Wenn supermassive Schwarze Löcher an ihre Grenzen kommen
Britischer Astronom extrapoliert, dass Schwarze Löcher in der Regel maximal 50 Milliarden Sonnenmassen schwer sein können
Schwarze Löcher bevölkern das All in verschiedenen Größenklassen. Vorzugsweise nisten sich die größten unter ihnen in Galaxienzentren ein. So vereint das Schwarze Loch im Herzen unserer Milchstraße rund vier Millionen Sonnenmassen in sich. Und es wächst. Zwar langsam, dafür aber unaufhörlich. Aber ab welcher Masse beenden supermassive Schwarzen Löcher ihren Wachstum? Gibt es in puncto Masse eine messbare Obergrenze? Ein britischer Wissenschaftler ist sich nunmehr sicher, eine solche gefunden zu haben.
Im All geht es bisweilen rau zu. Hier herrschen harte Sitten und regieren strenge Gesetze, die auch vor den am weitverbreitetsten kosmischen Materieansammlungen nicht haltmachen: Jeder Stern, ob groß oder klein, unterliegt einem Codex, der keine Gnade kennt. Er ist ihm auf Gedeih und Verderb ausgeliefert.
Aktive Akkretionsscheibe
Hat ein Stern seinen Energievorrat aufgebraucht, ist sein Exitus nur noch eine Frage der Zeit - und seiner Masse. So bläht sich unsere massearme Sonne in ferner Zukunft etwa zu einem Roten Riesen auf, um sich dann in einen Weißen Zwerg zu verwandeln, in dem sich alle Atome dicht an dicht drängen. Sterne mit mindestens vier Sonnenmassen enden in einem kompakten Neutronenstern, der im Radius nur wenige Kilometer misst.
Kollabiert ein Stern ab der 20-fachen Masse der Sonne, durchbricht er sogar das Stadium eines Neutronensterns. Angetrieben von seiner gigantischen Masse und Schwerkraft verliert sich der Stern in einem Schwarzen Loch.
Alles, was ihm zu nahe kommt, spiralt Bahn für Bahn auf einer sich extrem aufheizenden rotierenden Scheibe. Schwarze Löcher werden von solchen Akkretionsscheiben ringartig umgeben. Alles, ob Gas, Staub, Materie oder auch die Partikel des Lichts, driftet von dieser Scheibe sukzessive in das Innere des Zentrums des Schwarzen Loches, um am Ende auf Nimmerwiedersehen in seinem Schlund zu verschwinden.
SMBH in galaktischen Zentren
Während der Akkretion heizt sich die rotierende Scheibe auf unvorstellbar hohe Temperaturen auf und strahlt extrem stark im sichtbaren Licht und auf (fast) allen anderen Wellenlängen des elektromagnetischen Spektrums, insbesondere im Röntgenbereich. Im Zuge dieses Prozesses drückt die starke Strahlung der hinabstürzenden Materie gegen die nachfolgende Materie und bremst diese aus. Die Folge: Das Schwarze Loch erhält weniger Energie und wird in seinem Wachstum ebenfalls gebremst.
Schwarze Löcher sind im Universum zwar nicht so weit verbreitet wie Sterne, treten aber auf verschiedene Art und Weise in Erscheinung: mal als stellare Objekte, die bis zu zehnmal so schwer sind wie unsere Sonne oder als Vertreter der Mittelklasse mit bis zu 100.000 Sonnenmassen. Und nicht zuletzt als supermassereiche Exemplare mit einer Million bis zu mehreren Milliarden Sonnenmassen, als so genannte supermassive bzw. supermassereiche Schwarze Löcher (SMBH).
Die bisherigen Beobachtungen sprechen dafür, dass Letztere sich in nahezu allen Zentren von normalen Galaxien eingenistet haben. Wie diese sich jedoch in kosmisch-grauer Vorzeit gebildet haben, ist eine der großen offenen Fragen in der Astrophysik. Zumal deren Entstehung eng verknüpft ist mit der Galaxienbildung in kosmischer Frühzeit.
Größter und massereichster SMBH
Seit einigen Jahren rätseln Astronomen aber auch darüber, wie es diese kompakten Gebilde geschafft haben, binnen kurzer Zeit derart extrem groß und massereich zu werden. Nicht zuletzt stand bis vor kurzem noch die Frage unbeantwortet im Raum, wo der genaue obere Grenzwert überhaupt liegt. Wie massereich und groß kann ein Schwarzes Loch werden, bevor es seine eigene Akkretionsscheibe absorbiert?
Bei dem bis auf den heutigen Tag bekanntesten massereichsten supermassiven Schwarzen Loch S5 0014 + 813 handelt es sich um einen so genannten Blazar, einem sehr kompakten und massereichen Quasar, dessen Jet auf die Erde gerichtet ist. Er weist sage und schreibe knapp 40 Milliarden Sonnenmassen auf. Allein der Ereignishorizont von S5 0014 + 813 ist im Durchmesser 47-mal so groß wie die Distanz unserer Sonne zum Zwergplaneten Pluto.
Ein Quasar (quasistellare Radioquelle) ist eine sehr energiereiche und hell leuchtende kleine Region im Zentrum einer aktiven Galaxie, dessen geballte Leuchtkraft auf die Aktivität eines supermassereichen Schwarzen Loches zurückzuführen ist. Derlei Energiemonster überstrahlen nicht nur ihre Wirtsgalaxie im optischen Licht, sondern emittieren im gesamten elektromagnetischen Spektrum, vom Radiowellen- bis hin zum Gammawellenbereich so hell wie Tausende riesige Galaxien zusammen.
Bislang konnten Astronomen eine halbe Million Quasare katalogisieren, die meisten davon im Verlaufe der umfassenden, immer noch laufenden Beobachtungskampagne "Sloan Digital Sky Survey" (SDSS). Unter ihnen sind 40 Quasare verzeichnet, die weiter als 12,7 Milliarden Lichtjahre entfernt sind, wozu auch der in einer Distanz von 12,8 Milliarden Lichtjahre gelegene schwarze Riese S5 0014 + 813 zählt.
50 Milliarden Sonnenmassen als magische Grenze
S5 0014 + 813 ist nach Ansicht von Andrew King vom Department of Physics and Astronomy der University of Leicester zwar das Schwergewicht par excellence, aber im All könnten seiner Theorie zufolge noch weitaus größere Schwerkraftfallen herumspuken.
In seinem Paper "How Big Can a Black Hole Grow?", das in der Februar-Ausgabe 2016 des Fachjournals "Monthly Notices Letters of the Royal Astronomical Society" veröffentlicht wird (Pre-Print-Link siehe unten), richtet der britische Astronom seinen Fokus auf die größten bekannten Vertreter von supermassiven Schwarzen Löchern, die in den Zentren ihrer jeweiligen Galaxien hausen. Für sein mathematisches Modell griff King jedoch nicht schwerpunktmäßig auf bereits bestehende Observationsergebnisse oder andere Daten zurück, wie dies andere Online-Medien berichten. "Das Ergebnis war vielmehr das Produkt eines Zufalls. Es beruht auf einer rein mathematischen Herleitung und weniger auf Observationsdaten oder Computersimulationen", erklärt Andrew King.
Immerhin berücksichtigte King für seine Studie die Rotationsraten supermassiver Schwarzer Löcher und die Masse der sie umgebenden Gase - und kam dabei zu einem eindeutigen Ergebnis: Seinen Berechnungen zufolge kann ein SMBH nämlich noch massereicher werden als S5 0014 + 813, aber nur bis zu einem ganz bestimmten Grenzwert.
Erreicht ein SMBH die Masse von 50 Milliarden Sonnen, wird seine Gravitation so groß, dass es seinen eigenen Futterlieferanten vernichtet. In diesem Fall verspeist es seine strahlend helle Akkretionsscheibe, auf der sich bekanntlich zuerst Gas, Staub, Materie oder auch die Partikel des Lichts konzentrieren, bevor alles in das Innere des Schwarzen Loches gesogen wird. Bei diesem Vorgang kollabiert aber nicht das Schwarze Loch selbst, sondern nur die ihm umgebende Akkretionsscheibe. Sie verliert zuerst an Energie, fällt in sich zusammen und endet im Schwarzen Loch.
Inaktivität und zwei Sonderfälle
Da die Futterquelle wegfällt, verharrt das Schwarze Loch zwangsläufig in Inaktivität. Ohne die energiespendende Gasscheibe verhungert die Schwerkraftfalle. "Die meisten dieser Objekte machen danach nichts mehr. Sie sind dann nur noch mithilfe des Gravitationslinseneffekts aufzuspüren", so King gegenüber Telepolis.
Allerdings kann ein SMBH auch ohne Akkretionsscheibe unter bestimmten Umständen seine Masse vergrößern. So könnte ein SMHB mit mehr als 50 Milliarden Sonnenmassen an Größe und Masse zulegen, wenn dieses etwa einen kompletten Stern vernascht. Hierzu Andrew King:
Würde zum Beispiel ein supermassives Schwarzes Loch mit einem anderen verschmelzen, entstünde ein noch größeres Schwarzes Loch. Aber bei dieser Fusionierung würde jedoch kein Licht emittiert. Und das neuentstandene größere Schwarze Loch hätte ebenfalls keine Gasscheibe um sich, die Strahlung abgibt.
Hypothetisch gesehen könnte aus solch einem Crash ein neues Schwarzes Loch erwachsen, das bis zu 270 Milliarden Sonnenmassen schwer wäre, verdeutlicht King.
Theoretisch könnten miteinander verschmelzende Schwarze Löcher weiterwachsen und einen solchen Wert erreichen. Eines von beiden müsste jedoch mindestens 135 Sonnenmassen haben. So etwas aber dürfte im Universum extrem selten geschehen.
Paper: How Big Can a Black Hole Grow?
Supermassive Black Hole YouTube-Video (45,45 min.)