Wie Ostdeutsche zu Kranken erklärt werden

Seite 2: Wieso springen die Medien nicht über ihren Schatten?

Mit dem Versuch, etwas Unklares zu verstehen und zu erklären, hat zumindest Wellmer offenbar Schwierigkeiten:

Wenn ich Gespräche führe, dann habe ich manchmal den Eindruck: einige versuchen Putins Verhalten zu erklären, und damit ja das Verhalten eines Täters. Heute ich frage mich, warum sie sich überhaupt in diese Position begeben.

Jessy Wellmer

Mit einer solchen Haltung würde es eine keinzige Biografie über Hitler und Stalin geben – mit denen Putin nicht einmal ansatzweise gleichzusetzen ist.

Wellmer formuliert an einer Stelle "Skepsis gegenüber den Amerikanern oder sollte man gleich sagen: gegenüber dem Westen". Warum setzt sie beides gleich?

Diese Gleichsetzung ist bereits das Problem, sie enthüllt das, was manche Deutschen den hiesigen Verhältnissen vorwerfen: Dass Amerika und Deutschland nicht gleichberechtigte Bündnispartner mit gleichberechtigten Interessen sind, sondern Deutschland sich selbst gern als Vasall zeichnet.

Wellmer fragt, warum die Ostdeutschen, ihre "Heimat", "nicht über ihren Schatten springen". Das kann man fragen. Die umgekehrte Frage kommt Jenny Wellmer aber nie: Wieso die Medien nicht über ihren Schatten springen? Wieso die Westdeutschen nicht über den Schatten springen?

Das Übergewicht von USA-freundlichen Thinktanks und US-Lobbyisten bei den Öffentlich-Rechtlichen

Offenbar müssen sie das nicht. Öfter wird direkt oder indirekt gesagt, dass Medien, die sich russlandfreundlich äußern, "von Russland gesteuert" seien. Vielleicht ist das so, ja, dafür spricht einiges. Aber gibt es gar keine Kanäle, die von den USA gesteuert sind?

Wird man nicht bei einer Untersuchung der Interviewpartner und Gäste in Gesprächsrunden und Talkshows schnell erkennen, dass dort ein klares Übergewicht von USA-freundlichen Thinktanks, der Atlantikbrücke und US-Lobbyisten vertreten ist? Dass dort, wenn auch in geringerer Zahl, auch Russland-Lobbyisten, hingegen Vertreter einer US-unabhängigen EU oder der Friedensbewegung kaum auftreten – Ausnahmen sind Prominente wie Klaus von Dohnanyi oder Alice Schwarzer.

Das muss aber die Frage sein. Wo ist in dieser ARD-Sendung seriöse Medienkritik?

Indem sie kaum vorkommt und dort, wo das passiert, zum "Querdenkerthema" ehemaliger NVA-Offiziere heruntergestutzt wird, wird USA-Kritik im öffentlich-rechtlichen Fernsehen delegitimiert.

Dabei entschuldigt kaum ein Ostdeutscher Putin und den Angriffskrieg. Wo sich die Meinungen unterscheiden, ist die Frage der Beurteilung der Ukraine und ihrer Politik, der Rolle der USA im Anheizen des Konflikts und der Frage, was "Sieg der Ukraine" bedeuten könnte, wann und ob nicht endlich Diplomatie einsetzen sollte, um den Krieg zu beenden.

Und außerdem darüber, dass man nach einem Kriegsende wieder (weiterhin) Wirtschaftsbeziehungen mit Russland unterhalten sollte.

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