Wenn in Mariupol niemand Nazis sehen will
Seite 2: Die Melnyk-Fraktion der ukrainischen Nationalisten
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Zu den größten Verteidigern von Asow und Co. gehört der ukrainische Botschafter in Deutschland, Andrij Melnyk. Er machte seinen Besuch am Grab des antisemitischen ukrainischen Nationalisten und NS-Kollaborateurs Stepan Bandera in München auf Twitter publik.
"Bandera, den Melnyk als "unseren Helden" bezeichnete, war Politiker der ukrainischen Nationalisten OUN, arbeitete im Zweiten Weltkrieg mit der Wehrmacht zusammen und gilt überwiegend als Kriegsverbrecher", schreibt die Frankfurter Rundschau.
Nach einem kritischen Beitrag über die Asow-Brigade twitterte Botschafter Melnyk:
Leute, liebe @tagesschau,lassen Sie doch endlich das Asow-Regiment in Ruhe. Bitte. Wie lange wollen Sie dieses russische Fake-Narrativ - jetzt mitten im russischen Vernichtungskrieg gegen Zivilisten, gegen Frauen und Kinder in Mariupol – bedienen?
Der Historiker Johannes Spohr verweist in einem informativen historischen Beitrag zur Ukraine in der Monatszeitung analyse und kritik auf Verbindungen der ukrainischen Rechten hin. Über das Verhalten von großen Teilen der ukrainischen Bevölkerung während der NS-Besatzung schreibt Spohr:
Während die Gedenkstätte Yad Vashem in Jerusalem bis zum 1. Januar 2021 2.673 Menschen aus der Ukraine als »Gerechte unter den Völkern«, die also nachweislich Jüdinnen und Juden halfen zu überleben, auszeichnete, beteiligten sich Ukrainer:innen ebenso an der Verfolgung und Ermordung ihrer jüdischen Nachbar:innen. Zu einer Reizfigur im Zusammenhang der Kollaboration ist der zeitweilige Kopf der ukrainisch-nationalistischen Organisation Ukrainischer Nationalisten (OUN), Stepan Bandera, geworden, der in Teilen der heutigen Ukraine als Nationalheld gilt, obwohl er nachweislich Massaker an Jüdinnen und Juden sowie Pol:innen zu verantworten hatte. Weniger bekannt ist die Melnyk-Fraktion der ukrainischen Nationalisten (OUN-M), die anders als die Bandera-Fraktion (OUN-B) häufig lokal und kontinuierlich mit der deutschen Verwaltung und Polizei zusammenarbeitete.
Johannes Spohr, Historiker, analyse und kritik
Für Antifaschisten stellt sich nun auch in Deutschland die Frage, ob sie sich dem Ratschlag der Melnyk-Fraktion fügen und Asow und andere rechte Kameradschaften in Ruhe lassen sollen. Dann wären sie Teil einer Front, die nicht zum ersten Mal Nazis als extreme Speerspitze im Kampf unterschiedlicher kapitalistischer Blöcke unterstützt.
Das wäre fatal, denn schon feiern Konservative und Liberale in Deutschland Melnyk als den Tabubrecher, der wagt, was hierzulande bis um die Jahrtausendwende üblich war, danach aber zwei Jahrzehnte verpönt war: Nazis wurden als Teil der antibolschewistischen Front zur Rettung des Abendlandes gefeiert. Melnyk testet hier aus, was an Nazirehabilitierung wieder möglich ist.
Sich von keinen Nationalismus vereinnahmen lassen
Schlauer wäre es, wenn die Linke Melnyks Rat nicht befolgt und sich auf einen universalistischen Kampf gegen jede Spielart von Faschismus, Nationalismus und Antisemitismus einigt.
Eine gute Gelegenheit dazu wären die Kundgebungen und Demonstrationen rund um den Jahrestag der Niederlage des deutschen Nationalsozialismus, der 8. und 9. Mai. Auch linke Gruppen haben dazu viele Jahre mit der Parole "Wer nicht feiert, hat verloren" mobilisiert.
In diesem Jahr wird der Ukraine-Konflikt die Aktionen rund den Gedenktag der deutschen Niederlage massiv bestimmen. Schon werden von den Staatsapparaten in Deutschland mit Verboten bestimmter Symbole gedroht, von Insignien russischer Nationalisten bis zur Fahne der Sowjetunion.
Antifaschisten sollten sich aber weder für russische, ukrainische noch deutsche Staatsinteressen vereinnahmen lassen. Sie sollten an diesen Tagen klar bekunden, dass sie sämtliche nationalistische Organisationen, ihre Propaganda und ihre Unterstützer bekämpfen, natürlich auch das Asow- Regiment und Melnyk-Fraktion des ukrainischen Nationalismus.
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