Wenn Lieferketten unerwartet reißen
Die Corona-Krise und Sonderereignisse wie die kurzfristige Blockade des Suezkanals zeigten, wie fragil die globalen Lieferketten geworden sind. Der Krieg in Europa bringt weitere, bislang wenig bekannte Risiken
Wenn die Lieferfristen für PKW und Computer plötzlich dazu führen, dass man weder sein Wunschfahrzeug noch sein Notebook wie gewünscht erwerben kann, mag das für den Einzelnen enttäuschend sein, ist jedoch ein eher individuelles Problem.
Die wirtschaftlichen Auseinandersetzungen zwischen den USA und China, die angetrieben werden von der Aufholjagd und sogar dem Überholen der Nordamerikaner und deren Bestreben, China von den neuesten Technologien abzuschneiden, haben in den letzten Jahren zu zahlreichen Verwerfungen im globalisierten Handel geführt, was den meisten Endkunden nur deswegen kaum aufgefallen ist, weil das Angebot vielfach die Nachfrage überstieg.
Unterbrochene Lieferketten auf der Rohstoffseite sind für die Endkunden nur dann bemerkbar, wenn sie sich in einem Mangel an fertigen Produkten äußern. Vor etwas über zehn Jahren stand der Westen vor dem Problem, dass China den Export von Seltenen Erden zurückgefahren hatte. Bei diesen hatte sich China einen hohen Marktanteil gesichert, der von anderen Ländern nicht so schnell übernommen werden konnte.
Je komplexer die Produkte werden, desto schwieriger wird es, zu überblicken, woher ihre Bestandteile stammen. Bei Metallen wie Tantal, das zumeist aus dem in Zentralafrika als Coltan geförderten Roherz gewonnen wird, ist bekannt, unter welch menschenunwürdigen Bedingungen dieser Abbau stattfindet, ohne dass sich an diesen Bedingungen etwas ändern würde.
Smartphones sowie Notebooks und andere hochintegrierte Produkte scheinen auf solche Bestandteile angewiesen zu sein. Die hohe Nachfrage überdeckt jede Frage nach den Arbeitsbedingungen in Zentralafrika.
Probleme mit den Lieferketten bei elektronischen Produkten
Ein weiteres Problem bei den Lieferketten sind die Handelsbeschränkungen, welche die USA gegenüber China ausgesprochen haben. Der Handel zwischen Taiwan und China, wo viele Unternehmen wie Foxconn große Fertigungsanlagen unterhalten, war bislang eher einfach, wird aber inzwischen immer aufwendiger.
Dazu kommen knappe Liefermengen bei speziellen Substraten wie einem speziellen, isolierendem Film, der für das Ätzen der Chips in 7 und 5 nm-Technik unerlässlich ist, das sogenannte ABF-Substrat (Ajinomoto Build-up Film), es wird seit einigen Monaten immer knapper. Die Lieferprobleme könnten bis ins Jahr 2026 anhalten.
Als wären die in den letzten Monaten aufgelaufenen Knappheiten und Lieferbeschränkungen noch nicht ausreichend, um den allgemeinen Trend zur Digitalisierung zu behindern, droht aufgrund der Sanktionen gegen Russland eine weitere Substrat-Knappheit.
Russland bedient derzeit offensichtlich 80 Prozent des Weltbedarfs an Sapphire-Substrate. Das Substrat ist eine Art Korund und wird sowohl in opto-, als auch mikroelektronischen Bausteinen benötigt.
Während natürlicher Saphir vor allem im Schmuckbereich Anwendung findet, wird synthetischer Saphir beispielsweise in Leuchtdioden (LEDs) verwendet. Synthetischer Saphir ist ein hartes, chemisch inertes Material und mit guten optischen Eigenschaften. Es hat einen Schmelzpunkt von etwa 2045ºC und kann seine thermische Stabilität bis 1600ºC beibehalten.
Saphir-Substrate werden als isolierende Wafer für verschiedene elektronische Anwendungen eingesetzt. Aufgrund der gestiegenen Nachfrage nach LEDs hat der Markt für künstlichen Saphir in den vergangenen Jahren ein ordentliches Wachstum gesehen.
Schon der Ersatz im Bereich der Leuchtmittel, wo LEDs inzwischen praktisch alle quecksilberhaltigen Kompaktleuchtstoffröhren ersetzt haben, zeigt, welche Entwicklung der Markt für künstlichen Saphir in der jüngeren Vergangenheit genommen hat.
Der russische Hersteller Monocrystal bezeichnet sich als ein Weltmarktführer bei der Produktion sowohl von Saphiren für LEDs und den Bereich Consumer Electronics als auch von Substraten für die Photovoltaik. Um die steigende Nachfrage nach künstlichen Saphiren zu bedienen, hat man in der jüngeren Vergangenheit nach eigenen Aussagen die Fertigungskapazitäten alle zwei Jahre verdoppelt.
Wie lange es dauert, bis sich diese Angebotskonzentration in der Folge von Sanktionen als Mangel auf dem Markt niederschlägt, lässt sich derzeit nicht abschätzen. Möglicherweise gelingt es auch die Kapazitäten der Monocrystal-Fab in China rechtzeitig auszubauen.