Weihnachtmarkt-Attentäter von Magdeburg: Atheist oder U-Boot?
Ex-Muslimen kam der Tatverdächtige schon lange suspekt vor. Der Verein Säkulare Flüchtlingshilfe zog vor Gericht, weil er Mitglieder verleumdet hatte.
Taleb al-A., der als radikaler Islamkritiker auftrat und Sympathien für die AfD bekundete, bevor er am Freitagabend als Hauptverdächtiger des Magdeburger Weihnachtsmarkt-Attentats festgenommen wurde, ist unter Ex-Muslimen offenbar schon längere Zeit mehr als negativ aufgefallen.
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Es bestehen offenbar Zweifel, ob der 50-Jährige aus Saudi-Arabien, der seit 2006 in Deutschland lebt, wirklich Atheist war – oder als verkappter Islamist versuchte, hier lebende "Abtrünnige" zu spalten oder auszuspionieren.
Agenten-Verdacht gegen vorgeblichen Islamkritiker
Der Kölner Ex-Muslim Ali Utlu schrieb an diesem Samstag auf der Plattform X, er habe Taleb al-A. dort schon vor Monaten blockiert, weil er ihn für einen saudischen Agenten gehalten habe, "der abtrünnige Saudis und Ex-Muslime in Deutschland ausspioniert hat".
Zudem soll Taleb al-A. in Chats von Kontakten zum "Islamischen Staat" (IS) und möglichen Anschlägen gesprochen haben. Utlu fragt deshalb auf X rhetorisch, was der Verfassungsschutz beruflich mache. "Immer wieder hat der wirre Attentäter mit Taten gegen Deutsche gedroht, immer wieder wurden Tweets und Nachrichten gemeldet, aber die Behörden wussten nichts?"
Vorwurf der Islamisierung an Deutschland
Seinen Groll gegen deutsche Behörden hatte al-A. selbst damit begründet, dass sie zu wenig gegen den politischen Islam unternähmen oder ihn sogar förderten. Er warf Deutschland sogar vor, die "Islamisierung Europas" voranzutreiben.
Saudi-Arabien soll wiederum deutsche Behörden vor ihm und seinen "extremistischen Ansichten" gewarnt haben. Dies berichteten der Sender ntv und die Nachrichtenagentur Reuters wenige Stunden nach dem Anschlag unter Berufung auf einen Insider aus dem Land.
Tatverdächtiger verlor Verleumdungsprozess
Nach Angaben des Vereins Säkularen Flüchtlingshilfe e.V. gab es seit 2019 sogar gerichtliche Auseinandersetzungen mit dem 50-Jährigen, weil Mitglieder des Vereins "nach übelsten Verleumdungen und verbalen Angriffen durch ihn" Anzeige bei der Polizei erstattet hatten.
Der Verein zeigte sich in einer ausführlichen Stellungnahme an diesem Samstag zutiefst bestürzt über den Anschlag und sprach den Opfern und Angehörigen sein Beileid aus.
Der letzte außergerichtliche Kontakt unseres Vereins mit dieser Person geht auf das Jahr 2018 zurück. Ursprünglich bestand die Überlegung einer Zusammenarbeit, um die Hilfe für atheistische Geflüchtete aus Saudi-Arabien zu koordinieren. Diese Kooperation scheiterte jedoch.
Aus einer Stellungnahme der Säkularen Flüchtlingshilfe e. V.
Seitdem habe der Kontakt zu dem nun mutmaßlichen Attentäter nur noch über Anwälte und Gerichte bestanden. Einen Prozess vor dem Landgericht Köln hätten die betroffenen Ex-Vorstandsmitglieder des Vereins gewonnen – das Gericht habe ihn aufgefordert, sie betreffende Social Media Posts zu löschen. Aktuell befinde sich das Verfahren aber noch in der Berufung vor dem Oberlandesgericht Köln.
Der Verein spricht von al-A. allerdings nur als "Person, die als der mutmaßliche Attentäter identifiziert wurde". Taleb al-A. soll zuletzt als Facharzt für Psychiatrie im Klinikum in Bernburg an der Saale gearbeitet haben.
Zahl der Todesopfer steigt auf fünf Personen
Die Zahl der Todesopfer des Anschlags in Magdeburg ist nach aktuellen Angaben auf fünf Personen gestiegen. Mindestens 200 Menschen sind demnach zum Teil schwer verletzt worden, als der Täter um kurz nach 19 Uhr mit einem Leihwagen in die Menschenmenge auf dem Weihnachtsmarkt raste. Am Freitagabend war zunächst von zwei Toten, darunter ein Kleinkind, und mindestens 60 Verletzten die Rede.