Weltrecht in Koblenz
Seite 2: Folter im Al-Khatib-Gefängnis in Damaskus
Der Abteilung 251 war das Al-Khatib-Gefängnis in Damaskus angegliedert. Es befand sich in den Kellern und in einem Obergeschoss des Geheimdienstgebäudes.
Dort sollen seit dem Jahr 2011 Tausende gefangene Demonstranten brutal verhört und misshandelt worden sein. Viele seien in Folge ihrer Verletzungen verstorben. Anwar R. soll das Gefängnis geleitet, die Arbeitsabläufe überwacht und die Wächter und Vernehmer, also die Folterer, zum Dienst eingeteilt haben. Die Bundesanwaltschaft wirft ihm vor, dass er hierbei auch die systematische und brutale Folter bestimmt und überwacht habe. Sie klagt ihn daher für 58 Morde und die Verantwortung für Folter in rund 4.000 Fällen an.
Sie wirft ihm aber nicht vor, selbst gefoltert zu haben, sondern als Leiter der Abteilung "Ermittlungen" sei er Mittäter.
Eyad A. war wohl eher ein kleiner Fisch in der Hierarchie der Macht in Syrien. Er war der Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit angeklagt. Er habe im September oder Oktober 2011 den Befehl erhalten, in der Stadt Duma an einem Freitag mit seinem rund 30-köpfigen Greiftrupp friedlich am Boden sitzende oder tanzende Demonstranten zu fangen und ins Gefängnis zum Verhör zu bringen.
Sein Vorgesetzter, Hafez Makhlouf, sei mit seinem Mercedes vorgefahren und habe mit seiner Maschinenpistole in die Menge geschossen, sagte Eyad A. aus. Dabei seien fünf Demonstranten erschossen worden, die anderen seien geflohen. Es habe einen Schießbefehl gegeben, den er jedoch nicht ausgeführt habe. Er habe mit seinen Leuten die Fliehenden verfolgt und 30 von ihnen festgesetzt.
Diese Gefangenen seien schon auf der Fahrt ins Gefängnis misshandelt und im Gefängnis weiterhin systematisch brutal gefoltert worden. Dort seien sie schon nach dem Eintreffen im Gefängnishof brutal von den Wächtern geschlagen worden. Diese Praxis hätte man "Willkommensparty" genannt. Dies alles habe er gewusst und billigend in Kauf genommen, sagte Richterin Kerber.
Keinem der beiden wird eine konkrete eigene Tat der Folter vorgeworfen. Man hat versucht, ihnen konkrete Folterungen, Vergewaltigungen oder andere Verbrechen gegen die Menschlichkeit nachzuweisen, aber es gab für eine unmittelbare Tat oder Tatbeteiligung keine handfesten Beweise. Auch die Zeugen konnten, da ihnen ja die Augen verbunden waren und die Angeklagten im Gerichtssaal keinen Ton von sich gaben, sondern ihre Anwälte sprechen ließen, die Angeklagten nicht eindeutig als Folterer identifizieren.
Bislang ging es daher vor allem um mitgliedschaftliche Beteiligung als Mitglieder eines der fünf syrischen Geheimdienste, nämlich des Allgemeinen Geheimdienstes, an Foltern und Verbrechen gegen die Zivilbevölkerung, im Auftrag der Machtspitze in Damaskus.
Es mag sein, dass dies auch einem Fehler der deutschen Polizei geschuldet ist. Denn die hatte während der Vernehmungen versäumt, Eyad A. darauf hinzuweisen, dass er ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr als Zeuge, sondern als Beschuldigter vernommen würde. Er wusste jedoch nicht, dass er dafür ein Aussageverweigerungsrecht gehabt hätte und deshalb konnten einige seiner Aussagen bei der Polizei nicht vor Gericht verwendet werden.
Die Ankläger hatten für Eyad A. fünf Jahre Haft gefordert. Sein Verteidiger Hannes Linke plädiert hingegen auf Freispruch. Aufgrund eines "entschuldigenden Notstandes" habe sein Mandant die Gefangenen ins Gefängnis gebracht, weil ihm sonst Gefahr gedroht habe. Außerdem habe er den Befehl, Menschen zu erschießen, nicht ausgeführt.
Beide Angeklagte waren 2012, auf dem Höhepunkt der Repression gegen die Opposition, desertiert, Anwar R. zunächst nach Jordanien. Von dort aus nahm er als Mitglied einer Delegation der syrischen Opposition an Friedensverhandlungen in Genf teil, in welcher Rolle, ist unklar. Durch Vermittlung des prominenten syrischen Exilpolitikers Riad Seif, der nach Deutschland geflohen war, kam er 2014 mit einem Programm für besonders schutzbedürftige syrische Flüchtlinge mit Hilfe der Bundesregierung direkt nach Berlin und erhielt samt Familie Asyl, weil ein Teil der Opposition sich von höherrangigen Deserteuren Informationen über das Regime versprach.
2019 bat er die Polizei um Hilfe, weil er sich vom syrischen und vom russischen Geheimdienst verfolgt fühlte. Zu diesem Zeitpunkt begannen die Ermittlungen gegen ihn. Außerdem berichteten syrische Flüchtlinge, die ihn erkannt hatten, den Behörden, er sei Leiter einer Ermittlungseinheit gewesen und habe den Decknamen "der Tscheche" getragen.
Im Gericht bestritt er in einer schriftlichen Einlassung, dass es unter seiner Leitung in Al-Khatib Folter gegeben habe. Ansonsten hat er sich bislang nicht weiter zu den Anklagepunkten geäußert.
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