Wie Ölkonzerne und EU die Öffentlichkeit über Klimaschutz täuschen

Auch ein PR-Desaster für Ölgiganten: Die Bohrinsel Deepwater Horizon von BP brennt im April 2010 nach einer Explosion, die zur schlimmsten Ölpest in der Geschichte der USA führte. Bild: US Coast Guard / Public Domain

Energie und Klima – kompakt: Über "Klima-Gemetzel" und Greenwashing von Big Oil und EU. Kommt eine neue Klimaprotestwelle in Deutschland?

Auch wenn die Monsunregenfälle in Pakistan vorbei sind: Es wird dauern, bis das Wasser wieder das gesamte Land freigibt. Solange das Wasser in Städten und Ortschaften steht, wächst die Gefahr, dass sich Krankheiten wie Cholera, Malaria oder Dengue ausbreiten.

Millionen von Menschen sind obdachlos geworden, haben ihre Ernten, fruchtbares Land oder ihren Viehbestand verloren. Es droht eine Nahrungsmittelkrise, gleichzeitig hat Pakistan mit rund 45 Prozent der Baumwollernte auch ein wichtiges Exportgut verloren. UN-Generalsekretär António Guterres erklärte nach einem Besuch in Pakistan:

Ich habe schon viele humanitäre Katastrophen in der Welt gesehen, aber noch nie ein Klima-Gemetzel in diesem Ausmaß. Mir fehlen einfach die Worte, um zu beschreiben, was ich heute gesehen habe: ein überschwemmtes Gebiet, das dreimal so groß ist wie die Gesamtfläche meines eigenen Landes, Portugal.

Guterres warb eindringlich für massive finanzielle Unterstützung für Pakistan.

Das ist nicht nur eine Frage der Solidarität oder Großzügigkeit. Es ist eine Frage der Gerechtigkeit.

Während das Land zum Teil noch unter Wasser steht, sind Attributionsforscher:innen zu ersten Ergebnissen gekommen, welche Rolle die Klimaerwärmung bei den nie dagewesenen Überschwemmungen gespielt hat. Die Überschwemmungen sind die direkte Folge eines extremen Monsuns, so die Wissenschaftler:innen. Die Regenfälle haben sich sowohl kurzfristig (über eine Phase von fünf Tagen) wie langfristig (bezogen auf eine Periode von 60 Tagen) verstärkt: im gesamten Indus-Becken über den 60-Tage-Zeitraum um 50 Prozent, für die kurze Periode in den Provinzen Sindh und Belutschistan sogar um 75 Prozent verglichen mit einer Welt ohne globale Erwärmung um 1,2 Grad.

Sowohl auf die kurze Dauer als auch über die vergangenen Monate gerechnet, handelt es sich um ein Ereignis, das normalerweise einmal in hundert Jahren vorkommt. In Sindh und Belutschistan fiel im August das Sieben- bis Achtfache der üblichen Regenmenge.

Das Extremwetter zeigt aber auch, wo aktuelle Klimamodelle an ihre Grenzen geraten, vor allem, wenn es um Regionen mit sehr besonderen Klimamustern geht, wie die an der westlichen Grenze der Monsunregion. Die Modelle zeigten im Allgemeinen, so die Forscher:innen,

eine viel geringere Veränderung der Wahrscheinlichkeit und Intensität extremer Niederschläge als der Trend, den wir in den Beobachtungen gefunden haben. Diese Diskrepanz deutet darauf hin, dass langfristige Schwankungen oder Prozesse, die von unserer Bewertung möglicherweise nicht erfasst werden, eine wichtige Rolle spielen können, so dass es nicht möglich ist, die Rolle des vom Menschen verursachten Klimawandels insgesamt zu quantifizieren.

Was die Zerstörungen angeht, so sind diese auch auf die sehr prekäre Situation vieler Menschen zurückzuführen, den Bau von Siedlungen und der landwirtschaftliche Anbau auf Überflutungsflächen, unangemessene Infrastruktur und ein nicht mehr zeitgemäßes Flussmanagement.

Damit wird die Katastrophe aber noch nicht zum hausgemachten Problemen, vielmehr zeigt sie, wie schlecht sich arme Länder auf die Risiken des Klimawandels vorbereiten können, obwohl sie besonders davon betroffen sind. Nach der Flutkatastrophe stellt sich jedoch in erster Linie die Frage, wer für Schäden und Verluste durch den menschengemachten Klimawandel aufkommen soll.

Das Thema "Schäden und Verluste" ist seit langem Streitthema zwischen den armen Ländern und den Industrieländern. Nach Informationen des Guardian wollen die am stärksten vom Klimawandel betroffenen Länder globale Steuern auf fossile Brennstoffe und besonders schädliche Aktivitäten wie Flugreisen oder das Verbrennen von Schweröl in der Schifffahrt einfordern. Die Einnahmen würden für einen Fonds für Schäden und Verluste verwendet. Das Thema soll laut Guardian diese Woche bei der Generalversammlung der Vereinten Nationen eingebracht werden.

Doch eigentlich sollten für die Schäden und Verluste diejenigen haften, die aus dem Verkauf fossiler Brennstoffe riesige Gewinne schöpfen. Die fünf größten Ölkonzerne beispielsweise, die in den letzten Jahren Milliardenprofite eingefahren haben und seit dem Beginn des Ukraine-Kriegs 55 Milliarden US-Dollar einheimsen konnten.

Einem Memorandum der Abgeordneten Carolyn B. Maloney und der Abgeordneten Ro Khanna zufolge steht hinter einem grünen Marketinganstrich der fossilen Konzerne keine Handlungsabsicht, beispielsweise wirbt Shell, dass sie einen Pfad zu null Emissionen einschlagen würden, laut internen E-Mails sei dies aber nicht Teil des Businessplans des Unternehmens. "Interne E-Mails und Leitfäden zeigen, dass die Klimazusagen von Big Oil auf unbewiesenen Technologien, buchhalterischen Spielereien und irreführenden Formulierungen beruhen, um die Realität zu verschleiern", so Khanna. In ihren Klimaverpflichtungen setzten die Unternehmen auf noch unerprobte Technologien, die alles andere als anwendungsreif seien.

Klagen gegen EU-Taxonomie

Greenwashing ist nicht nur gängige Praxis in der Öl- und Gasindustrie, sondern auch auf der politischen Bühne. Ein viel diskutiertes Beispiel für politisches Greenwashing ist die EU-Taxonomie, die Investitionen in Atomkraft und fossiles Gas als nachhaltig deklariert hat. Verschiedene Umweltorganisationen wollen nun den Rechtsweg gegen die EU-Taxonomie beschreiten.

So hat Greenpeace Deutschland die EU-Kommission per Antrag aufgefordert, die Klassifizierung von Erdgas und Atom als nachhaltig zurückzunehmen, andere Länderorganisationen von Greenpeace haben sich dem angeschlossen. Der sogenannte "Delegierte Rechtsakt", also der formale Entschluss der EU-Kommission zur Einbeziehung von Gas und Atom in die Taxonomie, verstoße gegen Unionsrecht. Wird der Rechtsakt nicht zurückgezogen, will Greenpeace vor den Europäischen Gerichtshof ziehen.

Ein ähnliches Verfahren streben Client Earth und der BUND an, bezogen auf die Klassifizierung von fossilem Gas als nachhaltig. Die Kernkraft wurde nur deshalb nicht in die Beschwerde einbezogen, weil die Organisationen in diesem Punkt nicht über genügend Fachwissen verfügten. Die Argumentation beider Beschwerdeverfahren bleibt die gleiche: Werden klima- und umweltfeindliche Technologien als nachhaltig deklariert, würden Investitionen in diese Bereiche fließen, statt für eine wirklich nachhaltige Energiewende zur Verfügung zu stehen. Die EU-Kommission habe, so die Kritik, mit ihrer Entscheidung sowohl gegen das europäische Klimagesetz als auch gegen die Taxonomie-Verordnung selbst verstoßen.

In Teilen problematisch bleibt auch die am vergangenen Mittwoch abgestimmte Neufassung der Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III). Darin wurde zwar das Ausbauziel für erneuerbare Energien bis 2030 auf 45 Prozent angehoben, doch nicht alles, was in der EU als erneuerbare Energie gilt, ist auch wirklich nachhaltig. Umweltorganisationen kritisieren schon lange, dass das Verbrennen von Waldholz in Kraftwerken gefördert wird.

Für die reine Stromerzeugung soll dies nun ein Ende haben, allerdings bleiben weiterhin zu viele Schlupflöcher bestehen, kritisiert etwa der NABU. Auch die weitere Förderung von Agrarkraftstoffen wird kritisch bewertet, auch wenn zumindest Kraftstoffe aus Palmöl und Soja nicht mehr als erneuerbar angerechnet werden sollen.

Kraftwerk Jänschwalde blockiert

In Deutschland bringt die verfehlte Energie- wie Sozialpolitik nicht nur Proteste für "Heizung, Brot und Frieden" hervor, sondern auch neue Klimaproteste. So blockierte eine Gruppe mit dem Namen "unfreiwillige Feuerwehr" am Montagmorgen das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde. Aktivist:innen ketteten sich an Kohleförderbändern an und blockierten die Gleise zwischen Tagebau und Kraftwerk. Die Kraftwerksleistung musste zeitweilig gedrosselt werden.

Die Gruppe protestiert nicht nur wegen der hohen CO2-Emissionen gegen das Kraftwerk, sondern in erster Linie wegen seines zu hohen Wasserverbrauchs:

Im März urteilte das Verwaltungsgericht Cottbus, dass der Tagebau Jänschwalde seinen Betrieb im Mai einstellen müsse: Die Trinkwasserversorgung der Region sei gefährdet, da für den Tagebau wiederholt zu viel Wasser abgepumpt worden sei. Im Falle der Reaktivierung der Kraftwerksblöcke E und F müssten der Spree jährlich zusätzlich 13 Millionen Kubikmeter Wasser zusätzlich entzogen werden, dadurch wäre die Trinkwasserversorgung von 2 Millionen Menschen in der Region in Gefahr. Im Zuge der energiepolitischen Debatten um den russischen Angriffskrieg wurde der Braunkohleabbau im Tagebau Jänschwalde nun allerdings doch weiterhin erlaubt.

In Berlin blockierten Aktivist:innen der Gruppen Extinction Rebellion und Aufstand der letzten Generation zentrale Kreuzungen in Mitte sowie den Potsdamer Platz. Vor dem Bundesumweltministerium stellten sie einen symbolischen Bohrturm auf. Die Proteste waren Teil der "Herbstrebellion", für Dienstag sind weitere Aktionen angekündigt.

Im Osten Frankfurts a. M. gab es am Wochenende eine Abseilaktion gegen den Ausbau der A66 und den Bau des Riederwaldtunnels, für den der Fechenheimer Wald weichen soll. Nach dem Vorbild Hambacher Forst finden dort zudem jeden Sonntag Waldspaziergänge statt.

Das alles ist vielleicht nur der Auftakt einer neuen Klimaprotestwelle in diesem Herbst. Für Freitag, den 23. September hat Fridays for Future im Bündnis mit zahlreichen anderen Nichtregierungsorganisationen einen neuen "Klimastreik" angesetzt. Im Aufruf werden dabei die falschen Lösungen der Energiekrise angeprangert:

Jetzt trommeln Teile von Regierung und Opposition für die alten Klima-Killer: Fracking, Kohle- und Atomkraft sollen das ausbleibende russische Gas ersetzen und Energiepreise eindämmen. Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit werden gegeneinander ausgespielt. Das lassen wir nicht zu!

Fridays for Future fordert aktuell von der Bundesregierung, ein Sondervermögen von 100 Milliarden Euro für den Klimaschutz, das nicht nur kurzfristige Entlastungen ermöglicht, sondern auch zukunftsgerichtete Maßnahmen wie den Ausbau des ÖPNV, Unterstützung bei der Gebäudesanierung und beim Zugang zu erneuerbaren Energien für alle. Ein Teil des Sondervermögens soll auch als Klimafinanzierung an Länder des globalen Südens gehen, berichtete die Tagesschau.

Dass auf neue Proteste der Klimabewegung auch harte Repression vonseiten des Staates folgen kann, zeigt der Fall zweier Aktivist:innen, die sich während der Automobilmesse IAA in München 2021 an einer Brücke über der Autobahn mit einem Banner angeseilt hatten. Die Staatsanwaltschaft München wirft den beiden Studierenden nun "Nötigung" in über tausend Fällen vor – weil der Verkehr auf der Autobahn wegen der Aktion angehalten wurde. Damit könnten den Beschuldigten Haftstrafen zwischen zwei und vier Jahren drohen, wie der Bayerische Rundfunk berichtet, und zwar auch aus politischem Kalkül, um für die Zukunft eine abschreckende Wirkung zu erzielen.

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