Wie Ölkonzerne und EU die Öffentlichkeit über Klimaschutz täuschen
Seite 2: Klagen gegen EU-Taxonomie
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Greenwashing ist nicht nur gängige Praxis in der Öl- und Gasindustrie, sondern auch auf der politischen Bühne. Ein viel diskutiertes Beispiel für politisches Greenwashing ist die EU-Taxonomie, die Investitionen in Atomkraft und fossiles Gas als nachhaltig deklariert hat. Verschiedene Umweltorganisationen wollen nun den Rechtsweg gegen die EU-Taxonomie beschreiten.
So hat Greenpeace Deutschland die EU-Kommission per Antrag aufgefordert, die Klassifizierung von Erdgas und Atom als nachhaltig zurückzunehmen, andere Länderorganisationen von Greenpeace haben sich dem angeschlossen. Der sogenannte "Delegierte Rechtsakt", also der formale Entschluss der EU-Kommission zur Einbeziehung von Gas und Atom in die Taxonomie, verstoße gegen Unionsrecht. Wird der Rechtsakt nicht zurückgezogen, will Greenpeace vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.
Ein ähnliches Verfahren streben Client Earth und der BUND an, bezogen auf die Klassifizierung von fossilem Gas als nachhaltig. Die Kernkraft wurde nur deshalb nicht in die Beschwerde einbezogen, weil die Organisationen in diesem Punkt nicht über genügend Fachwissen verfügten. Die Argumentation beider Beschwerdeverfahren bleibt die gleiche: Werden klima- und umweltfeindliche Technologien als nachhaltig deklariert, würden Investitionen in diese Bereiche fließen, statt für eine wirklich nachhaltige Energiewende zur Verfügung zu stehen. Die EU-Kommission habe, so die Kritik, mit ihrer Entscheidung sowohl gegen das europäische Klimagesetz als auch gegen die Taxonomie-Verordnung selbst verstoßen.
In Teilen problematisch bleibt auch die am vergangenen Mittwoch abgestimmte Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III). Darin wurde zwar das Ausbauziel für erneuerbare Energien bis 2030 auf 45 Prozent angehoben, doch nicht alles, was in der EU als erneuerbare Energie gilt, ist auch wirklich nachhaltig. Umweltorganisationen kritisieren schon lange, dass das Verbrennen von Waldholz in Kraftwerken gefördert wird.
Für die reine Stromerzeugung soll dies nun ein Ende haben, allerdings bleiben weiterhin zu viele Schlupflöcher bestehen, kritisiert etwa der NABU. Auch die weitere Förderung von Agrarkraftstoffen wird kritisch bewertet, auch wenn zumindest Kraftstoffe aus Palmöl und Soja nicht mehr als erneuerbar angerechnet werden sollen.
Kraftwerk Jänschwalde blockiert
In Deutschland bringt die verfehlte Energie- wie Sozialpolitik nicht nur Proteste für "Heizung, Brot und Frieden" hervor, sondern auch neue Klimaproteste. So blockierte eine Gruppe mit dem Namen "unfreiwillige Feuerwehr" am Montagmorgen das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde. Aktivist:innen ketteten sich an Kohleförderbändern an und blockierten die Gleise zwischen Tagebau und Kraftwerk. Die Kraftwerksleistung musste zeitweilig gedrosselt werden.
Die Gruppe protestiert nicht nur wegen der hohen CO2-Emissionen gegen das Kraftwerk, sondern in erster Linie wegen seines zu hohen Wasserverbrauchs:
Im März urteilte das Verwaltungsgericht Cottbus, dass der Tagebau Jänschwalde seinen Betrieb im Mai einstellen müsse: Die Trinkwasserversorgung der Region sei gefährdet, da für den Tagebau wiederholt zu viel Wasser abgepumpt worden sei. Im Falle der Reaktivierung der Kraftwerksblöcke E und F müssten der Spree jährlich zusätzlich 13 Millionen Kubikmeter Wasser zusätzlich entzogen werden, dadurch wäre die Trinkwasserversorgung von 2 Millionen Menschen in der Region in Gefahr. Im Zuge der energiepolitischen Debatten um den russischen Angriffskrieg wurde der Braunkohleabbau im Tagebau Jänschwalde nun allerdings doch weiterhin erlaubt.
In Berlin blockierten Aktivist:innen der Gruppen Extinction Rebellion und Aufstand der letzten Generation zentrale Kreuzungen in Mitte sowie den Potsdamer Platz. Vor dem Bundesumweltministerium stellten sie einen symbolischen Bohrturm auf. Die Proteste waren Teil der "Herbstrebellion", für Dienstag sind weitere Aktionen angekündigt.
Im Osten Frankfurts a. M. gab es am Wochenende eine Abseilaktion gegen den Ausbau der A66 und den Bau des Riederwaldtunnels, für den der Fechenheimer Wald weichen soll. Nach dem Vorbild Hambacher Forst finden dort zudem jeden Sonntag Waldspaziergänge statt.
Das alles ist vielleicht nur der Auftakt einer neuen Klimaprotestwelle in diesem Herbst. Für Freitag, den 23. September hat Fridays for Future im Bündnis mit zahlreichen anderen Nichtregierungsorganisationen einen neuen "Klimastreik" angesetzt. Im Aufruf werden dabei die falschen Lösungen der Energiekrise angeprangert:
Jetzt trommeln Teile von Regierung und Opposition für die alten Klima-Killer: Fracking, Kohle- und Atomkraft sollen das ausbleibende russische Gas ersetzen und Energiepreise eindämmen. Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit werden gegeneinander ausgespielt. Das lassen wir nicht zu!
Fridays for Future fordert aktuell von der Bundesregierung, ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für den Klimaschutz, das nicht nur kurzfristige Entlastungen ermöglicht, sondern auch zukunftsgerichtete Maßnahmen wie den Ausbau des ÖPNV, Unterstützung bei der Gebäudesanierung und beim Zugang zu erneuerbaren Energien für alle. Ein Teil des Sondervermögens soll auch als Klimafinanzierung an Länder des globalen Südens gehen, berichtete die Tagesschau.
Dass auf neue Proteste der Klimabewegung auch harte Repression vonseiten des Staates folgen kann, zeigt der Fall zweier Aktivist:innen, die sich während der Automobilmesse IAA in München 2021 an einer Brücke über der Autobahn mit einem Banner angeseilt hatten. Die Staatsanwaltschaft München wirft den beiden Studierenden nun "Nötigung" in über tausend Fällen vor – weil der Verkehr auf der Autobahn wegen der Aktion angehalten wurde. Damit könnten den Beschuldigten Haftstrafen zwischen zwei und vier Jahren drohen, wie der Bayerische Rundfunk berichtet, und zwar auch aus politischem Kalkül, um für die Zukunft eine abschreckende Wirkung zu erzielen.
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