Das macht sich unter anderem bemerkbar in Lernrückständen oder einer Zunahme von psychischen Erkrankungen bei Kindern und Jugendlichen.

Auch soziale Ungerechtigkeiten und die Auswirkung chronischer Mängel im Bildungssystem wurden dadurch verschärft, dass das Lernen zu Hause in beengten Verhältnissen und mit Eltern ohne akademischen Hintergrund ungleich schwieriger ist.

Was ihre Zukunft tatsächlich bedroht

Drittens: Ihre Zukunft ist durch die unzureichende Klimapolitik bedroht. Nachdem von Jüngeren in der Corona-Krise Rücksichtnahme und Solidarität mit Älteren erwartet wurde, sperren sich viele der Älteren – sowohl auf politischer Ebene als auch in der Bevölkerung – gegen Veränderungen, die notwendig wären, um eine gute Zukunft für die junge Generation zu gewährleisten.

Laut Expertenrat wird unter anderem Deutschland seine Klimaziele deutlich verfehlen. Der Klima-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts von 2021 verweist darauf, dass Freiheitsrechte in Gefahr sind, wenn der Zeitdruck zur Begrenzung der Klimakatastrophe steigt, weil Regierende sich mit effektiven Maßnahmen zu viel Zeit lassen und hohe Emissionsminderungslasten auf Zeiträume nach 2030 verschoben werden:

Das verfassungsrechtliche Klimaschutzziel des Art. 20a GG ist dahingehend konkretisiert, den Anstieg der globalen Durchschnittstemperatur dem sogenannten "Paris-Ziel" entsprechend auf deutlich unter 2 °C und möglichst auf 1,5 °C gegenüber dem vorindustriellen Niveau zu begrenzen.

Um das zu erreichen, müssen die nach 2030 noch erforderlichen Minderungen dann immer dringender und kurzfristiger erbracht werden. Von diesen künftigen Emissionsminderungspflichten ist praktisch jegliche Freiheit potenziell betroffen, weil noch nahezu alle Bereiche menschlichen Lebens mit der Emission von Treibhausgasen verbunden und damit nach 2030 von drastischen Einschränkungen bedroht sind.

Mangel an bezahlbarem Wohnraum: Gleich in die Kaserne?

Viertens: Was für viele junge Menschen ein wichtiger Schritt ins Erwachsenenleben ist – nämlich der Auszug aus der elterlichen Wohnung – wird ihnen durch hohe Mieten und unzureichende Instrumente zur Mietpreisbegrenzung schwer gemacht.

Im Jahr 2022 lebte nach Angaben des Statistischen Bundesamts mehr als ein Viertel der 25-Jährigen noch bei den eigenen Eltern. Genauer: 27,3 Prozent. Bei den 30-Jährigen waren es 9,2 Prozent. Das Durchschnittsalter beim Auszug lag geschlechterübergreifend bei 23,8 Jahren.

In einigen Fällen mögen sich die Betroffenen auch sehr gut mit ihren Angehörigen verstehen und den Komfort genießen. Dass seit den 1980er-Jahren in Westeuropa das Durchschnittsalter beim Auszug aus der elterlichen Wohnung gestiegen ist, dürfte aber auch an der Mietpreisentwicklung liegen.

Vor allem in den acht größten deutschen Städten Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, Leipzig, München und Stuttgart. Die für das Wohnbarometer von ImmoScout24 ausgewerteten Angebotspreise lagen im vierten Quartal 2023 im bundesweiten Schnitt 1,6 Prozent über den Werten des Vorquartals – im Jahresvergleich lag der Anstieg bei 5,8 Prozent.

Was tut die politische Klasse für potenziell Wehrpflichtige?

Selbst für gut ausgebildete Fachkräfte, um die Deutschland wirbt, sind Großstadtmieten ein Hindernis. Studierende, Berufsanfänger oder Azubis haben es folglich noch schwerer. Die sogenannte Mietpreisbremse hat sich insoweit als ineffektiv erwiesen.

Die Frage, ob die politische Klasse in Deutschland genug für die junge Generation tut, um sie guten Gewissens zu den Waffen rufen zu können – und ob es der klassische äußere Feind ist, der ihre Zukunft am meisten bedroht – kann sich jeder und jede selbst beantworten.