Wer wird schon 100 Jahre alt?

Holger Balodis über das Geschäft der privaten Rentenversicherungen

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Die Lebensversicherungsbranche hat 2013 einen Gewinn von 17,7 Milliarden Euro erwirtschaftet1 - aber nur ein Bruchteil von diesen Geldern wird an die Versicherten weitergegeben. Ist es da nicht gleich sinnvoller, das Ersparte unter das Kopfkissen zu legen? Telepolis sprach mit Holger Balodis, der zusammen mit Dagmar Hühne das Buch Garantiert beschissen Der ganz legale Betrug mit den Lebensversicherungen geschrieben hat.

Herr Balodis, können Sie eine Einschätzung geben, ob die private Rentenvorsorge in absehbarer Zeit kollabieren wird - oder haben wir es hier mit einer Branche zu tun, die trotz aller Unwägbarkeiten bei einer immerhin noch wahrnehmbaren Verzinsung eher stabil bleiben wird?

Holger Balodis: Mit einem Zusammenbruch der privaten Altersvorsorge rechne ich nicht. Die meisten Anbieter verdienen nach wie vor sehr gut und erzielen mit den Kundengeldern noch immer eine Nettokapitalanlage-Rendite von mehr als vier Prozent. Selbst in der Niedrigzinsphase erzielt die Branche noch Kapitaleinnahmen von fast 40 Milliarden Euro im Jahr. Dazu kommen milliardenschwere Risiko und Kostengewinne.

Nur sehen die Kunden davon leider immer weniger. Die laufende Verzinsung liegt offiziell unter drei Prozent. Tatsächlich bekommt der Kunde aber noch deutlich weniger, weil nicht der gesamte Beitrag verzinst wird. In den ersten Vertragsjahren wird besonders wenig gut geschrieben, weil zunächst die enormen Abschlusskosten vom Kunden bezahlt werden müssen. Immer mehr Kunden, insbesondere jene die vorzeitig kündigen, machen deshalb effektiv Verluste mit ihrer privaten Rente.

Holger Balodis. Foto: Westend

Wie hoch ist der garantierte Zinswert heute?

Holger Balodis: Der Garantiezins bei klassischen Renten- und Lebensversicherungen beträgt aktuell 1,25 Prozent. Da jedoch nur ein Teil der Einzahlungen verzinst wird, beträgt die garantierte effektive Verzinsung der eingezahlten Gelder schätzungsweise 0,5 Prozent. - Aber nur für die Kunden, die den Vertrag durchhalten.

Warum darf man seit 1983 behaupten, dass eine kapitalgedeckte Lebensversicherung legaler Betrug ist?

Holger Balodis: Das geht auf ein Urteil des Landgerichts Hamburg aus dem Jahr 1983 zurück. Der Bund der Versicherten und die Verbraucherzentrale Hamburg hatten den Begriff "legaler Betrug" für die Kapitallebensversicherung in einer Broschüre geprägt. Die Hamburger Richter wiesen die Unterlassungsklage der Lebensversicherer zurück. Seitdem ist der Begriff in der Welt.

Ich würde den legalen Betrug auf alle Arten der privaten Rentenversicherung ausweiten und halte es auch heute noch für gerechtfertigt. Der Grund ist einfach: Wenn rund 80 Prozent der Kunden, die heute einen Vertrag abschließen, damit in den nächsten Jahrzehnten effektiv Geld verlieren - wie würden Sie das nennen?

"Inflationsbereinigt ein erheblicher Verlust"

Können Sie uns erklären, warum die Kunden Geld verlieren?

Holger Balodis: Lebens- und Rentenversicherungen bieten dem Kunden keine vernünftigen Erträge, auf die er sich wirklich verlassen kann. Wer früher abgeschlossen hat, muss mit Schrecken sehen, wie seine ehedem versprochene Ablaufleistung wie Schnee in der Sonne dahinschmilzt. Und wer heute abschließt, bekommt in den meisten Fällen eine neues Produkt verkauft, das lediglich am Ende der Laufzeit die bis dahin eingezahlten Beiträge garantiert. Inflationsbereinigt wäre das ein erheblicher Verlust. Und die Versprechungen über den reinen Beitragserhalt hinaus würde ich mit Vorsicht genießen.

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