"Westliche Demokratie" ist hohl: Reichtum regiert

Seite 4: Mangelhafte Auswertung im Bundestag

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Der aufwendig erstellte Armuts- und Reichtumsbericht schien der Regierung peinlich zu sein. Erst ganz am Ende der Legislaturperiode, im Juni 2017, kurz vor Sommerpause und Bundestagswahl wurden die Erkenntnisse des Berichts erstmals im Ausschuss für Arbeit und Soziales debattiert. Die geschilderten brisanten Fakten kamen aber auch bei dieser Gelegenheit kaum vor.

Lediglich eine Abgeordnete stellte eine Frage dazu, ein geladener Experte antwortete - dann verschwanden die explosiven Forschungsergebnisse wieder in den bürokratischen Mühlen und Formalien des parlamentarischen Trotts, wo der stoische Takt der Tagesordnungen, vorformulierten Stellungnahmen und Protokolle eine lebendige Debatte kaum vorsieht.

Eine Aussprache zum Armuts- und Reichtumsbericht im Bundestag kam ebenfalls erst in letzter Minute im Juni 2017 zustande. Eine Sternstunde des Parlamentarismus wurde auch das nicht, eher eine weitere Demonstration institutionalisierter Hilflosigkeit.

An einem schwülen Mittwochnachmittag - der Deutsche Wetterdienst hatte gerade eine Unwetterwarnung für Berlin herausgegeben - versammelte sich ein versprengtes Häuflein von gut drei Dutzend Abgeordneten, die verloren im riesigen Plenarsaal der Arbeitsministerin lauschten. Filmreif waren düstere Wolken am Himmel über Berlin aufgezogen, an diesem Nachmittag begann ein mehrere Tage andauernder "Jahrhundertregen", wie ihn die Hauptstadt seit 1948 nicht mehr erlebt hatte.

Drinnen im trockenen Bundestag begann Andrea Nahles ihre Rede mit den Worten "Deutschland geht es gut" und endete mit dem Hinweis, gleichwohl sei noch "genug zu tun". Das hätte die Kanzlerin wohl kaum anders formuliert. Entsprechend routiniert und phrasenhaft verlief die folgende Debatte, bei der zwar von einigen Rednern die wachsende Ungleichheit angesprochen wurde, doch niemand auf den brisanten Kern des Berichts, das politische Ignorieren der Forderungen der Armen und der Mittelschicht, zu sprechen kam - eine Erkenntnis, welche die Legitimität des Bundestages als funktionierende Volksvertretung grundlegend in Frage stellt.

Von Seiten der Minister war bis auf die Sozialdemokratin Nahles, die allein am Rand der Regierungsbank saß, niemand zugegen. Finanz- und Wirtschaftsminister glänzten durch Abwesenheit, auch Merkel fehlte. Das skurrile Ende der Debatte bildete ein Redebeitrag von Ex-Familienministerin Kristina Schröder, die erklärte, dass "auch die Armen nichts davon haben, wenn man den Wohlhabenden etwas nimmt, nur um mehr Gleichheit herzustellen".

Für die CDU-Politikerin war es die letzte Rede im Bundestag - sie wechselte 2017 als Politlobbyistin in eine PR-Firma, die im Internet damit wirbt, "belastbare High-Level-Zugänge zu relevanten Entscheidern in Berlin" zu besitzen, um "Unternehmensinhalte an zentralen Stellen zu platzieren". Da schließt sich dann vielleicht der Kreis zur "Krise der Repräsentation".

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