Wenn es den eigenen Interessen dient

Das Pentagon hat ein Abkommen mit einer iranischen Widerstandsorganisation im Irak geschlossen, die bislang als Terrororganisation galt

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Der Feind des Feindes wird zum Freund. Dieser Devise sind die USA schon oft gefolgt. Man hätte annehmen sollen, dass nach den Erfahrungen mit den Taliban und Bin Ladin sowie mit Saddam Hussein langsam ein strategisches Umdenken erfolgen könnte. Jetzt aber hat die US-Regierung mit dem bewaffneten Arm der iranischen Volksmudschaheddin, die sich im Irak aufhalten und von dort aus die iranische Regierung bekämpfen, einen Waffenstillstand angeboten, nachdem die Organisation zuvor noch als Terrorgruppe galt.

Dass Syrien und vor allem der Iran zu den Staaten zählen, die nach dem vorerst nur militärischen Sieg gegen das Hussein-Regime zu den amerikanischen Zielen zählen, die unter Druck geraten würden, war schon lange zuvor klar. Besonders nachdem bekannt wurde, dass die iranische Regierung ein Atomwaffenprogramm betreiben könnte und dass womöglich die irakischen Schiiten beeinflusst werden sollen, hat sich die Lage zwischen den beiden Ländern zumindest rhetorisch zugespitzt. US-Präsident Bush hatte den Iran neben dem Irak und Nordkorea zur "Achse des Bösen" gerechnet.

Die US-Regierung warnt den Iran vor einer Einmischung in den Irak. Der iranische Außenminister Kamal Charrasi wies die Beschuldigungen zurück und mokierte sich über die US-Regierung, die sein Land warne, sich in die inneren Angelegenheiten eines anderen Landes einzumischen, in das sie gerade einmarschiert sind. Wohl auch, um Informationen aus dem Iran zu erhalten, vielleicht zudem, um die Stabilität der iranischen Regierung zu untergraben, oder gar, um dereinst vielleicht über alliierte Bodentruppen zu verfügen, wurde mit den Volksmudschaheddin ein Waffenstillstand vereinbart, nachdem man zuerst einige Lager bombardiert hatte.

Wie jetzt bekannt wurde, trat das Abkommen bereits am 15. April in Kraft. Danach darf die Organisation die Waffen behalten und verspricht das Pentagon, keine feindlichen Handlungen gegenüber der Organisation durchzuführen oder ihren Fahrzeugen und ihrer Ausrüstung zu beschädigen. Im Gegenzug haben die Volksmudschaheddin versprochen, ihrerseits nicht die US-Truppen anzugreifen, nichts im Irak zu zerstören und die Artillerie nicht auf bedrohliche Weise aufzubauen. Der in Paris lebende Sprecher der Mudschaheddin, Mohammed Mohaddesin, erklärte denn auch, dass es keinen Grund für eine Feindschaft zwischen den USA und der iranischen Widerstandsgruppe gebe: "Die Mudschaheddin stehen für Säkularismus und Demokratie, während das Regime der Mullahs im Iran eine große Bedrohung für den Frieden und eine Quelle für den Fundamentalismus ist."

Dass die Mudschaheddin auch bereits von Hussein unterstützt wurden, scheint wiederum für das Pentagon kein Problem darzustellen. Für die iranische Regierung zeigt das Abkommen hingegen die "Scheinheiligkeit" des Krieges gegen den internationalen Terrorismus der US-Regierung. Der Iran hat bereits auf das Abkommen reagiert und den Mitglieder der Gruppe Amnestie angeboten, während die Auslieferung der Anführer verlangt wird. Die EU hatte neben der PKK auch die Volksmudschaheddin oder "Modjahedin-E-Khalq" (MEK) letztes Jahr auf ihre Terrorliste gesetzt. In den USA wurde sie seit 1994 zu den terroristischen Organisationen gerechnet. Auch auf der im Januar 2003 veröffentlichten Liste der ausländischen Terrororganisationen wurde sie noch auf Platz 20 aufgeführt. Außerhalb des Iran wird die Organisation durch den Nationalen Widerstandsrat (NWRI) als ihren politischen Arm vertreten.

Die einst links-islamistische Gruppe wurde bereits in den 60er Jahren gegründet, kämpfte ab Beginn der 70er Jahre gegen den Schah, war daher auch anti-amerikanisch eingestellt, und wandte sich nach der Revolution im Jahr 1979, als der von den USA gestützte Schah gestürzt wurde und die Ajatollahs einen muslimischen Staat aufbauten, unter der Führung von Masoud Rajavi gegen die neue Herrschaft. Noch 1979 aber unterstützten sie Besetzung der amerikanischen Botschaft in Teheran und sprachen sich gegen die Freilassung der Geiseln aus. In den 80er Jahren führte die Organisation eine ganze Reihe von Anschlägen gegen die Machthaber im Iran durch, nachdem diese brutal die demokratische und linke Opposition unterdrückt und zahlreiche Menschen exekutiert hatten.

Nachdem die Gruppe während des Krieges zwischen Iran und dem Irak in den 80er Jahren mit Hussein zu kooperieren und ab 1987 im Irak Lager einzurichten begann, verloren die Mudschaheddin, die einst eine Massenbewegung gewesen waren, die Unterstützung des ehemaligen iranischen Präsidenten Abdol Hassan Bani-Sadr, mit dem Rajavi im Pariser Exil das National Council of Resistance (NCR) gegründet hatte. Auch der Rückhalt in der Bevölkerung im Iran ging zurück. Angeblich sollen die Volksmudschaheddin auch den Hussein Truppen geholfen haben, die kurdischen Aufstände nach dem Golfkrieg 1991 niederzuschlagen. 1992 haben die Volksmudschaheddin Bombenanschläge gegen mehrere iranische Botschaften, darunter auch die in Bonn und in New York ausgeführt.

Revolutionär für islamische Rebellen ist, dass die Volksmudschaheddin auch für die Gleichberechtigung der Frau eintraten. In der Gruppe sollen sie die gleichen Rechte wie die Männer besitzen. Geführt wird der militärische Arm der Gruppe ebenfalls von einer Frau, auch die Hälfte der Kämpfer sollen Frauen sein. Allerdings scheint die Gruppe intern stalinistisch-autoritär geführt zu werden - und einem Persönlichkeitskult zu frönen . 1993 wurde symbolisch entschieden, dass Rajavis Frau Maryam Präsidentin werden sollte, wenn die iranische Regierung gestürzt würde. Über wieviele Kämpferinnen und Kämpfer die Organisation noch verfügt, ist nicht wirklich bekannt. Sie selbst gibt an, es seien über 30.000, manche sagen es seien bis zu 10.000, andere sprechen nur von einigen Hundert.