Wenn Putin als Grund für mehr Klimaschutz gebraucht wird

Wenn großflächige Waldbrände, steigende Meeresspiegel und drohende "Todeszonen" nicht als Grund reichen, tut es vielleicht Putin. Symbolbild: Gerd Altmann auf Pixabay (Public Domain)

Die Menschheitsfamilie hatte schon vor dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine ein gewaltiges Problem. Es entzog sich nur dem geopolitischen Freund-Feind-Schema. Damit soll jetzt Schluss sein

Wem die Zukunft der jungen Generation allgemein und die nahe Zukunft des Globalen Südens egal ist, der oder die kann neuerdings vielleicht doch noch zu einer nachhaltigeren Lebensweise motiviert werden – und sei es nur durch einen äußeren Feind. So klingen jedenfalls seit rund zwei Monaten zahlreiche Äußerungen aus dem Regierungslager.

Mitte April begründete Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) einen Aufruf zum Energiesparen und Fahrradfahren mit den Worten "Das schont den Geldbeutel und ärgert Putin".

Doch nicht nur auf individueller Ebene soll jetzt endlich Ernst gemacht werden mit dem Klimaschutz. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Michael Roth (SPD), fordert nun jedenfalls eine "internationale Allianz für Energie und Klimaschutz". Hintergrund sind Pläne der Europäischen Union für ein Öl-Embargo gegen Russland.

"Es wäre wenig sinnvoll, wenn das Öl, was nicht mehr in die EU fließt, in andere Staaten der Welt fließt. Und wenn dann die Ölpreise noch steigen, droht Putin möglicherweise noch mehr einzunehmen“, sagte Roth am Dienstag im rbb24 Inforadio.

Die EU müsse sich deshalb international vernetzen, betonte der SPD-Politiker: Die Europäische Union solle "jetzt ganz intensiv auf der internationalen Ebene Bündnisse schmieden - mit Partnern, die genauso wie wir auf Klimaschutz setzen; die auf erneuerbare Energie setzen". Dazu hätten Deutschland und die EU eine ganze Menge beizutragen. "Damit wir irgendwann auch weltweit sagen können: das russische Öl, an dem Blut klebt, das ist für uns verzichtbar."

Den bisher gewohnten Ölbedarf aus "unblutigen" Quellen zu decken, ist allerdings gar nicht so einfach: Momentan profitiert noch das islamisch-fundamentalistische Königreich Saudi-Arabien als gefragter Öllieferant vom Ukraine-Krieg. Die saudische Wirtschaft wuchs im ersten Quartal 2022 um 9,6 Prozent im Vergleich zum Vorjahr, wie laut einem Bericht des Portals Business Insider aus Regierungsstatistiken hervorgeht.

Unausgesprochen war der fossile Kapitalismus bisher der gemeinsame Nenner der Großmächte, die sich mindestens seit dem russischen Angriffskrieg in der Ukraine scheinbar unversöhnlich gegenüberstehen.

Die ausländische Konkurrenz lieferte den politisch Verantwortlichen immer zuverlässig Begründungen, um sich selbst in Sachen Klimaschutz kaum vom Fleck bewegen zu müssen. Schließlich ging es um Wachstum, Wachstum, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit – und das Mantra, dass "Deutschland allein nicht die Welt retten könne", war allgegenwärtig.

Die Rolle des äußeren Feindes im Wandel der Zeit

Anfang 2019 spekulierte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) sogar öffentlich darüber, ob nicht die Klimabewegung Fridays for Future durch ausländische Einflussnahme und "hybride Kriegsführung im Internet" gewachsen sein könnte.

Ein äußerer Feind wurde also damals noch ins Spiel gebracht, um diejenigen zu diskreditieren, die hierzulande einen fairen deutschen Beitrag zur Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele verlangten. Die steile These erwies sich dann aber als unhaltbar – nicht zuletzt, weil der russische Auslandssender RT Deutsch über weite Strecken eher unfreundlich bis gehässig über die Klimabewegung berichtete.

Im September 2019 war Merkel zumindest verbal bereit, den Klimawandel als "Menschheitsherausforderung" anzuerkennen. Daraus folgte nur kein adäquates Handeln. Im Frühjahr 2021 watschte das Bundesverfassungsgericht die "schwarz-rote" Bundesregierung für ihre unzureichenden Klimaschutzbemühungen ab und sah dadurch die Rechte der jungen Generation verletzt.

Dennoch gibt auch der Koalitionsvertrag der aktuellen Ampel-Bundesregierung nicht her, was nötig wäre, um den fairen deutschen Beitrag zur Einhaltung der Pariser Klimaschutzziele zu leisten. Demnach soll Deutschland bis zum Jahr 2045 klimaneutral werden – nach Modellrechnungen der Berliner Hochschule für Technik und Wirtschaft würden damit allerdings die Ziele des Pariser Klimaschutzabkommen deutlich verfehlt.

Während das Ziel, die menschengemachte Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen, mittlerweile als fast unerreichbar gilt, könnte eine Begrenzung auf knapp unter zwei Grad noch eher gelingen. Bei mehr als zwei Grad droht eine unumkehrbare Entwicklung hin zu einer Welt, die dann ab vier Grad nur noch eine Milliarde Menschen ernähren könnte; so hat es im Jahr 2009 der Klimaforscher Hans Joachim Schellnhuber prognostiziert. In Indonesien wird wegen des steigenden Meeresspiegels bereits jetzt eine neue Hauptstadt geplant.

Der Weg zur Klimaneutralität soll aber laut Ampel-Koalitionsvertrag "technologieoffen" ausgestaltet werden – was im Zweifelsfall heißt, dass auf Erfindungen gesetzt wird, die es noch nicht gibt.

Kollateralnutzen oder Greenwashing?

Die Grünen haben bei den Koalitionsverhandlungen nicht einmal ein Tempolimit durchgesetzt, nachdem sie die jetzige Außenministerin Annalena Baerbock als mögliche "Klimakanzlerin" ins Rennen geschickt hatten. Russlands Präsident Wladimir Putin hat es nun geschafft, dass Baerbock nur noch am Rande übers Klima reden muss. Ihr Thema ist jetzt Waffenhilfe für die Ukraine, die keinen "Diktatfrieden" akzeptieren soll.

Ob nun der "Kollateralnutzen" der blutigen Konfrontation mit Russland tatsächlich mehr Klimaschutz sein wird, bleibt abzuwarten. Beim Gas steht nach Lesart von Habecks Ministerium "saubere Energie" vor allem für Energie, die nicht aus Russland kommt. Russisches Gas soll in den nächsten Jahren durch Flüssigerdgas aus den USA und Katar ersetzt werden. Womöglich auch auf längere Sicht. In Brunsbüttel und Wilhelmshaven werden dafür mit großem Aufwand Importterminals errichtet.

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