"Westliche Demokratie" ist hohl: Reichtum regiert
Seite 5: Gleiches Bild in den USA
Dies ist längst international zu beobachten und kein deutsches Phänomen. Im Mutterland der neuzeitlichen Demokratie, den USA, von wo aus noch im 18. Jahrhundert die Französische Revolution mit befeuert wurde, registrieren Forscher heute das gleiche Muster. Nicht zufällig orientiert sich die Studie der Osnabrücker Wissenschaftler eng an einem amerikanischen Vorbild - der 2012 veröffentlichten Untersuchung "Affluence and Influence" ("Reichtum und Einfluss") von Professor Martin Gilens von der Princeton University.
Gilens hatte für den Zeitraum von 1981 bis 2002 systematisch die politischen Ansichten der Amerikaner untersucht, anhand ihrer Antworten auf 1.800 verschiedene Fragen, die bei Erhebungen der großen Meinungsforschungsinstitute über die Jahre gestellt worden waren. Auch Gilens hatte die Ansichten der Bürger nach Einkommensklassen getrennt und anschließend überprüft, wessen Wünsche die Regierung in den folgenden Jahren tatsächlich umgesetzt hatte.
Die überaus aufwendige Studie kam zum gleichen Ergebnis wie ihr deutsches Gegenstück: Die Ansichten der Armen und der Mittelschicht sind auch in den USA völlig irrelevant für die Politik. Ob nun 20, 50 oder 80 Prozent von ihnen eine Forderung unterstützen - die Wahrscheinlichkeit ihrer Umsetzung bleibt konstant niedrig. Es ist, als wären die normal und wenig verdienenden Bürger gar nicht da, ebenso sprachlos wie unsichtbar. Gilens schreibt:
Der vollständige Mangel an Responsivität der Regierung bezüglich der Wünsche der Armen ist verstörend und passt eigentlich nur zu den zynischsten Sichtweisen auf amerikanische Politik. Wenn sich die Ansichten von Armen und Wohlhabenden unterscheiden, so zeigen die Ergebnisse, dass die Regierungspolitik in keinerlei Beziehung zum Ausmaß der Zustimmung oder Ablehnung unter den Armen steht.
Martin Gilens
Auch der Einfluss der Mittelschicht ist demnach "ununterscheidbar von null". Es gäbe zwar Fälle, in denen die Politik den Wünschen von Armen oder Mittelschicht folgen würde, allerdings immer nur dann, wenn diese Wünsche auch von den Wohlhabenden geteilt würden. Genau wie in Deutschland bestehen dabei auch in den USA die größten Meinungsunterschiede zwischen Arm und Reich auf dem Gebiet der Außenpolitik, gefolgt von der Wirtschaftspolitik.
Die Konzentration von politischem Einfluss an der Spitze der Einkommensskala sei, so bilanziert es Professor Gilens, "unvereinbar mit dem demokratischen Kernprinzip der politischen Gleichheit". Die amerikanische Gesellschaft sei "eine Demokratie nur dem Namen nach". In der Washington Post schrieb er, mitten im Präsidentschaftswahlkampf zwischen Hillary Clinton und Donald Trump: "Viele Amerikaner, die für Außenseiterkandidaten stimmen, glauben, dass die Regierung sie mehr oder weniger ignoriert. Sie haben Recht."
Der vorliegende Text ist ein Auszug aus dem gerade erschienenen Buch "Die Angst der Eliten - Wer fürchtet die Demokratie?", Westend Verlag, 224 Seiten, 18 Euro.
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