Wie Uri Geller den Dritten Weltkrieg verhinderte
Seite 3: Comeback in Deutschland
In unserer ja so zuverlässigen deutschen Presse wird stets die Mär wiedergekäut, Geller sei vom Showmaster Wim Thoelke in dessen ZDF-Show "Drei mal Neun" entdeckt worden. Gellers Auftritt am 7. Januar 1974 bei Thoelke markierte jedoch nur den Beginn der Gellermania im deutschen Fernsehen. Werner Schmid ebnete den Weg und Geller zauberte bei Thoelke, dass sich die Gabeln bogen.
Wie beliebig dick man auftragen konnte bewies das an Dreistigkeit schwer zu überbietende Uhrenexperiment: Geller hatte dazu aufgefordert, kaputte Uhren aufzuziehen. Dass man Geller, der selbst aus kurzer Distanz nur mit Mühe gerade einmal eine Kompassnadel "durch Psychokinese" bewegen konnte, eine so komplexe Aufgabe wie die psychokinetische Reparatur einer Uhr zutraute, war schon Widerspruch genug. Dass man aber Geller die groteske Vorstellung abnahm, er könne gleichzeitig tausende Uhren reparieren, und das auch noch landesweit, erlaubt Rückschlüsse auf die Macht der Medien. Was immer auch die Zuschauer erlebt haben wollen, unter ernst zu nehmenden Testbedingungen hat Geller keine einzige Uhr repariert, nicht einmal einen Löffel verbogen.
Einer US-Studie zufolge sollen über 50% aller funktionsunfähigen Uhren nach dem Aufziehen für einige Momente wieder ticken, u.a. wegen Erwärmen von eingetrocknetem Öl durch die Körperwärme. Besteck verbog sich in der Küchenschublade - so jedenfalls interpretierte mancher die ihm erstmals bewusste Tatsache, dass jeder Löffel eine Biegung hat. Glühbirnen platzten. Gegenstände fielen um. Und Ursache war natürlich Geller. Manche forderten gar vom ZDF Schadensersatz. Für die deutschen Wissenschaftler posierte der Psychologe Prof. Dr. Hans Bender vom Freiburger Institut für Grenzwissenschaften, der in Geller den von ihm jahrzehntelang vergeblich gesuchten Beweis für PSI sah.
"Der Spiegel" widmete Geller am 28. Januar 1974 eine Titelstory, informierte allgemein über PSI-Phänomene, interviewte Prof. Rhine und bemühte die Bundesanstalt für Materialprüfung. Diese verglich eine von Geller gebrochene Gabel mit einer identischen, die man mit Quecksilbernitratlösung benetzte und dadurch so spröde machte, dass geringes Bewegen zum Bruch führte. Die entstandene Bruchfläche glich bei der rasterelektromikroskopischen Untersuchung der von Gellers Gabel. Man ließ auch den Trickexperten Werner Geißler-Werry zu Wort kommen. Dennoch rang sich das Hamburger Nachrichtenmagazin nicht zu einer eindeutigen Bewertung von Geller durch. Die Zeitschrift, die sich dem investigativen Journalismus verschrieben hatte, war damit überfordert, Gellers in der Presse gut dokumentierte Skandale in Israel und den USA zu recherchieren. Eine Entzauberung wäre wohl dem Absatz abträglicher gewesen als die Sensation.
"Die Zeit" lobte erfolglos ein Preisgeld von 100.000 DM für jedermann aus, der unter Kontrollbedingungen einen Löffel verbiegen könne. Sogar im Bundestag war Geller ein Thema: Der Abgeordnete Dr. Meinecke warnte die Bundesregierung vor parapsychischen Epidemien. Die Regierungsparteien begrüßten stattdessen jedoch die zu erwartende Absatzsteigerung in der Besteckindustrie, welche mögliche Beschäftigungsrückgänge im Uhrmacherhandwerk auffingen.
Österreich und Schweiz
Zu einem TV-Auftritt in Wien reiste Geller 1974 der deutsche Zauberkünstler Marvelli nach, der ihn schon in Hamburg gesehen hatte. Kurz vor der Show versuchte der ORF unter Vorwänden, Marvelli auszusperren, woraufhin dieser mit einer spontanen Pressekonferenz drohte. Unter der Bedingung, er dürfe sich nicht vom Platz erheben, gewährte man ihm Einlass, setzte ihm jedoch einen nervösen Bewacher zur Seite. Die Technische Hochschule Wien untersuchte einen von Geller verbogenen Schlüssel, wobei sie als Alternative zu PSI-Kräften nur eine chemische Beeinflussung in Erwägung zog, für die sie keine Anhaltspunkte fand.
Viele Experimente des inzwischen in die Kritik geratenen Wunderkindes misslangen vor der Kamera, funktionierten jedoch in der Garderobe. Der angebliche Fotograf Shipi Shtrang wurde von Journalisten als Komplize verdächtigt. Die kommunistische Wiener Volksstimme sah in Geller gar den "Gesundbeter der Bourgeoisie" und argwöhnte, man müsse "die Weisheit nicht mit dem Löffel gefressen haben, auch nicht mit verbogenem, um zu bemerken, dass ausgerechnet zum Zeitpunkt einer weltweiten Isolierung des Aggressors Israel und des militärpolitischen Debakels der Regierung Meir-Dayan der ehemalige israelische Fallschirmspringer im Sechstagekrieg Uri Geller als unterschwellige psychologische Wunderwaffe eingesetzt" würde.
Die Annahme, eine Regierung gehe in modernen Zeiten das Risiko ein, einen für Enthüllung anfälligen Gaukler an die Medienfront zu schicken, ist jedoch abwegig. (Ähnliches hatte allerdings ein Jahrhundert zuvor Frankreich mit Jean Eugène Robert-Houdin im Algerienkrieg praktiziert.) Für das Schweizer Fernsehen SRG verbog Geller eine Schöpfkelle, was von eidgenössisch präzisen Experten als Ermüdungsbruch bewertet wurde.
Comeback in Israel
Geller gelang nach seinen Auslandsgastspielen ein Comeback in Israel. Der prominente konservative Publizist Ephraim Kishon verwandte sich für Geller und griff in seiner täglichen Kolumne in Israels bedeutendster Zeitung "Maariv" Gellers Kritiker an: "Wenn Uri das erstaunliche Phänomen ist, an das zu glauben wir tendieren, oder der größte Gauner aller Zeiten ist, er verdient unsere Bewunderung. Diejenigen neidischen Israelis, die es nicht ausstehen können, wenn ein Israeli im Ausland Erfolg hat, können so grün werden wie eine saure Weintraube. Sie haben ihren Kampf gegen Uri ein für alle mal verloren."
Die Erklärung für Kishons Parteinahme mag in einem Netzwerk der Exil-Ungarn zu suchen sein. Geller verbreitete pressewirksam eine Story über einen Besuch beim israelischen Botschafter in London, der ihn davon abgehalten habe, Botschaftsbesteck - also Staatseigentum - zu beschädigen.