Wetterwippe: Was beeinflusst El Niño, wie sehen die Auswirkungen aus?

Klima-Forscher in der Tiefe: Probenentnahmen aus Höhlen auf der Prince-of-Wales-Insel im Südosten Alaskas. Bild: Jessica Honkonen

Energie und Klima – kompakt: Meeresoberflächen- und Lufttemperaturen in ungeahnten Höhen und Dürren. Was Wissenschaftler dazu sagen. Zwei neue Studien.

Der tropische Pazifik ist eine der großen Wetterküchen des Planeten. Dort gibt es entlang des Äquators zwischen der peruanischen Küste und den indonesischen Inseln im Zusammenspiel von Ozeanströmungen und Winden eine Art Wetterwippe, die weit über die Region hinaus für Dürren und katastrophale Niederschläge sorgen kann.

Klimawissenschaftler nennen sie "Enso" (El Niño/Southern Oscillation). Die alle vier bis sieben Jahre auftretende Warmphase dieser atmosphärisch-ozeanischen Schwingung wird El Niño genannt und tritt derzeit mal wieder in Erscheinung.

Was beeinflusst El Niño, was ist für die Stärke seiner Ausprägung verantwortlich? Angesichts seiner großen Auswirkungen alles andere als eine akademische Frage. Derzeit treibt er zum Beispiel seit Monaten die Oberflächentemperatur der Weltmeere und die Lufttemperaturen in ungeahnte Höhen, wie bereits mehrfach berichtet.

Zu seinen Auswirkungen gehört auch für gewöhnlich längere Perioden ohne oder fast ohne Niederschlag in weiten Teilen des Amazonasbeckens, die in den letzten Jahrzehnten immer stärker ausfielen.

Zusammen mit der fortschreitenden Entwaldung der Region drohen diese Dürreperioden den riesigen Regenwald an einen Umschlagpunkt zu bringen, ab dem er nicht mehr genug Wasser speichern und seinen eigenen Regen erzeugen kann.

Dann würde er zur Savanne, was weitreichende Auswirkungen bis nach Paraguay, Bolivien und den Norden Argentiniens hätte, die bisher ihre Niederschläge aus dem Amazonasbecken beziehen.

Die Bewohnerinnen und Bewohner von Manaus, der brasilianischen Metropole im Herzen des Amazonas-Regenwaldes, bekommen davon gerade einen Vorgeschmack. Wie die britische Zeitung Guardian berichtet, hat der Amazonas dort derzeit das niedrigste Niveau seit 121 Jahren.

Außerdem begünstigt die Dürre zahlreiche Waldbrände, die die Luftqualität in der ehemaligen Kautschuk-Hauptstadt zur schlechtesten im ganzen Land mache. Der Autor vergleicht sie mit jener chinesischer Metropolen in den Nullerjahren.

Aber zurück zu El Niño und Enso. Zwei neue Studien eines internationalen Teams unter der Leitung der Universität Innsbruck gehen der Frage nach, wie das in den letzten drei Jahrzehnten deutlich heftiger gewordene tropische Wetterphänomen von natürlichen Faktoren und zunehmend auch durch den Menschen beeinflusst wird.

Folgen des menschengemachten Klimawandels: Zwei neue Studien erklären El-Niño-Muster

Ihre Ergebnisse zeigen einerseits, dass das Phänomen sowohl über längere Zeiträume auf natürliche Faktoren reagiert und dass zugleich seit den 1970er-Jahren die Zunahme der Treibhausgaskonzentration in der Erdatmosphäre eine wichtige Rolle spielt.

In einer ersten Arbeit, die im Fachblatt Geophysical Research Letters veröffentlicht wurde, haben die Autoren das regionale Klima der letzten 3500 Jahre mithilfe von Ablagerungen aus einer Höhle im südöstlichen Alaska rekonstruiert.

Sie fanden dabei, dass bis in die 1970er-Jahre Enso mit Veränderungen in der solaren Einstrahlung korreliert, dass diese Korrelation dann jedoch abbricht. Paul Wilcox vom Institut für Geologie der Universität Innsbruck und Hauptautor der ersten Studie dazu:

Bis vor etwa 50 Jahren spielten Änderungen der Sonneneinstrahlung eine bedeutende Rolle bei der Formung von El-Niño-Mustern. Ab den 1970er-Jahren sehen wir aber klare Signale, die nur den Folgen des menschengemachten Klimawandels zugeschrieben werden können

Paul Wilcox

In einer zweiten Untersuchung gehen zum Teil die gleichen Autorinnen und Autoren 13.500 Jahre zurück und zeigen, ebenfalls anhand der Ablagerungen aus Alaska, dass das dortige Klima auch in der Schlussphase der letzten Eiszeit bereits eng mit den Bedingungen im äquatorialen Pazifik verbunden war.

Das steht im Widerspruch zur bisherigen Lehrmeinung, dass die schnellen globalen Veränderungen jener Zeit vor allem ein Ergebnis von Vorgängen im Nordatlantik waren.

Die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erklären sich das damit, dass unter den seinerzeit gegebenen Verhältnissen die Oberflächentemperatur des äquatorialen Pazifiks sehr schnell auf Veränderungen in der Sonneneinstrahlung reagierte.

Letztere sind wiederum ein Resultat des veränderlichen Abstands der Erde zur Sonne und des ebenso fluktuierenden Neigungswinkels der Rotationsachse unseres Planeten. Der menschliche Einfluss, das heißt, die zunehmende Konzentration von Kohlendioxid und anderen Treibhausgasen in der Atmosphäre, könnte dann dazu geführt haben, "dass in den 1970er-Jahren ein klimatischer Wendepunkt überschritten wurde – mit dem Beginn eines beständigeren El-Niño-Musters", so Paul Wilcox.