Wie Indien und China auf den Ukraine-Krieg reagieren

Seite 3: Vermag der Westen russische Energie-Exporte zu verhindern?

Daher besteht das Spiel des Westens nicht so sehr darin, die russischen Exporte zu verringern oder zunichtezumachen, sondern vielmehr darin, die russischen Öl- und Gaseinnahmen zu schmälern. Die chinesischen Entscheidungsträger haben den wichtigen Unterschied zwischen diesen beiden Ansätzen gut erkannt.

Interessanterweise gilt dies auch für Japan, das angekündigt hat, dass es an seiner 27,5-prozentigen Beteiligung an dem Erdgas- und Erdöl-Förderprojekt Sachalin-2 im Fernen Osten Russlands festhalten will, obwohl es sich den strengen G-7-Sanktionen gegen Moskau angeschlossen hat.

Premierminister Fumio Kishida sagte, das Projekt trage dazu bei, Japan langfristig mit preiswertem und stabilem Flüssiggas zu versorgen, und stelle "ein essenzielles Projekt für unsere Energiesicherheit" dar.

Hier liegen auch die Chancen für Indien, das über eine umfangreiche Raffinerieindustrie verfügt, die in der Regel an russischem Rohöl interessiert ist (– während russisches Erdgas für Indien schwieriger zu beziehen ist).

Das chinesische Beratungsunternehmen Fenwei Energy Information Service teilte Anfang des Monats mit, dass russische Kohle und russisches Öl, die in Yuan bezahlt werden, in Kürze nach China exportiert und die ersten Ladungen noch in diesem Monat eintreffen werden.

Dies werden die ersten Rohstofflieferungen sein, die in Yuan bezahlt werden, seit die USA und Europa mehrere russische Banken vom internationalen Finanzsystem abgeschnitten haben.

In der Tat betrachtet China die der westlichen Sanktionen aus einer ganz anderen Perspektive als Manmohan Singh. In Beijing fragt man sich in erster Linie, wie man die Sanktionen optimal nutzen und gleichzeitig die Partnerschaft mit Russland ausbauen kann.

Für Indien hingegen gilt, dass unter der vorherigen Regierung (2004-2014) die Beziehungen zu Russland stagniert sind.

Die Zentralbank in Neu-Delhi prognostizierte kürzlich, dass Indien voraussichtlich bis zu den Jahren 2034 oder 2035 benötigen wird, um die Verluste aus der Covid-19-Pandemie zu kompensieren.

Diese Schätzung beruht jedoch auf der positiven Annahme eines anhaltenden jährlichen BIP-Wachstums von 7,5 Prozent. Nach übereinstimmender Meinung internationaler Wirtschaftsexperten wird das indische BIP-Wachstum im nächsten Jahr und möglicherweise darüber hinaus eher bei sechs Prozent liegen.

Es liegt auf der Hand, dass Indien die Funktionsweise der EU- und US-Sanktionen gegen Russland durchschauen muss, um in einer kritischen Phase, in der die wirtschaftliche Erholung des Landes oberste Priorität haben sollte, die sich bietenden Geschäftschancen optimal zu nutzen.

Als die Präsidentin der Europäischen Kommission, Ursula von der Leyen, kürzlich Neu-Delhi besuchte, versprach sie uns das Blaue vom Himmel. Aber wir müssen realistisch sein. Die EU hat in ihrer Geschichte keinerlei weltweite Gestaltungsmacht entwickeln können.

Führende US-amerikanische Denkfabriken hatten sich schon skeptisch über die Zukunft der EU geäußert, bevor die Ukraine-Krise über sie hereingebrochen ist.