Weniger, aber noch immer viel zu viel

Seite 2: Amnestie für Trickser

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Die Bundesregierung scheint derweil ganz andere Sorgen zu haben. Wie der Spiegel berichtet, hat die Berliner Koalition für die großen industriellen Stromverbraucher eine besondere Nettigkeit ins Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) eingebaut. Wie berichtet, war am Freitag eine vermurkste Novelle dieses für den Ausbau von Solar- und Windenergie bisher zentralen Gesetzes verabschiedet worden.

Relativ versteckt haben die Unterhändler von Union und SPD eine Amnestie ins Gesetz geschrieben, mit der viele Konzerne wie Evonik oder Daimler um Nachzahlungen von Beiträgen zur EEG-Umlage herum kommen. Es geht um eine Gesamtsumme in "hoher zweistelliger Milliardenhöhe", wie der Spiegel schreibt.

Um zu erklären, was dahinter steckt, muss ein wenig ausgeholt werden: Die EEG-Umlage ist ein Ausgleich, der an den Übertragungsnetzbetreiber fließt. Dieser nimmt den Besitzern von Solaranlagen und anderen erneuerbaren Energieträgern den Strom zu den im EEG festgelegten Vergütungssätzen ab und verkauft ihn in der Regel zu wesentlich niedrigerem Preis an der Börse. Damit das für ihn kein Verlustgeschäft ist, gibt es die EEG-Umlage.

Diese Umlage wird für jede verbrauchte Kilowattstunde fällig und beträgt derzeit etwas über sechs Cent pro Kilowattstunde. Wobei "jede" eine erhebliche Übertreibung ist. Den vollen Umlagesatz zahlen nur Kleingewerbe und private Verbraucher. Energieintensive Unternehmen zahlen nichts oder nur Bruchteile.

Andere Großbetriebe, die nicht unter diese Ausnahmen fallen, haben sich bisher eine Finte zu nutze gemacht. Selbstversorger, also Stromkunden, die die Energie aus einer eigenen Solaranlage oder auch einem eigenen Kraftwerk nutzen, waren nämlich lange Zeit von der Umlage ausgenommen. Später wurde dann ein verminderter Umlagebeitrag eingeführt und von den Besitzern von kleinen Solaranlagen als "Sonnensteuer" kritisiert.

Gewitzte Manager sind nun auf die Idee verfallen, sich pro forma Anteile an Kraftwerken zuzulegen und wurden so über Nacht zu Selbstversorgern. Das Ergebnis: Ihre Energiekosten wurden wegen keiner oder geringerer EEG-Umlage vermindert, während die anderen Stromverbraucher also vor allem die privaten Haushalte und das Kleingewerbe umso mehr in den Umlagetopf einzahlen mussten.

Koalition in Spendierlaune

Diese Verträge waren höchst umstritten und wären eventuell in den nächsten Jahren von den Gerichten gekippt worden. Doch mit der neuen Amnestieregelung werden alle anstehenden Verfahren hinfällig. Der Gesetzgeber kippt mal eben die Forderungen derjenigen, die bisher die Umlage zu zahlen hatten und auch den Anteil der vermeintlichen Selbstversorger übernehmen mussten.

In den Regierungsparteien wird man sich halt gedacht haben, wenn schon die Besitzer der Kraftwerke für das Stilllegen ihrer unrentablen Anlagen fürstlich entschädigt und wie Vattenfall für polizeilich durchgeprügelte Fehlinvestitionen (Hamburg Moorburg) belohnt werden, dann sollen auch andere etwas bekommen.

Ob das Gesetz an der Stelle Bestand haben wird, ist allerdings durchaus noch offen. Selbst im Wirtschaftsministerium ist man nach Recherche des Spiegels der Ansicht, dass die Regelung als verdeckte Subvention angesehen und von der EU-Kommission gekippt werden könnte.

Für Spannung und Aufregung ist in der deutschen Energiepolitik also weiter gesorgt, aber daran hat es eigentlich ohnehin keinen Mangel. Dafür gibt es zu viele unterdrückte Gutachten, zu viel Hindernisse für den Ausbau der erneuerbaren Energieträger, die doch eigentlich auch die in den nächsten beiden Jahren stillzulegenden letzten sechs Atomkraftwerke ersetzen sollten, zu viel Vandalismus des so eng mit der nordrhein-westfälischen Landespolitik verwobenen Energiekonzerns RWE im rheinischen Braunkohlerevier. Ob sich daran im neuen Jahr etwas ändern wird?