Weltraumteleskope und Leben auf anderen Planeten

Abb. 2: So soll das James-Webb-Teleskop nach der Ausbreitung aller seiner Teile aussehen. Bild: NASA

Heute werden Teleskope im Weltraum angebracht, um weit zurück in die Geschichte des Universums blicken zu können oder um möglicherweise Leben auf Exoplaneten ausfindig zu machen

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Der Nachthimmel ist eine Überlagerung von Zeitepochen und Wellenlängen. Mit bloßem Auge können wir das Licht nur in einem engen Bereich detektieren (d.h. Wellenlängen von einem Drittel bis Dreiviertel Mikrometern). Im All tut sich aber viel mehr, was wir nicht direkt sehen können. Hochenergetische Ereignisse produzieren Gammastrahlen (mit Wellenlängen unter 0,01 Nanometern), während im Zentrum unserer Galaxie und in der Sonne Röntgenstrahlen (bis 10 Nanometern Wellenlänge) erzeugt werden. Mikro- und Radiowellen sind Photonen, die seit Milliarden von Jahren unterwegs zu uns sind. Im Infrarotbereich können außerdem Gase und bestimmte Arten von Sternen beobachtet werden.

Es geht also immer um Photonen, die aber mit mehr oder weniger Energie erschaffen wurden. Da die Frequenz der Photonen proportional zu deren Energie steigt (und die Wellenlänge umgekehrt proportional absinkt) braucht man unterschiedliche Arten von Detektoren für jede mögliche Wellenlänge. Für den sichtbaren Bereich gibt es außerdem Linsen, die das Licht fokussieren können. Im nicht-sichtbaren Bereich muss man die Radiowellen mit Parabolantennen auffangen, aber für Gamma- und Röntgenstrahlen sind andere Arten von Instrumenten erforderlich.

Hat man die notwendigen Mittel, d.h. ist man Astro- oder HochenergiephysikerIn, bringt man am besten das Teleskop ins Weltall, um die Lichtabsorption in der Atmosphäre zu vermeiden. Abb. 1 zeigt, warum wir eigentlich Weltraumteleskope brauchen. Bei hochenergetischen Photonen ist der Absorptionsgrad in der Atmosphäre fast 100%, nur im sichtbaren UV- und Radiowellenbereich gibt es "Lücken", die Teleskope auf der Erde nutzen können. Außerdem werden die größten Instrumente auf hohen Vulkanen oder Bergen untergebracht, d.h. da, wo die Atmosphäre dünn und trocken ist, wie z.B. in der Atacama-Wüste in Chile.

Abb. 1: Die Atmosphäre absorbiert viele Wellenlängen der elektromagnetischen Strahlung. Diese Abschirmung hat das Leben auf der Erde möglich gemacht, steht modernen Teleskopen aber im Wege. Bild: F. Granato/ESA/Hubble

Infrarot-Astronomie

Das bekannteste Weltraumteleskop ist sicherlich Hubble. Es wurde 1990 ins Weltall gebracht und liefert seitdem Daten weit über seine geplante Lebenszeit hinaus. Am Anfang mussten Raumfahrer jedoch die Optik korrigieren, da der Hauptspiegel falsch geschliffen worden war.

Die Zukunft gehört aber dem Nachfolger von Hubble, dem James-Webb-Teleskop, das in wenigen Jahren den Dienst aufnehmen wird. Der Parabolspiegel für die Lichterfassung (6,5 Meter Durchmesser) ist viel größer als der von Hubble (2,4 Meter). Das JWT wird also mehr als sieben Mal mehr Licht aufsammeln können als Hubble, allerdings in einem anderen Frequenzbereich. Der Hauptspiegel des JWT ist mit Gold beschichtet, womit Infrarotlicht besser reflektiert werden kann. Der Reflektor besteht außerdem aus hexagonalen Kacheln, die sich einzeln steuern lassen, um die Form eines Paraboloids trotz möglicher thermischer Verformungen aufrechterhalten zu können.

Da die Hauptaufgabe des JWT die Infrarot-Astronomie ist, muss das Teleskop allerdings von Sonne und Erde, sowie von der eigenen Wärmestrahlung abgeschirmt werden. Das erklärt die Membranen, die unter dem Hauptspiegel erst oben im Weltall als eine Art Origami entfaltet werden. Die Membranen bilden das sehr leichte Wärmeschild des Teleskops.

Da sehr ferne Sterne eigentlich von uns wegfliegen, weil das Universum expandiert, ist die Frequenz ihres Lichtes in den Infrarotbereich verschoben. Die Erbauer des JWT wollen also weiter in die Vergangenheit des Universums schauen, als es mit dem Hubble-Teleskop möglich war. Das Instrument wurde deswegen an die Frequenz des Lichtes des frühen Universums angepasst, so wie wir sie hier auf der Erde empfangen.

Das JWT ist außerdem eine multinationale Kooperation. Es soll mit einer Rakete der ESA ins All gebracht werden. Allerdings haben sich die Kosten des JWT von der Konzeption des Teleskops bis zum neuen geplanten Start (in 2020) mehr als verachtfacht. Das ist bei der NASA aber nichts Neues. Kaum eine Raummission hat je die budgetierten Kosten eingehalten.

Teleskope einparken

Für einige Teleskoparten ist es wichtig, von der Sonne abgeschirmt zu werden. Wie oben erwähnt, ist das auch beim JWT der Fall, dessen Instrumente bei niedrigen Temperaturen arbeiten müssen. Deswegen wird das JWT hinter der Erde in Bezug auf die Sonne "eingeparkt". Das Teleskop soll langsam um den sogenannten zweiten Lagrange-Punkt (L2) kreisen.

Die Lagrange-Punkte sind Gleichgewichtspositionen im System Sonne-Erde. Es gibt fünf solcher Punkte, bei denen sich die Zentrifugalbeschleunigung eines Satelliten mit der Anziehung von Erde und Sonne ausgleicht. Anders gesagt: Wenn wir als Referenzsystem die Verbindungslinie zwischen Erde und Sonne mit dem Zentrum beim gemeinsamen Massenschwerpunkt von beiden Himmelskörpern nehmen, dann sind die Lagrange-Punkte solche, bei denen ein Satellit seine Position relativ zur Erde und Sonne konstant halten kann. Allerdings ist bei L2 das Gleichgewicht instabil, weswegen der Satellit seine Position periodisch mit kleinen Düsen korrigieren muss (Abb. 3).

Wegen der Abschirmung von der Sonne, ist der Lagrange-Punkt L2 eine beliebte Position, die von Forschungssatelliten umkreist wird. Andere Weltraumobservatorien, die auch bei L2 "eingeparkt" wurden, waren die WMAP-Probe, das Teleskop Herschel und die Planck-Sonde. In den nächsten zehn Jahren sollen weitere Teleskope dazu kommen - so auch das JWT.

Abb. 3: Darstellung des sogenannten effektiven Potentials für die fünf Lagrange-Punkte im System Sonne-Erde. Bei L2 gibt es ein instabiles Gleichgewicht. Bild: NASA, Xander89 / CC-BY-SA-3.0

Schaut man auf das Photonenspektrum, so findet man heute bereits viele Weltraumsonden, die Instrumente für die Messung in allen Frequenzbereichen transportiert haben. Abb. 4 zeigt die Namen von einigen. Im Mikrowellenbereich haben die Satelliten COBE, WMAP und Planck Datensätze geliefert, die die moderne Kosmologie beflügelt haben.

Abb. 4: Die von verschiedenen Weltraumteleskopen abgedeckten Frequenzbereiche. Bild: NASA

Multifrequenz-Astronomie

Erst wenn ein astronomisches Ereignis in allen Wellenlängen observiert wird, hat man alle möglichen Daten erfasst. Der Nachthimmel sieht ganz anders aus, wenn die Röntgenstrahlen oder Infrarotphotonen abgefangen werden. Die Milchstraße beispielsweise besitzt Bereiche weit außerhalb der Galaxienscheibe, wo Röntgen- bzw. Gammastrahlen erzeugt werden. Ein Multiwellenastronom auf einer anderen Galaxie würde so etwas wie die Zeichnung in Abb. 5 sehen. Diese zeigt auch, dass sich all die dynamischen Vorgänge in der Milchstraße weit über die Hauptebene der Galaxie strecken.

Die Produktion von Gammastrahlen im Zentrum der Milchstraße ist auch ein gutes Beispiel für die Art von Forschung, die mit Satellitenteleskopen möglich wird. Vor einigen Jahren wurde festgestellt, dass aus der Mitte unserer Galaxie mehr Gammastrahlen als erwartet erzeugt wurden. Die Überproduktion von Gammastrahlen könnte aber als Vernichtung von Partikelpaaren erklärt werden, so die These einer Gruppe von Astrophysikern. Die Messungen wurden mit der NASA-Weltraumsonde Fermi gemacht, einem Satelliten, der die Erde bereits seit zehn Jahren umkreist. Mit seinen Teilchenspurdetektoren und Kalorimeter kann Fermi die Energie und Richtung der Gammastrahlen messen. Mit Fermi war es möglich, die Kollision von zwei Neutronensternen zu beobachten, die 2017 beim LIGO Observatorium detektiert worden war.

Abb. 5: Produktion von Gamma- und Röntgenstrahlen in der Milchstraße. So würden Multiwellenastronomen in anderen Galaxien die Milchstraße sehen. Bild: NASA / Goddard Space Flight Center

Nun behaupten einige Astrophysiker, dass sich gelegentlich Teilchen, die Dunkle Materie bilden, in Kollisionen vernichten, vor allem nah zum Zentrum der Galaxien, wo mehr Dunkle Materie zu finden ist. Dann wären diese Teilchen die so lange gesuchten WIMPS (Weakly Interacting Massive Particles). Deren Vernichtung würde Gammastrahlen produzieren, die sich deutlich vom Hintergrund abheben. Dafür müssten aber diese Teilchen ihre eigenen Antiteilchen sein (sogenannte Majorana-Teilchen).

Ende 2017 und Anfang 2018 kam aber Entwarnung. Andere Gruppen von Astrophysikern haben das Gammasignal neu analysiert und gelangten zu der Auffassung, dass diese Strahlen wahrscheinlich von alten Sternen rund um das galaktische Zentrum stammen. Die Erzeuger wären sogenannte Pulsare und deren Verteilung im Zentrum der Galaxie könnte zu neueren Theorien des Prozesses der Entstehung der Milchstraße führen.

Die Diskussion ist nicht beendet, aber dieses Beispiel aus dem Bereich der Gammaastronomie zeigt, wie wichtig es ist, Weltraumteleskope für alle Wellenlängen im All zu haben. Die meisten der Gammastrahlen, die vom Fermi-Teleskop aufgefangen wurden, können die Erdatmosphäre nicht durchdringen, sie werden dort absorbiert. Deswegen hat man bei der Gammaastronomie sehr früh angefangen, Detektoren auf Satelliten zu installieren.

Leben auf anderen Planeten

Weltraumteleskope können nicht zuletzt helfen die Frage zu beantworten, ob von der Erde aus Leben auf anderen Planeten detektiert werden kann. Für unser Sonnensystem kann man bereits ausschließen, dass es außerhalb der Erde intelligentes Leben gibt (wenn man homo sapiens intelligent nennen darf). Vielleicht gab es früher mikroskopisches Leben auf dem Mars oder sogar noch heute auf einem der Jupitermonde, die heiße, tiefe und dunkle Wasserquellen aufweisen. Es ist auch die Frage aufgeworfen worden, ob sich nicht vielleicht mikroskopische Aliens schon lange auf der Erde breitgemacht haben.

Mit der Weltraumsonde Kepler hat man in den vergangenen Jahren bereits Hunderte von Exoplaneten gefunden. Einige davon könnten Wasser und eine Atmosphäre besitzen und in diesem Sinne "erdähnlich" sein.

Die Mission "Habitable Exoplanet Observatory" der NASA (HabEx) wird sich dieser Frage, d.h. der Beobachtung von erdähnlichen Planeten, widmen. Die Weltraumsonde wird beim L2 Lagrangepunkt angebracht und im sichtbaren Infrarot- und UV-Wellenlängenbereich arbeiten. Mit einem "Coronagraph", d.h. einer speziellen Blende, die das Licht eines Sterns blockiert, erhofft man sich, Exoplaneten abbilden zu können. Das Licht eines Sterns überstrahlt das reflektierte Licht von den umkreisenden Planeten um mehrere Größenordnungen und deswegen muss man sich etwas einfallen lassen. Es ist, als ob wir von der Erde aus in die Sonne schauen würden, um Merkur am helllichten Tag beobachten zu können.

Abb. 6: Das Konzept für die Weltraumsonde HabEx. Die Sternverdunkelung ist ein separates Modul, das Tausende von Kilometern Abstand zum Teleskop hält. Bild: NASA/JPL-Caltech

Deswegen besteht HabEx aus zwei Teilsonden: Die erste (Starshade) ist nur eine Abschirmung für das Licht eines Sterns; die zweite enthält das Teleskop und die Beobachtungsinstrumente. Abb. 6 zeigt die beiden Komponenten. Das sogenannte Starshade sieht aus wie eine Karikatur eines Sterns, wird aber in 129.000 Kilometern Entfernung von der HabEx-Sonde das Licht eines Sterns so blockieren, dass eine optimale Beobachtung der Umgebung des Sterns möglich wird. Die Sternlichtabschirmung wird zuerst ins All geschossen. Wenn sie sich gut entfaltet, kann die HabEx-Sonde anschließend zum Lagrangepunkt fliegen. Die Blätter der Sternlichtabschirmung erfüllen auch eine optische Funktion und sollten die Aufnahme der Bilder der Exoplaneten-Atmosphären vereinfachen.

Es geht diesmal nicht allein darum, wie bei Kepler neue Exoplaneten zu finden, sondern von den bereits entdeckten die Atmosphäre zu vermessen. Das Projekt ist eine zweifache Herausforderung: Zuerst muss das Licht des Sterns blockiert werden und dann muss man aus dem von Planeten reflektierten Licht den atmosphärischen Anteil filtern. Das optische Signal, das man hier sucht, hat ein Verhältnis von 1 zu 10 Millionen relativ zu den Störfaktoren. Deswegen braucht man die Lichtabschirmung und die dazugehörigen Blätter. Die Koordination von beiden Komponenten von HabEx mit solchen enormen Abständen untereinander, wird eine wahre Herausforderung sein.

Als Galileo 1610 zum ersten Mal ein Fernrohr für die Himmelbeobachtung verwendet hat, konnte er kaum ahnen, dass vier Jahrhunderte danach enorme Teleskope um die Erde kreisen würden und vielleicht eines Tages die Vermutung des zum Tode verurteilten Häretikers Giordano Bruno bestätigen werden, dass es überall im Universum Leben gibt.