Wem nutzt die Frauenquote?

Seite 5: Feminismus für eine gerechtere Gesellschaft

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Den Feministinnen der ersten Welle, wie der eingangs erwähnten Aletta Jacobs, ging es um eine gerechte Gesellschaft. Auch den Feministinnen der zweiten Welle - man denke etwa an Simone de Beauvoir - ging es noch darum. Ihnen ist gemeinsam, dass sie die vorherrschenden Strukturen genau analysierten und kritisch hinterfragten.

Sie forderten damals echte Unabhängigkeit, nämlich Emanzipation. Historisch benachteiligte viele Frauen die Abhängigkeit vom Ehemann. Dies geschah in einer Gesellschaft, die Frauen in diese Struktur "Ehe" zwang oder zu einem Außenseiterdasein verdammte. Unabhängigkeit wird aber nicht dadurch erreicht, jetzt alle Menschen in die Abhängigkeit vom Arbeitgeber oder vom Markt zu drängen.

Gleichstellung reicht nicht

Das Ziel der Gleichstellungspolitik ist nämlich auch dann erreicht, wenn (so gut wie) alle Menschen flexibel einsetzbare und möglichst billige Arbeitskräfte für das Kapital sind. Auch in einer Gesellschaft von Sklaven kann Gleichstellung erfolgreich umgesetzt werden. Genau dann, wenn sowohl Frauen als auch Männer gar keine Rechte mehr haben. Gerade deshalb ist Gleichstellung etwas ganz anderes als Emanzipation.

Das ist auch einigen Feministinnen der "dritten Welle" seit den 2000ern bewusst. Das Gros der Debatte konzentriert sich aber auf Gehaltsunterschiede und Führungspositionen. Sie werden des Rechnens und Vergleichens von Mittelwerten nicht müde. Die hierarchisch in ein immer kleiner werdendes Oben und ein immer größer werdendes Unten geteilte Gesellschaft wird aber nicht infrage gestellt.

Ein neuer Karrierefeminismus

Die Unterordnung des Lebens unter die Wirtschaft wird nicht nur nicht kritisiert, sondern im Gegenteil beworben. Die einzige Voraussetzung ist die gleiche Verteilung der Geschlechter. "Lean in!" (Werbung für den Karrierefeminismus) Wer jetzt noch Zweifel hat, was die oberste Priorität ist, dem bezahlt der Arbeitgeber in Bälde wohl ein "social freezing" von Eizellen für die Familienplanung nach der Karriere.

Wie gezeigt, die zum 1. Januar 2016 eingeführte Frauenquote bringt nahezu allen Menschen nichts. Das sollte vor allem denjenigen zu denken geben, die sich dafür lautstark einsetzen und damit die Interessen einer kleinen privilegierten Gruppe durchsetzen, zu der sie noch nicht einmal gehören.

Arbeitspolitik statt Feminismus

Bei näherer Betrachtung handelt es sich bei der politischen Maßnahme also nicht um Feminismus, sondern um Arbeitspolitik: Frauen werden dazu motiviert, sich härter für die Gewinnziele der anderen ins Zeug zu legen. Dafür werden sie dann mit Karrieremöglichkeiten belohnt. Natürlich haben Frauen und Männer die gleichen Rechte, das zu tun, und sollen sie dafür auch die gleichen Belohnungen erhalten.

Auffallend ist aber, dass sich hier zwei historische Parallelen aufzwängen: Die "zweite Welle" des Feminismus entstand auch unter dem Eindruck, dass Frauen im Zweiten Weltkrieg, während Millionen Männer im Krieg oder in Kriegsgefangenschaft eingingen, die Wirtschaft am Laufen hielten. Es war nur folgerichtig, dass sie sich später dagegen wehrten, zurück in die starre Hausfrauenrolle gedrängt zu werden.

Merke nebenbei: Für die Mehrheit der Männer ist das Patriarchat kein Zuckerschlecken, nämlich für diejenigen, die nicht in den relativ sicheren Führungspositionen sind. Die Ungleichverteilung unter den Kriegsopfern ist auch heute noch in der Alterspyramide zu sehen.

Emanzipation in der DDR

Etwa zwanzig bis dreißig Jahre später vollzog sich in der DDR die andere interessante Entwicklung: Verglichen mit den westdeutschen Frauen waren ihre Geschlechtsgenossinnen im Osten nämlich überraschend emanzipiert - und zwar sowohl auf sexuellem Gebiet (Pille, Abtreibung) als auch auf dem Arbeitsmarkt. Das lag aber wahrscheinlich nicht daran, dass die SED-Führung besonders feministisch gewesen wäre.

Die Psychologin und Soziologin Katrin Wegner führt in ihrem Buch über die Pille und die Emanzipation der Frau stattdessen aus, wie dem "sozialistischen Staat der Arbeiter und Bauern" schlicht die Arbeitskräfte wegliefen, nämlich in den Westen. Dass die verbleibenden Frauen daraufhin stärker in den Arbeitsmarkt einbezogen wurden, war also schlicht eine ökonomische Notwendigkeit.3 Auch hier sieht rationalistisch kalkulierende Arbeitspolitik nur an der Oberfläche wie Feminismus aus.

Die Frauen haben es in der Hand

Familienministerin Schwesig, Arbeitsministerin Nahles und Kanzlerin Merkel sind drei Frauen in mächtigen Führungspositionen. Sie könnten auf einen Schlag etwas gegen die Unterdrückung von Frauen in Deutschland unternehmen, indem sie etwa die Gehälter in den gesellschaftlich so wichtigen Pflege- und Lehrberufen anheben. In diesen arbeiten überwiegend Frauen, zudem im öffentlichen Dienst. Stattdessen feiern die Politikerinnen ihre Frauenquote als Durchbruch für die Frauenbewegung.

In vielen europäischen Ländern findet derzeit ein demografischer-ökonomischer Wandel statt: Auf der einen Seite verabschieden sich die geburtenstarken Jahrgänge in den Ruhestand, auf der anderen Seite ziehen sich immer mehr Millionäre und Erben aus dem aktiven Erwerbsleben zurück. Diese lassen lieber das Geld für sich arbeiten. Irgendjemand muss die Arbeit aber erledigen.

In diesem Sinne, liebe Frauen, alles Gute zum Weltfrauentag und Glückwunsch zur Freiheit. Zu einer Freiheit, den Politikerinnen und denen, deren Interessen sie vertreten, die Wünsche zu erfüllen: Hängt euch rein, lean in! Geldverdienen kann nur dann als Weg zur Freiheit wahrgenommen werden, wenn man erst finanziell unfrei gemacht wurde.