Weltrecht in Koblenz

Seite 3: Aussagen beim Bundesamt für Migration riefen Ermittler auf den Plan

Eyad A. kam 2018 als Flüchtling mit Familie nach Deutschland. Seine Aussagen beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge führten dazu, dass das BKA Ermittlungen gegen ihn aufnahm.

Wichtige Beweismittel waren die Aussagen von Überlebenden, die im Gefängnis Al-Khatib verhört und gefoltert worden waren, Berichte von Überläufern über die Praktiken des Geheimdienstes, die sogenannten "Caesar-Files", Bilddokumente von Tausenden Leichen ermordeter Zivilisten, die ein Militärfotograf zu offiziellen Dokumentationszwecken 2011 und 2012 gemacht hatte. Die Caesar-Files wurden auch von der französischen Staatsanwaltschaft als Grundlage für Ermittlungen verwandt.

Zudem wurden zwei als "geheim" eingestufte Dokumente der syrischen Regierung präsentiert, genauer der "Zentralzelle für Krisenmanagement" aus der Frühphase des Konfliktes. Dort heißt es, die Zeit der Toleranz und Zugeständnisse sei vorbei, und der Geheimdienst werde aufgefordert, künftig mit Gewalt gegen die "Verschwörer" – gemeint waren auch Demonstranten – vorzugehen.

Diese Dokumente waren von Oppositionellen gesammelt und von Christopher Engels von der Commission for international Justice and Accountability (CIJA), einer Non-Profit-Organisation von ehemaligen Staatsanwälten und Juristen, die für nationale oder internationale Strafverfolgungsbehörden wie den Internationalen Strafgerichtshof tätig gewesen waren, dem Gericht dargestellt und erläutert worden.

Engels präsentierte dem Senat weitere Dokumente, die belegen sollen, dass es sich bei der Folter in Al-Khatib um ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit handele. Die CIJA hatte diese Dokumente seit 2011 gesammelt und aus Syrien noch während des Aufstandes und des bewaffneten Konflikts herausgeschleust.

Die Organisation sammelte von 2016 bis 2020 Dokumente und Beweise für das europäische Instrument zum Aufbau von Rechtsstaatlichkeit, "Frieden und internationale Stabilität" (IcSP) der Europäischen Kommission aus dem Konfliktgebiet in Syrien und bereitete Anklagen und juristische Verfolgung von Straftätern und auch gegen Mitglieder des sogenannten Islamischen Staates vor.

Dabei handelt es sich nach eigenem Bekunden um Beutedokumente, die bei dem Rückzug syrischer Regierungsstellen zurückgelassen wurden, aber auch um Dokumente, die von Überläufern und Deserteuren mitgebracht worden seien.

Die CIJA wird unter anderem finanziert von Ländern, welche die Dokumente in Strafverfahren verwenden wollen. Das sind Canada, Deutschland, USA, das Vereinigte Königreich und die Niederlande. Sie wurde gegründet, weil es oftmals einen erheblichen Mangel an Beweisen gebe, etwa durch absichtliche Vernichtung, Beiseiteschaffen von Beweismitteln oder Verlust in bewaffneten Konflikten, der es nationalen oder internationalen Strafverfolgungsbehörden schwer mache, Verbrechen gegen die Menschlichkeit, Kriegsverbrechen oder Völkermord zu ahnden.

Die Caesar-Files, wie die tausenden Bilder von Getöteten genannt werden, waren von einem anonym bleibenden syrischen Militärfotografen mit Decknamen "Caesar" kopiert und von einem Freund außer Landes gebracht worden. "Caesars" ursprüngliche Tätigkeit bestand darin, Tatorte zu fotografieren, bei denen Soldaten ums Leben gekommen waren, etwa durch Unfälle oder Selbstmorde. Er erhielt mit dem Beginn der Repression gegen den arabischen Frühling 2011 in Syrien den Auftrag, Fotodokumentationen über Personen anzulegen, die bei Demonstrationen oder in den Gefängnissen der diversen Dienststellen im Sicherheitsapparat zu Tode gekommen waren.

Die Leichen wurden in Militärkrankenhäuser verbracht, dort nummeriert, die Nummern teilweise auf Klebeband und teilweise direkt auf die Haut geschrieben, und dann musste er sie ablichten. Pro Person wurden vier bis sechs Bilder gemacht. Die Nummerierung diente der Zuordnung, von welcher Einheit sie gefangen und verhört worden waren. Einige hatten die Nummerierung 251 auf ihrem Körper.

"Caesar" selbst sagte nicht in Koblenz aus, seit seiner Flucht aus Syrien lebt er anonym. Aber die Journalistin Garance Le Caisne, eine Kennerin des Nahen Ostens, der es 2015 gelungen war, mit Caesar ein Interview zuführen, trat als Zeugin auf und beschrieb, wie der Fotograf die Bilder kopierte und außer Landes brachte.

Empfohlener redaktioneller Inhalt

Mit Ihrer Zustimmmung wird hier eine externe Buchempfehlung (Amazon Affiliates) geladen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen (Amazon Affiliates) übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.