Wenn die Krise der einen zur Chance für die anderen wird
Popkomm: Die Musikkonzerne überstehen die momentane Krise vielleicht nicht so einfach - die kleinen und unabhängigen Labels der Branche sehen sich dagegen im Aufschwung
Während die großen Vertreter der Musikindustrie den Verbraucher als Raubkopierer beschimpfen und BMG und EMI der ersten Popkomm in Berlin fernblieben, wittern die kleinen unabhängigen Labels der Branche Morgendämmerung. Auf der diesjährigen Nabelschau der Musikwirtschaft treten die Labels selbstbewusst auf. Zum einen im Labelcamp, das auch von Telepolis unterstützt wird, zum anderem auf einem großen Gemeinschaftsstand der Label Commisson - kurz Labcom - und des Musikexportbüros German Sounds. Die Label Commission ist eine Vereinigung von 65 Berliner Labels, die sich innerhalb des Verbandes unabhängiger Tonträgerunternehmen, Musikverlage und Musikproduzenten (VUT organisiert hat. Mitglieder sind u.a. Traumton Records, Buschfunk, Zetaton oder Kitty-Yo.
Die Labcom versteht sich als Interessensvertreter, Ratgeber und Serviceanbieter für seine Mitglieder, die häufig nur 3 bis 5 Tonträger im Jahr veröffentlichen. Diese kleinen Betriebe besitzen keine große PR- oder Marketing-Abteilung und haben es schwer, mit ihren Produkten in die großen Plattenläden zu gelangen. Die Labcom will dort Beratung und Hilfe anbieten. 25 Labcom-Mitglieder sind auf dem Messestand vertreten, die musikalische Bandbreite reicht von Jazz über Electronic, Ambient bis zu Pop. Zwar stehen die Labels häufig wirtschaftlich mit dem Rücken an der Wand, dafür machen sie jedoch genau das, was die Major Labels längst aufgegeben haben: die Pflege und Förderung von Musikern und Musik.
Eines der Themen auf der Popkomm war die Krise der Soundtracks. Der Kongress zur Messe ging der Frage nach, warum Filmmusik sich vom "nice to have" zum "need to have" entwickelt hat und nur noch wenig gute Soundtracks auf dem Musikmarkt erhältlich sind. Um Filmemacher und Musikproduzenten besser zusammen zu bringen, in der Hoffnung, dass dadurch verstärkt Musik von Indy-Labels in Filmen verwendet wird, hat die Labcom "sourcemusic" gegründet.
Unter sourcemusic.biz ist eine Plattform entstanden, die sich vorrangig an Filmproduzenten und Werbeagenturen wendet, die passende Musik für ihre Filme und Werbespots benötigen. Während die Major-Labels ihre Musik häufig zu Preisen verkaufen wollen, die schnell ein gesamtes Filmbudget sprengen können, scheitern die kleinen Labels meist an fehlenden Kontakten zur Filmbranche. Um das zu verbessern. initiierte die Labcom - unterstützt von der Berliner Landesregierung - das Projekt, in dem sich die gewerblichen Musiksuchenden Musik anhören und bei Bedarf Kontakt zu dem entsprechendem Label aufnehmen können. 4000 Titel sind momentan verzeichnet.
"Wir brauchen keine Subventionen. Was wir wollen und benötigen sind funktionsfähige Strukturen in der Wirtschaftsförderung und der Kultur und klare Ansprechpartner", so Frank Klaffs, Geschäftsführer der Labcom. Auf dieser Basis veranstalteten Labcom, VUT und das Erich Pommer Institut - ebenfalls unterstützt von der Berliner Landesregierung- kurz vor der Popkomm den Kongress Music Online Basics, der sich mit dem digitalen Vertrieb von Musik beschäftigte.
Die Problematik ist schnell umrissen, Aufklärungsarbeit im eigenen Verband war gefordert: Was geht im Internet, welche technischen Möglichkeiten gibt es, welche rechtlichen Auswirkungen ergeben sich aus Downloadplattformen? So groß die musikalische Bandbreite in der Labelcommission ist, so unterschiedlich ist auch der Umgang mit digitalen Medien und dem Internet. Während !K7 Records auf den eigenen Seiten eine Plattform mit Radio betreibt, gibt es auch eher altmodische Homepages wie die vom Label Edition Apoll. Differenzen zwischen den Verbandsmitgliedern sind auch vorhanden. Das Thema digitales Rechtemanagement und Kopierschutz ist z.B. für Stefanie Marcus vom Traumton-Label gänzlich uninteressant: "Wir haben früher auch Tapes kopiert, wer will, kann auch Schallplatten überspielen"
In einer Quote für deutsche Musik sieht Klaffs eher nicht die Zukunft, die Mehrzahl der unabhängigen und kleinen Labels habe damit weniger am Hut. Wichtiger findet er Radiostationen, die musikalisch aus dem Indybereich schöpfen.
Ob mehr Präsenz im Radio die Verkaufszahlen der Indys wirklich erhöhen wird, ist zwar ungewiss. Doch so lange die Rotation im Radio aus nur wenigen hundert Titeln besteht, könne das niemand ausprobieren. "Den Indylabels gehört die Zukunft. Während die Major-Labels die Eisberge nicht auf dem Radarschirm haben, schwimmen wir mit den Künstlern auf gleicher Augenhöhe", meint Klaffs, der beim Gespräch mit dem Autor dieser Zeilen am Messestand ungefähr hundert Male unterbrochen wurde. Von Leuten, die unbedingt diesen und jenen von einem ganz bestimmten kleinen Label sprechen wollten.
Zumindest gefragt sind die unabhängigen Musikfirmen also. Der Branchenriese Universal Music wollte dagegen wohl kaum in Kontakt mit den Kollegen treten und zog sich in einen abgeschirmten VIP-Bereich zurück. Gestört hat das aber fast niemanden, denn die guten Ideen und die beste Musik werden derzeit unter Ausschluss der multinationalen Musikkonzerne geschmiedet.