Wer hat Interesse an der Aufdeckung des BND-Informanten?

Seit ein paar Tagen zirkuliert ein Name eines untergetauchten Liechtensteiners, der dem BND die Kundendaten der Liechtensteiner Bank verkauft haben soll

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Die Sache mit den Kontodaten in Liechtenstein nimmt allmählich seltsame Züge an. Schon seit einigen Tagen kursierten Gerüchte, der Informant, der dem BND für 5 Millionen Euro, abzüglich Steuern 4,2 Millionen, Daten von deutschen Steuersündern geliefert haben soll, die bis ins Jahr 2005 reichen, sei ein 42-jähriger Liechtensteiner auf der Flucht, der Heinrich Kieber heißt. Aber kann der deutsche Geheimdienst oder die deutschen Steuerbehörden ein Interesse daran haben, den Informanten aufzudecken?

Kieber soll, wie es am Wochenende die Runde machte, bei der LG Treuhand gearbeitet haben. Mittlerweile kursiert selbst ein Bild von "Henry", der sich nach Australien abgesetzt haben soll. Noch sind das Vermutungen. Wer sie gestreut hat, ist eigentlich bekannt. Offenbar steht die LG Treuhand (LGT) selbst dahinter, die den vermeintlichen Betrüger entlarvte, der schon vor der Anstellung bei der Bank krummen Geschäften in Spanien nachgegangen war und 2004 deswegen verurteilt worden war.

Wie die NZZ berichtete soll Kieber die entwendeten Kundendaten 2003 gegen freies Geleit den liechtensteinischen Behörden zurück gegeben haben. Die LGT versichert selbst weiterhin, dass es sich nur um Daten aus dem Jahr 2002 handelt, die eben Kieber gestohlen und dann auch weiter verkauft habe. Er sei, so die LGT, der Informant des BND, und 2001 und 2002 nur "externer Mitarbeiter" gewesen. Kieber wurde zwar verurteilt, aber auf Bewährung – und irgendwie scheint die Rechtsprechung in Liechtenstein, geht man nach der LGT, ein wenig seltsam zu sein, was die Unterscheidung In- und Ausland betrifft:

Das rechtskräftige Urteil des Obergerichts vom Januar 2004 lautete schliesslich auf schweren Betrug, Nötigung sowie Urkundenunterdrückung und beinhaltete eine Freiheitsstrafe von einem Jahr, die für eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen wurde. Der Verurteilung wegen Betrugs lag das erwähnte Immobiliengeschäft in Spanien zugrunde; die versuchte Nötigung betraf die mit Schreiben gegenüber S.D. Fürst Hans-Adam ausgesprochenen Forderungen; und die Urkundenunterdrückung beinhaltete den Datendiebstahl bei der LGT Treuhand. Vom Verbrechen der Auskundschaftung eines Geschäfts- und Betriebsgeheimnisses wurde HK freigesprochen, weil die Gerichte davon ausgingen, dass er beim Diebstahl der Kundendaten noch nicht den Vorsatz hatte, diese dem Ausland preiszugeben. Der internationale Haftbefehl der spanischen Strafverfolgungsbehörden wurde im Oktober 2004 aufgehoben und das Strafverfahren in Spanien im November 2005 eingestellt.

LGT

Nachdem die LGT den Täter benannt hat, nahm auch die Liechtensteinische Staatsanwaltschaft Ermittlungen wegen Wirtschaftsspionage auf, während sich der Name des untergetauchten Verdächtigen und angeblichen BND-Informanten in den Medien verbreitete. Mag zwar sein, dass es sich wirklich um einen schäbigen Betrüger handelt, dem es egal ist, wie er an Geld kommt, und der deswegen auch die Daten an andere Regierungen verkauft hat. Aber anrüchig ist die Informationsverbreitung mindestens ebenso wie die Steuerhinterziehung und die Beihilfe dazu, um die es geht.

Dass die Bank und Liechtenstein Interesse haben, den (oder einen vermeintlichen) Informanten aufzudecken und beim Namen zu nennen, liegt auf der Hand. Damit sollen andere Mitarbeiter, die über die Deals in den Liechtensteiner Banken Bescheid wissen, davon abgeschreckt werden, ihr Wissen preiszugeben. Kieber lebt nun gefährlich. Vermutlich nicht wegen der deutschen Steuerflüchtlinge und hoffentlich auch nicht wegen der Banken und der Regierung in Liechtenstein, sondern womöglich wegen des organisierten Verbrechens, das sich ebenfalls der Tricks und der Geheimhaltung bedienen könnte, um seine Gelder zu waschen. Aber wer weiß?

Die FAZ verweist in diesem Zusammenhang auf ein weiteres pikantes Detail. Im Zuge der Ermittlungen ist auch der bayerischen Datenschützer Karl Michael Betzl ins Visier geraten. Dessen Frau ist ausgerechnet – angesichts der Tätigkeit ihres Mannes eigentlich schon genug der Paradoxie – Referatsleiterin beim BND. Sind womöglich, so spekuliert die FAZ, die Hinweise auf Kieber über Betzls Frau an die Öffentlichkeit gelangt? Die FAZ zitiert zwei Abgeordnete, die im Parlamentarischen Kontrollgremium sitzen:

Ströbele sagte: „Offenbar gibt es ein Interesse beim BND oder bei der Bundesregierung oder auch bei beiden, bestimmte Informationen an die Öffentlichkeit zu lancieren.“ Für ihn und seine PKG-Kollegen seien jedenfalls ein großer Teil der jetzt veröffentlichten Informationen völlig neu gewesen. Stadler sagte: „Ich frage mich dabei schon, wer ein Interesse daran hat, dies nach außen gelangen zu lassen.“

Und, ach, es ist so schön, in diesen dunklen Machenschaften zu wühlen und zu spekulieren. Es könnte ja auch sein, dass der BND – im Verein mit der LGT? – den Betrüger Kieber als "Strohmann" vorschiebt, um seine wirklichen Informanten zu schützen. Eigenartig ist zumindest, dass die – angeblich so guten - Kundendaten ja bis zum Jahr 2005 reichen sollen, Kieber aber bereits 2003 nicht mehr bei der LGT war. Vermutlich liegt es aber doch eher im Interesse der LGT, nicht nur einen vermeintlichen Schuldigen zu nennen, sondern auch die Kunden zu beruhigen, dass die Daten eigentlich schon relativ alt sind.

Wer sich allerdings gerne Verschwörungstheorien hingibt, könnte möglicherweise auch vermuten, dass die Nennung des Namens aus Kreisen in Deutschland und anderswo stammt, die weitere Ermittlungen und vor allem weitere Whistleblowers verhindern wollen und Kontakte in den BND haben. Wir ziehen die Variante vor, dass Liechtenstein oder zumindest die LGT einen Schuldigen vorschiebt. Der mehr verdeckt als offenbart. Aber wer weiß schon, wer alles seine Millionen nach Liechtenstein verschoben hat?