Sozialproteste für "Heizung, Brot und Frieden"

Die Montagsdemo vor der Bundesgeschäftsstelle der Grünen und die Diskussion über eine Querfront: Es kommt auf die Art der Kritik an. Ein Kommentar.

Seit Wochen wird über den heißen Herbst geredet und man hat den Eindruck, er wird vor allem zerredet. Die ideologischen und repressiven Staatsapparate warnen schon seit Wochen davor, dass angeblich rechte und linke "Extremisten" eine Querfront bilden könnten, was vor allem den Rechten gut gefällt.

Das rechte Compact-Magazin jubilierte denn auch schon, dass am Wochenende in Prag "eine Querfrontdemo gegen die Energiepreise" stattgefunden habe. Dort haben am Samstag sowohl Rechte als auch Teile der Traditionslinken gegen die hohen Energiepreise demonstriert. Viele sehnen sich nach einfachen Lösungen und wollen am liebsten die Zeit zurückdrehen vor den 24. Februar 2022.

Sie wollen die Beziehungen mit Russland wieder verbessern, damit wieder Gas fließt und der fossile Kapitalismus weiterwachsen kann. Dafür sind beispielsweise am Montagabend in Magdeburg Tausende auf die Straße gegangen. Dabei blenden sie die ganzen Ausbeutungsverhältisse des Kapitalismus ebenso aus wie die Warnungen der Klimabewegung, dass ein " Weiter so" bald nicht möglich sein wird.

In Berlin trafen sich am Montagabend ca. 1.000 Menschen vor der Bundesgeschäftsstelle der Grünen in Berlin zu einer Protestkundgebung unter dem Motto "Genug ist genug – protestieren statt frieren". Im Aufruf, der vor allen von der Organisation Naturfreunde organisierten Protest, wird in einfachen Worten der gegenwärtige Klassenkampf von oben beschrieben:

Es wird immer offensichtlicher: Die Zeche für Krieg und Krisen zahlen wir. Wir, die einfachen Leute, die Arbeiterinnen und Arbeiter, Handwerkerinnen und Handwerker, Angestellten, Arbeitslosen, kleinen Selbstständigen, Kleingewerbetreibenden, Geflüchteten und Armen. Wir, die diese Gesellschaft am Laufen halten, zahlen die Zeche, während sich die Superreichen und Großkonzerne die Taschen vollstopfen, Profite mit den Krisen.

Aus dem Aufruf Heizung, Brot und Frieden

Klare Abgrenzung nach rechts am Podium

Natürlich wurde auch im Vorfeld der Berliner Kundgebung die Befürchtung geäußert, dass der Protest von rechts instrumentalisiert werden könnte. Vom Podium wurde eine klare Abgrenzung nach rechts gezogen. Am deutlichsten von Ferat Kocak, der wegen seines antifaschistischen Engagements Opfer rechter Angriffe in Neukölln.

Aber auch andere Rednerinnen und Redner machten klar, dass Rechte keine Bündnispartner im Kampf gegen Sozialabbau sein könnten. Trotz dieser klaren Abgrenzung gab es einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer der Proteste, die Parolen trugen, die zumindest rechtsoffen waren.

Da wurde auf einigen Plakaten die Souveranität Deutschlands beschworen und die beiden Grünen-Politiker Baerbock und Habeck als "Volksverräter" bezeichnet. Das ist ganz klar ein rechtes Vokabular. Es ist ein Unterschied, ob man die Politiker als "Charaktermasken im Kapitalismus" bezeichnet, die glauben, sie haben Macht, wenn sie an der Regierung sind oder mit völkischen Vokabeln überzieht. War es richtig vor der Zentrale der Grünen zu demonstrieren?

Nach dem Abschluss der Kundgebung gab es noch Diskussionen, unter anderem über die Frage, ob es richtig war, dass Antifaschisten vermeintlich oder tatsächlich rechtsoffene Personen aus der Kundgebung drängten oder ob es besser gewesen sei, sie zu ignorieren. Einige stellen auch in Frage, ob die Zentrale der Grünen ein gutes Ziel für einen solchen Protest sei.

Mitte August gab es eine Protestkundgebung vor der Zentrale der FDP, bei der der FDP-Vorsitzende Lindner im Fokus der Kritik stand. Damals sagten schon einige Demonstranten, dass man mit der FDP anfange, aber auch alle anderen Regierungsparteien damit rechnen müssen, dass ihre Zentralen von Protestierenden besucht werden.

So ist es nur folgerichtig, dass jetzt die Grünen dran waren, die ja schließlich mit der FDP um das Bürgertum streiten. Dabei sind die Grünen sogar die gefährlichere und aggressivere Fraktion, weil hinter ihnen Teile des modernen, innovativen Kapitals stehen, wie es der sozialrevolutionäre Theoretiker Detlev Hartmann in verschiedenen Texten gut herausgearbeitet hat. Es ist frappant, dass Robert Habeck Hartmann direkt bestätigt hat, indem er sich zum Prinzip der schöpferischen Zerstörung im Sinne von Schumpeter bekennt.

Das nennt sich auch Disruption und ist eine Methode, wie die Kapitalisten mit Krisen umgehen. Der Umwelt-Journalist Berhard Pötter schreibt:

Habeck zitiert noch den Ökonomen Joseph Schumpeter, der von "schöpferischer Zerstörung" spricht, die bei grundlegenden Veränderungen das Alte abstreift und dafür Neues schafft.

Bernhard Pötter, taz

Hartmann wäre also durchaus ein Theoretiker, der eine sozialrevolutionäre Kritik an den Grünen formulieren könnte. Der könnte dort auch ausführen, dass eine solche Disruption, immer ein gewaltsamer Prozess war, der auch mit Kriegen verbunden ist. Es passt also zur Partei der Disruption, das sie auch zur Speerspitze der besonders kriegsbereiten Fraktion auf Seiten der Ukraine geworden ist.

Genauso kämen zahlreiche ehemalige Linksgrüne für eine solche Kritik infrage, die die Grünen bereits vor Jahrzehnten verlassen haben, weil sie nichts mit einer "grünen FDP" zu tun haben wollen, wie es die Ökosozialistin Jutta Ditfurth schon vor mehr als 25 Jahren formulierte.

Damals erntete sie für solche Feststellungen von großen Teilen der grünen Basis noch massive Kritik, weil ihr vorgeworfen wurde, sie würde damit übertreiben. Heute würde wohl kein Grüner mehr den Vergleich mit der FDP als Beleidigung sehen, sondern eher als Lob.