Wer sind hier eigentlich die Piraten?

Seite 2: Ausflaggung am Rande der Legalität

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Auch wenn die Ausflaggung deutscher Schiffe gängige Praxis ist, so heißt dies nicht, dass sie damit auch legal ist. Das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen sieht vor, dass jedes Schiff in dem Staat registriert ist, von dessen Hoheitsgebiet aus es betrieben wird. Sogar das deutsche Grundgesetz legt in Artikel 27 fest, dass deutsche Handelsschiffe eine einheitliche Handelsflotte bilden, die der deutschen Rechtsprechung untersteht.

Um die offensichtliche Verletzung des Seevölkerrechts zu umgehen, nutzen die Reeder mit tatkräftiger Unterstützung des Bundesverkehrsministeriums eine Gesetzeslücke. §7 des Flaggenrechtsgesetzes gestattet eine auf maximal zwei Jahre befristete Ausflaggung, wenn das Schiff an einen ausländischen Betreiber verliehen wird. Diese "Bareboat-Charter" sieht jedoch eigentlich vor, dass das Schiff auch de facto vom Hoheitsgebiet des neuen Flaggenstaates aus betrieben wird. In der Praxis wird das Schiff aber stets an eine Tochter der deutschen Reederei zurückverchartert. Im Fall der "Beluga Nomination" dient die Briefkastenadresse des karibischen Charterers lediglich dazu, die Pflichten des deutschen Rechts zu umgehen.

Schaut man sich die Rangliste der Handelsflotten nach Flagge an, so entdeckt man, dass die Staaten Panama und Liberia die größten Handelsflotten besitzen. Panama ist bereits seit den 1920ern ein Eldorado für Reeder, das früher vor allem durch die Umgehung der Zulassungsauflagen ("Schiffs-TÜV") Seelenverkäufer aus den USA und Europa anzog.

Das Schifffahrtsregister des Staates Liberia ist nicht etwa in Afrika, sondern in Reston im US-Staat Virginia ansässig. Wer sein Schiff nach Liberia ausflaggt, muss also nicht in die Bürgerkriegs- und AIDS-Metropole Monrovia reisen, sondern kann ganz bequem über das Internet in den USA gleich die zughörigen Briefkastenfirmen mitbuchen. Von diesem Angebot machen auch deutsche Schiffsreeder bei 427 Schiffen Gebrauch - dass dadurch der Bürgerkrieg in Liberia und Sierra Leone mit Genehmigung des deutschen Verkehrsministeriums quersubventioniert wird, ist dabei nur eine weitere Unappetitlichkeit im Flaggenstreit.

Panama und Liberia haben in den letzten zehn Jahren viele Nachahmer gefunden – es gibt fast keine Karibik- oder Südseerepublik, die kein Billigregister führt. Das Schiffsregister für den Karibikstaat Antigua und Barbuda, unter dessen Flagge die gekaperte "Beluga Nomination" fährt, ist beispielsweise im norddeutschen Oldenburg beheimatet und wurde vom 2009 verstorbenen Honorarkonsul Eike Malling aufgebaut – sicherlich ein sehr lukratives Geschäft.

Ein bemerkenswerter Newcomer auf dem Billigflaggenmarkt ist dabei der Binnenstaat Mongolei, der sein Register über einen Dienstleister aus Singapur verwalten lässt.