Wer hat das Sonnensystem plattgedrückt?

Zwei Raumsonden haben mittlerweile den Rand unseres Sonnensystems erreicht. Gefunden haben sie dort eine Menge mehr als nur leeren Raum

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Hoffen wir, dass unsere künftigen außerirdischen Freunde einen Schallplattenspieler besitzen. Denn wenn Ihnen dereinst bei Kontrollflügen rund um unser Sonnensystem eine gut 800 Kilogramm schwere Raumsonde in die Hände fällt, bringt diese als Willkommensgeschenk eine Goldene Schallplatte mit. Darauf findet sich eine 90-minütige Musik-Auswahl aus allen Teilen der Welt sowie Grüße in insgesamt 55 Sprachen. Falls die Aliens schon vergessen haben sollten, wie man einen Plattenspieler baut, hilft ihnen womöglich die bebilderte Anleitung weiter. Dass ein schwedisches Möbelhaus diese gesponsert hätte, ist allerdings nur ein Gerücht.

So weit das, was die Anderen in den menschlichen Raumsonden finden könnten. Doch was haben diese bei den Anderen gefunden? Auf jeden Fall mehr als nur leeren Raum. Das kommt auch nicht ganz unerwartet, wenn man sich vergegenwärtigt, was da draußen wirklich los ist. Eine ganzes Planetensystem schießt schließlich mit 220 Kilometern pro Sekunde durchs All, und umkreist dabei alle 200 Millionen Jahre einmal das Zentrum der Milchstraße.

Voyager 1. Bild: Nasa

Im Zentrum dieses Planetensystems steckt ein Stern, der in alle Richtungen einen stetigen Teilchenstrom schickt, den so genannten Sonnenwind. Das Gebilde, das dieser rings um uns aufspannt, nennt man Heliosphäre. Doch wie sieht der Übergang zum interstellaren Raum aus? Dazu lieferten zunächst Voyager 1 und mittlerweile auch Voyager 2 interessante Daten.

Nachdem Voyager 1 die imaginäre Grenze passiert hatte, war man zunächst der Meinung gewesen, die Heliosphäre habe ungefähr Geschossform (siehe Geschossförmig ins Nichts). Allerdings litt Voyager 1 unter gewissen Sehstörungen. Einerseits setzte die Datenübertragung von der Sonde gerade im entscheidenden Zeitpunkt für eine Weile aus. Andererseits ist das Instrument, das das interstellare Plasma analysiert, an Bord von Voyager 1 schon seit längerem defekt.

Das ist ein Vorteil für die tatsächlich ein paar Tage eher gestartete Voyager 2, deren identisches Instrument nach wie vor arbeitet. Schon im Herbst vergangenen Jahres hat die Sonde die Grenze zum interstellaren Raum mehrfach durchquert. Die daraus gewonnenen Daten stellen Forscher jetzt in mehreren Beiträgen im Wissenschaftsmagazin Nature vor.

Voyager 2. Bild: Nasa

Interessanterweise traf Voyager 2 schon zehn astronomische Einheiten eher auf diese „Termination Shock“ genannte Grenze als ihr Vorgänger. Das hat zwei Ursachen. Zum einen ändert sich das Aussehen der Heliosphäre mit dem Sonnenzyklus. Lässt die Energie des Sonnenwinds nach, wird auch die Blase, die er bildet, schrumpfen. Die Heliosphäre muss aber zusätzlich auch noch eingedellt sein - vermutlich wegen eines hier vorhandenen lokalen interstellaren Magnetfelds, das sie wie ein Hammer trifft.

Voyager 2 überquerte die Grenze sogar gleich mehrfach, und zwar mindestens fünf Mal binnen zwei Tagen - was daran liegt, dass die Heliosphäre offenbar stark oszilliert. Erwartet hatten die Forscher hingegen einen einzigen Übergang, der mehrere Tage hätte in Anspruch nehmen sollen. Die Plasmasensoren von Voyager 2 zeigen zudem ein Phänomen, das dem Vorgänger noch entgangen ist: Welche Rolle die so genannten Pickup-Ionen in diesem Bereich spielen. Das sind niedrigenergetische interstellare Atome, die der Sonnenwind ionisiert hat. Offenbar bestimmen ausgerechnet diese Teilchen die Struktur des Termination Shocks.

Und was kommt danach? Voyager 1 und 2 werden es wohl innerhalb der nächsten zehn Jahre erfahren. Ob sie ihre Erkenntnisse dann noch zur Erde funken können, ist heute schwer vorherzusagen.