Wider den "politischen Spagat" der nuklearen Teilhabe

Russland muss den Krieg beenden. Was aber kann der Westen tun? Kommentar und Vorschläge anlässlich der Ostermärsche.

Für Abrüstung sowie für Waffenstillstand und Frieden in der Ukraine gehen an diesem Wochenende bundesweit Tausende Menschen auf die Straße. Die Ostermärsche stehen traditionell im Zeichen des Friedens.

Angesichts des brutalen und völkerrechtswidrigen russischen Krieges gegen die Ukraine ist das bitternötig. Denn ein jahrelanger Zermürbungskrieg – oder schlimmer, ein Atomkrieg – können nur durch internationale, diplomatische Bemühungen verhindert werden. Doch anstatt Gespräche zu führen, hat der russische Präsident Putin jüngst angekündigt, russische Atomwaffen in Belarus zu stationieren.

"Einen politischen Spagat" hatte die Bundesaußenministerin, Annalena Baerbock, den Widerspruch der deutschen nuklearen Teilhabe genannt. Diese Antwort gab sie mir Ende 2022 bei einem Besuch in Bremen. Dass in einem formalen Nicht-Atomwaffenstart wie Deutschland US-Atomwaffen stationiert sind, war tatsächlich jedoch schon immer inakzeptabel.

Unsere unterschiedlichen Regierungen haben diesen Mangel stets schöngeredet. Zugleich aber ist inakzeptabel, wenn nun in Belarus russische Atomwaffen stationiert werden sollen. 

US-Atomwaffen in Deutschland: Politisch das falsche Signal und zudem militärisch unbedeutend

Anders als behauptet sind die US-Atomwaffen in Deutschland politisch das falsche Signal und zudem militärisch unbedeutend - eben nicht "Schutz für Berlin und Warschau" vor Putins Russland,  sondern allein Symbol: Wir, die USA und die Nato, in der Illusion des Macht-Monopols einer unipolaren Welt, entscheiden allein über die globalen Spielregeln. Dieses "Spagat-Konzept" fällt uns nun im Westen selbst auf die Füße. 

Doch, wie weiter? Putins Umbau der russischen Gesellschaft zu einem totalitären Staat wird propagandistisch begründet mit den schweren Versäumnissen des Westens. Das ist vor allem ein billiger Vorwand für Wladimir Putin. Und dennoch müssen in dieser schizophrenen Situation pragmatisch neue Wege beschritten werden.

Wer nach Perspektiven einer nachhaltigen internationalen Sicherheitsarchitektur "jenseits" des Ukraine-Krieges sucht, kann jetzt einen notwendigen Beitrag leisten, die fortgesetzte humanitäre Katastrophe in der Ukraine zu stoppen. 

Dem Atomkrieg näher als je zuvor

Die Komplexität der Probleme im Ukraine-Krieg kann vielleicht zunächst nur in Teilen aufgelöst werden. Doch für das derzeitige Debakel auf der Ebene internationaler Abrüstungsvereinbarungen gilt: die USA, nicht nur durch Trump, und die Nato haben ihren Teil zur derzeitigen Situation beigetragen – Putin hat mit der Aufkündigung des New Start-Vertrages noch eins draufgesetzt. Die Lage ist angespannt. Dem Atomkrieg sind wir näher als je zuvor.

Wir alle marschieren in die falsche Richtung – auf einen atomaren Abgrund zu.

"Nein", sagt die US-Administration, Putin habe keine Absicht, Atomwaffen einzusetzen. Das stimmt wohl. Doch, wenn die "atomare Abschreckung" auf russischer Seite keinen Unterschied macht, bedeutet dies zugleich das implizite Eingeständnis, dass das Konzept der Abschreckung auch auf Nato-Seite unsinnig ist.

Jede Eskalation, egal auf welcher Seite, erhöht das Risiko, dass sich Europa und die Welt durch eine unkalkulierbare Kriegsdynamik gewollt oder ungewollt in ein atomares Inferno stürzen. 

Treten wir also einen Schritt zurück, denn die Fragen sind nicht unlösbar. Es fehlt derzeit aber der politische Wille, da sich die Kriegsparteien darauf konzentrieren, den Krieg zu gewinnen, während Bemühungen für die Erreichung von Frieden zu sehr an den Rand gedrängt worden sind.

Ein Frieden, der den Namen verdient, muss durch geeignete diplomatische Vermittlung erreicht werden. Waffen können das nicht. Sie können nicht miteinander sprechen. Sie bringen nur Tod und Verwüstung, und wer am Ende die Oberhand behält, ist ungewiss. 

Die Ostermärsche zeigen an diesem Wochenende deutlich den Wunsch in der Bevölkerung nach Friedensverhandlungen, nach politischen Lösungen – nach einem Waffenstillstand und einem Ende des Tötens.

Lösungsanstrengungen beider Seiten und diplomatische Vermittlungen müssen das Ziel sein. Wir fordern deshalb die Konzentrierung auf diplomatische Strategien und Friedensverhandlungen unter neutraler Moderation.

Ausstieg aus dem "Wahnsinn" der Abschreckungsmittel-Doktrin

Russland muss den Krieg beenden. Was aber kann der Westen tun? Eine Erklärung des Westens auf den Verzicht des Erst-Einsatzes von Atomwaffen könnte ein eigener wichtiger Beitrag sein, um dies auch von Russland einzufordern.

Ein "De-Alerting" von Atomwaffen, alle Atomwaffen aus der erhöhten Alarmbereitschaft zu nehmen, könnte zudem verloren gegangenes Vertrauen wiedergewinnen. Erneute Anstrengungen außerhalb des Nato-Rahmens könnten gleichzeitig den diplomatischen Prozess zu einem Waffenstillstand voranbringen.

Am Ende muss jedoch ein Ausstieg aus dem "Wahnsinn" der Abschreckungsmittel-Doktrin stehen, hin zu Abrüstungsvereinbarungen, die unabhängig überprüft und wenn nötig auch sanktioniert werden. Das zu erreichen, ist nicht leicht, aber notwendig und möglich.

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