Weißhelme kommen nach Deutschland
Das jordanische Außenministerium annonciert die Abreise und den Beginn des "Resettlement-Programms"
279 Weißhelme sollen von Jordanien aus im Rahmen eines "Resettlement-Programms" in westliche Länder umgesiedelt werden. Nach einem dreimonatigen Aufenthalt sollen sie nun Jordanien verlassen haben, meldet die Nachrichtenagentur AP, die das Außenministerium in Amman zitiert.
Demnach haben die "279 syrischen Angestellten der zivilen Vereidigung (i.O.: 'Civil Defence') das Königreich verlassen". Die jordanische Regierung habe ihnen erlaubt, ihr Territorium als Zwischenstation für die Umsiedlung in westliche Länder zu nutzen. Konkret werden Großbritannien, Deutschland und Kanada als Aufnahmeländer genannt.
Die Länder hätten, wie das Ministerium in Amman betont, "rechtlich verpflichtende Zusagen" gemacht, die Weißhelme und deren Familienangehörigen zu übernehmen, ohne dass dem Gastland Jordanien irgendwelche Verpflichtungen entstehen. Der Aufenthalt in Jordanien war auf höchstens drei Monate beschränkt.
Am 22. Juli waren 422 Mitglieder der White Helmets sowie ihre Familienangehörigen nach Jordanien eingereist. Erst kurz zuvor war, wie hier berichtet, bekannt geworden, dass beim Nato-Gipfel eine Evakuierung der Weißhelme im Südwesten Syriens beschlossen worden war (vgl. Syrien: Pläne zur Evakuierung der Weißhelme). Der Transit erfolgte über Israel, was seinerzeit für große Medienaufmerksamkeit sorgte.
Die Passage und wie auch der damit verbundene Aufenthalt in Jordanien sei auf Forderung der UN erlaubt worden, aus "einzig humanitären Gründen", zitiert die Nachrichtenagentur weiter aus dem Statement des Außenministeriums in Amman. Hinzugefügt wird, dass die Anzahl derjenigen, die umgesiedelt werden, mittlerweile auf 428 angewachsen ist, da zwischenzeitlich sechs Kinder zur Welt kamen.
Es steht also noch eine Gruppe von 149 Männer, Frauen und Kinder aus, die umgesiedelt werden soll. Erwartet wird die Abreise binnen der nächsten zwei Woche, teilt das Außenministerium mit. Die amtlich-trockenen Mitteilungen lassen spüren, dass es Jordanien daran gelegen ist, dass die Weißhelme und ihre Familien das Land verlassen. Sie stellen ein Problem dar.
Das Problem mit den "Helfern"
Auch die Niederlande wurden zunächst als mögliches Aufnahmeland genannt. Davon war aber später keine Rede mehr; dagegen hieß es Anfang September, dass die Unterstützung für die Weißhelme in Syrien bis Ende des Jahres eingestellt werde. Als Grund wurde "Intransparenz" angegeben (vgl. Syrien: Niederlande beendet Unterstützung der Weißhelme und der bewaffneten Opposition).
Die "fehlende Transparenz" könnte man als kleinsten gemeinsamen Nenner aller Kritiker der ominösen Organisation bezeichnen. Die Vorwürfe gegen die selbsternannte "Syrian Civil Defense" - es gibt eine andere, ältere Organisation dieses Namens, wie Kritiker und Gegner hinweisen, nur diese sei "echt" - gehen sehr viel weiter.
Sie reichen bis hin zu Verbindungen der White Helmets mit Dschihadisten, wie zum Beispiel zum al-Qaida-Ableger al-Nusra-Front. Diese Auffassung vertreten die syrische und die russische Regierung sowie eine Zahl kritischer Beobachter im Netz, die seit Jahren Dokumente beisteuern, die diese Verbindungen belegen sollen.
Vorwürfe gegen Kritiker
Von anderer Seite wird, wie aktuell noch einmal in der New York Book Review vorgebracht, dass die Vorwürfe an den White Helmets zu einer "Desinformationskampagne der russischen Regierung" gehören.
Aus dieser Sicht zählen Vanessa Beeley, Eva Bartlett, Sharmine Narwani und Max Blumenthal, um die bekanntesten Kritiker der Weißhelme zu nennen, zum Kern eines Spektrums von "anti-westlichen Verschwörungstheoretikern". (Nachtrag: Russland und Syrien haben aus dieser Perspektive, worauf der erwähnte New-York-Book-Review-Artikel schon mit der Überschrift beginnend abzielt, das Motiv, unliebsame "Zeugen von Kriegsverbrechen" zu diskreditieren.)
Vorwürfe gegen Unterstützer
Umgekehrt macht der russische Außenminister Lawrow in einem aktuellen Interview noch einmal seine Ansicht deutlich, wonach die White Helmet, wie auch Bellingcat mit seinen Verbindungen zu westlichen Geheimdiensten, zu einer Desinformationskampagne der westlichen Regierungen gehören. Es würden immer häufiger Fakten aufkommen, "die eine enge Verbindung (der Weißhelme, Anm. d.V.) mit ISIS und Jabhat al-Nusra bestätigen".
Lawrow geht im Interview auch auf die Evakuierung der Weißhelme ein, wobei er nichts von der Todesangst erwähnt, welche die White Helmets vor den syrischen Regierungstruppen hatten. Für Lawrow steht im Vordergrund, dass durch die Offensive der syrischen Truppen und ihrer Verbündeten im Juli die Ordnung bei den Golanhöhen wieder hergestellt wurde.
Die Evakuierung sieht er als Forderung der Weißhelme und der russische Außenminister rückt den Akzent darauf, dass seither drei Monate vergangen seien und "Sie sind noch immer da".
Nach unseren Daten haben die westlichen Länder, die Jordanien versprochen hatten, diese Leute aufzunehmen und sie nach Europa und Kanada zu bringen, einige ihrer Dokumente durchforstet und haben sich erschreckt ("became horrified"). Ihre Vergangenheit legt nahe, dass europäische Länder Befürchtungen haben, diese Leute mit bekannten kriminellen Tendenzen zu akzeptieren.
Sergej Lawrow
"So arbeitet kein anderer Rettungsdienst, mit Kamera auf dem Kopf"
In Deutschland gab es im Juli eine Debatte über die "Aufnahme syrischer Zivilschützer" (taz), die sich an den Argumenten entzündete, welche die Linken-Bundestagsabgeordnete Heike Hänsel vorbrachte. Nachzulesen sind sie in einem Gastbeitrag bei Telepolis: Warum ich die Aufnahme von Mitgliedern der syrischen "Weißhelme" kritisiere.
Dass die Öffentlichkeit bislang nicht genau darüber informiert wurde, wie viele Weißhelm-Angehörige nach Deutschland kommen, gehört zum Phänomen der Intransparenz, das bezeichnenderweise für eine Truppe angewendet wird, auf der sich sehr viel "Aufklärungsarbeit" über Verbrechen von Assad und Russland bezog und zwar bei Vorwürfen von Giftgaseinsätzen hauptsächlich.
Wie Heike Hänsel hervorhebt, zielt Arbeitsweise der Weißhelme auf Veröffentlichung ab, was für Hilfsorganisationen in dieser Weise ungewöhnlich ist: "So arbeitet kein anderer Rettungsdienst, mit Kamera auf dem Kopf." Ungewöhnlich ist auch, dass Fotografen wie bestellt im Halbkreis darauf warten, dass ein Retter mit einem Kind im Arm, das gerade "spontan" aus dem Schutt eines von russischen Bombern oder syrischen Faßbomben zerstörten Hauses gerettet wurde, fotogen auf sie zuläuft. Von Müttern ist gewöhnlich nichts zu sehen.
Unbestritten ist, dass die White Helmets hervorragende PR-Arbeit für Rettungsmaßnahmen machten, welche die Einmischung ihrer westlichen Unterstützer in Syrien in besseres Licht tauchte, nach dem Motto "Der Westen unterstützt Helden im Bürgerkrieg. Die tun was für die Bevölkerung." Finanzielle Unterstützung in Millionenhöhe kam oder kommt vornehmlich aus USA und Großbritannien, aber auch aus Katar und Deutschland und Frankreich half öffentlichkeitswirksam mit Auftritten der Retter im Elyseepalast.
Unbestritten ist auch, dass die White Helmets keine unabhängigen Helfer, sondern politische Kriegspartei gegen die syrische Regierung und ihre Verbündeten sind. Abzulesen ist das etwa an ihren Forderungen nach einer No-Fly-Zone (was damit zu machen ist, zeigte Libyen).