Wie Balkanpolitik und Ukraine-Krise Bulgarien ins Chaos stürzten

Seite 3: Welche Waffenlieferungen gab es aus Bulgarien an die Ukraine?

Zur selben Zeit meldete allerdings die New York Times, Bulgarien exportiere über US-amerikanische Mittelsfirmen in großem Maßstab Waffen, die über Tschechien und Polen in die Ukraine gelangten. Die für die Genehmigung zuständige Wirtschaftsministerin Ninova dementierte dies.

Auch als Anfang Juni 2022 der bereits von seinem Posten enthobenen Chef des staatlich bulgarischen Rüstungskonzerns Kintex, Alexander Michailov, behauptete, Bulgarien habe über Rumänien Waffen und Munition im Wert von 200 Millionen Bulgarischer Lew, rund 100 Millionen Euro, in die Ukraine geliefert, bestritt dies das bulgarische Verteidigungsministerium.

Der Spagat zwischen Für und Wider militärischer Unterstützung der Ukraine hat Kiril Petkovs aus Russland-Kritikern und Russland-Freunden zusammengesetzte Koalitionsregierung nicht scheitern lassen. Dazu trug die vermeintlich unverfänglichere Frage nach dem Verhältnis zum südwestlichen Nachbarn, der Republik Nordmazedonien (RNM), bei. Nicht Kornelia Ninova, sondern ITN-Chef Slavi Trifonov hat sich schließlich als Koalitionskiller erwiesen.

Regierungschef Petkov habe hinter dem Rücken der von ITN gestellten Außenministerin Teodora Gentschovska eine in der Regierung nicht abgestimmte Mazedonien-Politik verfolgt und der französischen EU-Ratspräsidentschaft versprochen, Bulgariens Veto gegen die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Republik Nordmazedonien bis Ende Juni 2022 aufzugeben.

Streit um Nordmazedonien eskalierte

So begründete Trifonov am 8. Juni 2022 in einer vom eigenen TV-Sender 7/8 übertragenen Erklärung die Abberufung der vier ITN-Minister aus der Regierung.

Viele Bulgaren sprechen den Nordmazedoniern die Souveränität ab und negieren die Existenz einer mazedonischen Sprache. Unter Verweis auf das mittelalterliche, vom Schwarzen Meer zur Ägäis und zur Adria reichende bulgarische Zarenreich halten sie Mazedonien für eine bulgarische Provinz und die mazedonische Sprache für einen südbulgarischen Dialekt.

Der heutige Staat Nordmazedonien ist ihrer Ansicht nach ein Residuum des Projekts einer Balkanföderation, ausgeheckt 1947 vom bulgarischen Kommunistenführer Georgi Dimitrov und Jugoslawiens Staats- und Parteichef Josip Broz Tito.

Zwar erkannte Bulgarien Anfang der 1990er-Jahre als erstes Land Mazedoniens Unabhängigkeit von Jugoslawien an, doch seitdem finden die Streitigkeiten zwischen Bulgaren und Mazedoniern über geschichtliche Fragen kein Ende.

Auch der Abschluss eines Vertrags über freundschaftliche Beziehungen und gute Nachbarschaft im Jahr 2017 befriedete den Dauerkonflikt zwischen beiden Ländern nicht.

Insbesondere damit, dass Nordmazedonien sich nicht an seine Bestimmungen halte, begründeten die Bulgaren bisher ihr Veto gegen die Aufnahme von EU-Beitrittsverhandlungen mit der Republik Nordmazedonien.

Doch auf Druck Frankreichs hat sich das bulgarische Parlament am 24. Juni mehrheitlich für die Aufhebung des Vetos ausgesprochen. Der formale Grund für das Ende von Petkovs Viererkoalition hat sich damit nur zwei Wochen später in Nichts aufgelöst.