Wie Propaganda Kriege möglich macht
Ein Kommentar zum medialen Einheitsdenken in Italien und dem ukrainisch-russischen Propagandakrieg
Da in allen Sendungen immer mindestens einer der Gäste Pazifist ist, könnte man annehmen, es gäbe in den italienischen Medien kein linientreues Einheitsdenken. Nicht etwa aus Gründen einer ausgewogenen Debatte oder einer objektiven Berichterstattung werden Talkshows und Debatten derart arrangiert, sondern vielmehr, weil sie immer mehr zu Unterhaltungssendungen degradiert werden, mit einem Drehbuch, einem oder mehrerer Drehbuchautoren und einem zu befolgenden Plot.
Dieser ist für jedes dramatische Werk fundamental, gibt er doch den Handlungsverlauf vor. Wie bei jedem Film bestimmt der Autor, mit wem sich der Zuschauer zu identifizieren hat, ob mit dem Helden, dem Antihelden oder der kleinen, unwichtigen Nebenfigur.
Gleichwohl die verschiedenen Positionen vertreten sind, bleibt die Zensur dennoch erhalten. Sie heißt jetzt eben nur anders, nämlich redaktionelle Ausrichtung. Was von ihr abweicht, hat keine Daseinsberechtigung oder wird schlichtweg nicht berücksichtigt, bzw. verschwiegen. So wird auch verhindert, dass Drehbuchautoren zum Einsatz kommen, die den Anspruch erheben, all ihre Grundrechte frei auszuüben, bzw. ausüben zu lassen.
In jedem Drama wird ein Antagonist benötigt
Es gibt immer einen, der gegen den Krieg ist, weil in jedem Drama ein Antagonist benötigt wird. Die Figur des Antagonisten ist daher von grundlegender Bedeutung: Sie erzeugt Spannung, weckt Interesse und hält den Grad der Aufmerksamkeit konstant hoch.
Durch die Anwesenheit eines anscheinend begriffsstutzigen Antagonisten lässt sich außerdem auch das konstante Wiederholen des offiziellen, des politisch korrekten Standpunktes rechtfertigen.
Überzeugungskampagnen ersetzen somit die demokratisch-paritätische Konfrontation, die eigentlich wünschenswert und unabdingbar wäre. Was derzeit die Pazifisten sind, waren in den Augen der Autorin vor Kriegsausbruch noch die sogenannten Querdenker. Diese heterogenen Gruppierungen erfüllen dieselbe dramaturgische Funktion: die des Antagonisten.
Ernsthafte TV-Sendungen werden hingegen oft einfach ignoriert. Wie soll sich der irritierte Zuschauer eine Meinung bilden können, wenn er beinahe zufällig von der Doppelmoral der Nato erfährt, der Mainstream allerdings den Krieg als einen einseitigen Angriff darstellt, der sich nur durch Putins Wahnsinn erklären lässt?
Unsere Emotionen und Ängste werden ganz bewusst provoziert und manipuliert, da Propaganda per se keine Überzeugungskraft hat, sondern nur durch das Schüren von Ängsten funktionieren kann.
Ebenso beängstigend ist der Umgang mit Personen, die sich öffentlich gegen den Krieg aussprechen und jedes Mal mühselig beweisen müssen, nicht auf der Seite des Feindes zu sein. Werden russische Journalisten in vermeintlich freiheitliche Sendungen eingeladen, wird das Schauspiel sogar zur Farce. Sie werden mit Fragen über die fehlende Informationsfreiheit in Russland und die Verfolgung von Journalisten regelrecht schikaniert.
Wenn ein italienischer Journalist allerdings nur einen Millimeter vom vorherrschenden Einheitsgedanken abweicht, landet er zwar nicht im Gefängnis, es könnte ihn aber durchaus seine Karriere kosten oder Digos-Agenten (Abteilung für allgemeine Ermittlungen und Sonderoperationen) könnten um sechs Uhr morgens vor seiner Tür stehen, um seine Wohnung zu durchsuchen oder Computer und Handy zu konfiszieren.
80 Prozent der Italiener haben sich gegen den Krieg ausgesprochen
Diktaturen zeichnen sich als Regimes aus, in denen Bürger für ihre Meinung verfolgt werden. Das trifft auf das "demokratische" Italien natürlich nicht zu. Nein, im "demokratischen" Italien herrscht Meinungsfreiheit, und jede Meinung zählt! Gerade deshalb und weil 80 Prozent der Italiener sich gegen den Krieg ausgesprochen haben, setzt Draghi seinen Außenpolitkurs eisern fort, besteht weiter auf Sanktionen und Waffenlieferungen.
"Mit Waffen an die Ukraine verteidigen wir unsere Werte, Europa macht bereits sehr viel", argumentiert er. Und noch im gleichen Atemzug: "Der Frieden muss um jeden Preis angestrebt werden."
Das ist pure kognitive Verzerrung. Allerdings ist das derselbe Mann, der die Italiener vor die Wahl zwischen einer laufenden Klimaanlage und dem Weltfrieden gestellt hat. Die italienische Regierung scheint in absoluten Kategorien zu denken.
In dieses Bild passt auch der italienische vierstufige Friedensvorschlag, den Moskau bereits abgelehnt hat (Moskau: "Italiens Friedensplan ist nicht seriös"). Er passt in dieses Bild, da er die Rolle des Antagonisten gespielt hat.
Ein gutes Drehbuch braucht mehrere Plots und Subplots, Protagonisten und Gegenspieler, ohne die die gesamte Erzählung in sich zusammenfällt, da jede Handlung auf ein spannungsreiches, dramaturgisches Bezugssystem zwischen Hauptdarsteller und Antagonisten aufbaut.
In diesem Sinne freuen wir uns bereits auf das Einspielen der nächsten Kriegsszenen in Form von Videospielen.