Wie Viktor Orbán zum Problem für die USA wurde

Seite 2: Ungarn als rechtsextremes Erfolgsmodell

Trump sagt nun: Schaut auf Ungarn, was Orbán dort seit 14 Jahren erfolgreich praktiziert, das können wir in den USA auch. Wenn er die Demokratie zerstören kann, dann können wir das auch.

Das zweite Problem ist Orbáns Positionierung im Ukraine-Krieg und seine Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der US-Botschafter Pressman warnte Ungarn vor den Gefahren, die Beziehungen zu Russland auszubauen.

Wenn das die politische Entscheidung Ungarns ist – und es wird immer deutlicher, dass das der Fall ist, mit der sechsten Reise des Außenministers nach Russland seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine, mit seiner nächsten Reise nach Russland, die in zwei Wochen geplant ist, nach seinem Treffen mit dem russischen Außenminister Anfang dieses Monats und dem eigenen Treffen des Premierministers mit Wladimir Putin in China – werden wir entscheiden müssen, wie wir unsere Sicherheitsinteressen am besten schützen, die als Verbündete unsere kollektiven Sicherheitsinteressen sein sollten.

Ungarn war von Anfang an ein Haupttreiber, der in Bezug auf die Ukraine-Politik der Nato unter Führung der USA Spaltungen in Europa erzeugte. Budapest weigerte sich, Waffen an die Ukraine zu liefern, befürwortete Friedensgespräche als Lösung für den Krieg, kritisierte die Sanktionen gegen Russland und blockierte bei dem Nato-Beitritt von Finnland und Schweden.

Nähe zu Putin, Kritik an Ukraine

Am 25. September 2023 kündigte Orbán an, die Ukraine in internationalen Angelegenheiten nicht mehr zu unterstützen.

Ungarns Regierung liegt mit der Ukraine zudem wegen eines Gesetzes im Streit, das den Gebrauch von Minderheitensprachen in der Ukraine einschränkt. Ungarn behauptet, dieses Gesetz verletze die Rechte der ethnischen Ungarn in der Ukraine, Ungarisch zu sprechen, insbesondere im Bildungswesen.

Die "Abweichungen" Ungarns vom westlichen Ukraine-Kurs sieht man in Washington als eine Gefährdung für die Geschlossenheit an. Denn sie könnten ansteckend wirken, vor allem auf andere osteuropäische Länder, wo ebenfalls ein anderer Kurs gegen Russland immer lauter gefordert wird.

In der Slowakei schimpft bereits der neue Premier Robert Fico, im Schulterschluss mit Orbán, über Ukraine-Hilfen, die Korruption in Kiew, über die EU und die USA.

Aber es gibt noch ein grundsätzlicheres Problem, dass die USA mit Ungarn haben. Denn die Allianz Trump-Orbán wird zunehmend zu einer alternativen transatlantischen Brücke, die die Rechtsextremen in Europa mit denen in den USA verbinden.

Die alternative transatlantische Brücke

Denn hinter Orbán stehen andere rechtsextreme Kräfte in anderen EU-Mitgliedsstaaten, von den Niederlanden über Deutschland bis nach Italien und Frankreich. Sie besetzen national erfolgreich die Lücken, die die Liberalen in den USA und die Sozialdemokratie in Europa in den letzten Jahrzehnten hinterlassen haben.

Überall wurden die Interessen und Bedürfnisse eines großen Teils der Bevölkerung, der Arbeiter:innen, übergangen, missachtet oder auch verraten. Die Reallöhne sanken dabei oder stagnierten, der Sozialstaat wurde "verschlankt". Gleichzeitig geht es den Kapitaleignern, Reichen und Wohlhabenden so gut wie nie zuvor, während die Politik vor allem auf EU-Ebene zuschaut, wie von ihnen Profite in Steueroasen geparkt werden.

Diese Lücken besetzen Trump, Orbán und Co. als selbsterklärte "Anwälte der kleinen Leute", rhetorisch zumindest. In der Praxis sieht es anders aus, siehe die Eine-Billionen-Dollar-Steuerreform Trumps in seiner Amtszeit, die die obersten Schichten massiv entlastete, während die Finanzierung über Sozialkürzungen eingebracht wird.

Bidens Antwort auf den Orbán-Besuch bei Trump zeigt aber auch, dass die andere Seite weiter unfähig ist, ein echtes Gegenangebot für die Bevölkerung zu präsentieren und die Lücke ernsthaft zu schließen. Das einzige Rezept ist bisher: Schaut her, wir sind die Verteidiger der Demokratie, dort sind die Anti-Demokraten.

Die Lücke wird von etablierten Parteien weiter nicht geschlossen

Aber damit wird der materielle, soziale und politische Frust der Menschen nicht adressiert. Sie sehen ja, dass auch die etablierten Parteien es im Zweifelsfall nicht so genau mit der Demokratie nehmen. So sind Ihre Ansichten und Wünsche vom politischen Kurs dieser Parteien in den letzten Jahrzehnten ständig übergangen worden.

Daher braucht es eine grundsätzlichere Kursänderung der Regierungsparteien in Europa und den USA. Denn die frustrierten Menschen wollen sehen und konkret spüren, dass Demokratie sich für sie auch lohnt.

Dafür braucht es einerseits eine Friedenspolitik, statt weitere Aufrüstung und Eskalation von Konflikten und Kriegen, und andererseits eine sozialpolitische und ökonomische Agenda, die gute, nachhaltige Jobs schafft.

Stattdessen steigen Biden, Scholz und Co. in einen Kulturkampf ein, den sie auf lange Sicht ohne echte Kursänderung nicht gewinnen werden, während sie die Anti-Migrationsoffensiven der Rechten nur kopieren. Aber rechtsextreme Parteien sind viel besser darin, die gesellschaftlichen Probleme auf Sündenböcke abzuwälzen.

Solange das so ist, werden Orbán und Ungarn weiter ein Problem für die USA, und auch Europa, bleiben.