Wer beerbt den Weltsouverän?
Seite 3: Die ökonomisierte Zivilgesellschaft ist von der Barbarei immer nur einen Kurzschluss entfernt
- Wer beerbt den Weltsouverän?
- Niederlage im Nicht-Krieg
- Die ökonomisierte Zivilgesellschaft ist von der Barbarei immer nur einen Kurzschluss entfernt
- Crash und Nicht-Crash: Scylla und Charybdis der USA
- Das Ende der unilateralen Globalisierung
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Nichts, auch nicht die forcierte Bereitstellung erneuerbarer Energien, verringert also die Wahrscheinlichkeit, dass die fortschreitende Verknappung und Verteuerung des Erdöls zu Konflikten führen, die auch militärisch ausgetragen werden.6 Vor allem die asiatischen Wachstumsländer zeichnen sich durch eine schier unersättliche Nachfrage nach Rohstoffen aus. Dieser dringende Bedarf wird spätestens in zwei Jahrzehnten den Kredit- und Kapitalanlagefrieden untergraben. Der große Nutznießer, der sich als Wohltäter fühlt, die Vereinigten Staaten, werden sich dann endgültig in die Enge getrieben sehen. Handelt aber ein ehemaliger globaler Sicherheitsgarant plötzlich aus Überlebensnot, ist ein Stil der Friedenssicherung zu erwarten, der die in Vietnam und im Irak trainierte Unbedenklichkeit menschlichem Leben gegenüber auf ungeahnte Höhen führt.
Soviel zu den globalstrategischen Aussichten. Längst treiben aber die zwischen nationalen Armeen geführten Kriege in einem weltweiten Sumpf zeitlich unbegrenzter Nicht- und Quasi-Kriege. Versprengte Eiferer machen Anleihen beim allgegenwärtigen Möglichkeitsterror und werden als Superschurken gehandelt. Hochgerüstete Staaten ermächtigen sich zur Prävention von Bedrohungen. Und deren gibt es viele.
Die aus unzähligen wechselseitigen Abhängigkeiten geflochtene, somit „hochkomplexe“ Weltwirtschaft entlastet sich, wenn es in ihren Kreisläufen zu Stauungen kommt, durch einen Mechanismus postzivilisatorischer Vereinfachung. Sie wirft Ballast ab. Die ökonomisierte Zivilgesellschaft ist von der Barbarei immer nur einen Kurzschluss entfernt. In den Industriestaaten grassiert die Erfahrung des Überflüssigseins. Die überflüssig Gemachten leiden darunter, dass sie nach gleichgültigen Kriterien von Effizienz und Opportunität ausgeschieden und vergessen werden, so wie sie zuvor von ihnen begünstigt wurden. In dieser Lage nach Gerechtigkeit – im Sinne von Gleichbehandlung – zu rufen, heißt, den Teufel ökonomischer Gleichgültigkeit mit dem Beelzebub konsequenter Ökonomisierung auszutreiben.
Eine bis Ende des 20. Jahrhunderts unbekannte Art des Unheils brütet in den Entwicklungs- und Schwellenländern, wo in wenigen Jahren eine weltmarktgerechte Wirtschaft aus dem Boden gestampft worden ist. Eine rückständige, nun an der Grenze der Überflüssigkeit vegetierende Agrargesellschaft umschließt wenige „Oasen der Rentabilität“. An deren Wachstum hängt das ganze Zukunftskonzept der Länder, die den Anschluss ans Weltniveau suchen. Im Krisenfall müssen die industriellen Treibhäuser koste-es-was-es-wolle geschützt werden, sei es durch das heimische Militär (Schwellenländer), sei es durch Söldner der Supermacht und deren Satelliten (Entwicklungsländer). Das kennzeichnet in besonderem Maße die sogenannten Klientenstaaten (in Lateinamerika und anderswo), deren korrupte, von den Vereinigten Staaten unmittelbar abhängige Führungsschichten zur Lieferung bestimmter Rohstoffe gezwungen sind.7
An eben diese Oasen der Rentabilität aber werden die Flüchtlingswellen branden, die der angekündigte Klimawandel nach allgemeiner Erwartung auslöst. Die Oasen-Ökonomie wird durch entfesselte Naturkräfte unterspült. Obwohl der Klimawandel voraussichtlich in erster Linie bestimmte Elendszonen verwüsten wird (Bangladesch, die Sahel-Zone, die Himalaya-Region und die Inseln im Südpazifik), sehen sich die Vereinigten Staaten und ihre europäischen Mitprofiteure auf dreifache Weise in Mitleidenschaft gezogen: durch Verstrickung in ethno-religiöse Bürgerkriege, die unbeendbar sind und Terroristen züchten, durch Migrantenheere, die Einlass begehren, und durch Vernichtung kreditgestützter Investitionen.
Deshalb hat die britische Außenministerin am 17. April 2007 vor dem UN-Sicherheitsrat im Namen der EU den Klimawandel als politisch-ökonomische Katastrophe geschildert: Es seien Hungersnöte, Überschwemmungen, Flüchtlingsströme und Konflikte um Trinkwasser zu befürchten, die den Weltfrieden destabilisieren könnten. Die US-Regierung stellte sich taub, weil sie keine Restriktionen durch internationale Gremien erträgt. Es hat sich jedoch herumgesprochen, dass das Pentagon an Plänen zur militärischen Abwehr von Flüchtlingsströmen arbeitet. Einer Studie amerikanischer Ex-Generäle zufolge würde der Klimawandel im Nahen Osten, in Afrika und Asien Extremismus und Terrorismus fördern und die Vereinigten Staaten somit ernsthaft bedrohen.8
Die USA sind auf den Wachstumshunger bevölkerungsreicher Schwellenländer und die Oasen-Wirtschaft in den Billiglohnländern angewiesen. Sie haben daher allen Grund, die Folgen einer Klimakatastrophe zu fürchten. In die Kriege und Bürgerkriege um Nahrung, Wasser und Rohstoffe auf der südlichen Erdhalbkugel würden sie unweigerlich hineingezogen. Den Interventionsstaat, der bei sich zu Hause und als bewaffneter Schulmeister den Weltstaat mimt, ereilt dann das Schicksal der Abnutzung im Weltbürgerkrieg. Da die US-Army in diesem Krieg ihr eigener schlimmster Feind sein würde, gewissermaßen ständig unter friendly fire läge, wäre ihr restlicher Nimbus in kurzer Zeit aufgezehrt. Andere Mächte hingegen, nicht vom Anspruch globaler Hegemonie belastet, würden aufgewertet. Was gäbe es also aus amerikanischer Sicht noch zu verteidigen?