Wie Viktor Orbán zum Problem für die USA wurde

Orban zu Besuch bei Trump in Florida. Bild: X, Victor Orban

US-Botschafter in Ungarn droht Orbán. Auslöser ist ein Besuch bei Trump. Warum hinter Schlagabtausch Kampf um eine alternative transatlantische Brücke steckt.

Der US-Botschafter in Ungarn sagte gestern in einer Rede, dass Washington auf Budapests "gefährlich verstörende antiamerikanische Botschaften" und "wachsende Beziehungen zu Russland" reagieren werde.

Es war eine außergewöhnlich Rede, die David Pressman in Budapest hielt. Er kritisierte in scharfen Tönen die Außenpolitik der ungarischen Regierung unter Ministerpräsident Viktor Orbán, die Aushöhlung von demokratischen Institutionen in Ungarn und die Einmischung in die Präsidentschaftswahlen in den USA, indem Orbán öffentlich dazu aufgerufen habe, dass der amtierende US-Präsident bei den Wahlen besiegt werden müsse.

Großer Anführer eines "illiberalen Staats"

Auslöser der heftigen diplomatischen Reaktion der US-Regierung ist ein Treffen von Orbán mit Joe Bidens Herausforderer, dem amerikanischen Ex-Präsidenten Donald Trump, in seinem Anwesen Mar-a-Lago in Florida vor einer Woche. Trump sagte bei der Vorstellung seines Gasts, bevor er die Bühne betrat:

Es gibt niemanden, der besser, klüger oder ein besserer Führer ist als Viktor Orbán, der fantastisch ist. Er ist eine unumstrittene Figur, denn er sagt: "So wird es sein, und damit ist Schluss", richtig? Er ist der Boss.

Trump bezeichnete ihn als einen "großen Anführer" und einen "fantastischen Leader". Im Dezember 2023 hatte Trump erklärt, dass er im Falle seiner Wahl im Jahr 2024 wie ein Diktator handeln würde, allerdings "nur am ersten Tag".

Vor seiner Reise nach Florida machte Orbán, der Ungarn seit seiner Machtübernahme im Jahr 2010 als "illiberalen Staat" (seine Bezeichnung) regiert, einen Zwischenstopp in Washington D.C., wo er mit führenden Vertretern der rechtsextremen Heritage Foundation zusammentraf, ein wichtiger Verbündeter Trumps. Die Stiftung hat das Projekt 2025 entworfen, einem "Schlachtplan" für die Einführung von "Autoritarismus" in den Vereinigten Staaten, falls der ehemalige Präsident eine zweite Amtszeit gewinnen sollte.

Biden: Orbán strebt eine Diktatur an

Biden gab sich ebenfalls kämpferisch. Bei einem Wahlkampfauftritt sagte er: "Wissen Sie, mit wem sich [Trump] heute in Mar-a-Lago trifft? Orbán aus Ungarn, der ganz offen gesagt hat, dass er nicht glaubt, dass die Demokratie funktioniert, sondern dass er eine Diktatur anstrebt".

Biden fügte hinzu, er kämpfe für eine Zukunft, "in der wir die Demokratie verteidigen und nicht abbauen".

Wie konnte es soweit kommen, dass das relativ betrachtet unbedeutende, kleine osteuropäische Land zu einem Problem für die USA werden konnte?

Ein Grund ist natürlich, dass die Biden-Regierung in den USA Orbán tatsächlich die Fähigkeit zuzuschreiben scheint, Trump bei den Wahlen zu helfen. Und das liegt wiederum daran, dass das ungarische Modell zu einer Art Erfolgs- und Vorzeigemodell für Rechtsextreme auch in den USA geworden ist.

Der Aufstieg von Orbán

Orbán regiert schon seit 2010 das Land, transformierte es, wie der Regierungschef selbst stolz verkündet, zu einem "illiberalen Staat", einer Nichtdemokratie mitten in der Europäischen Union.

Für den ehemaligen ungarischen Parlamentsabgeordneten, Gábor Scheiring, der nun an der Harvard University lehrt, profitierte Orbán als "starker Mann" in hohem Maße von einem "landesweiten rechten Mediennetzwerk", das seine Agenda widerspiegelte. Dabei sei er in der Lage gewesen, "die Demokratie von innen heraus zu untergraben", und zwar auf eine Weise, die Parallelen zu den Vereinigten Staaten aufweist.

Mit Hilfe einer gefügigen Justiz, manipulativen Wahlkreisverschiebungen, einer Partei, die aus Hardcore-Loyalisten besteht, und rechten Medien-Echokammern, so Scheiring weiter, schafft dieser "Autoritarismus von innen heraus Druckpunkte, an denen die Opposition zwar nicht völlig zerschlagen werden konnte", aber "unter Atemnot kam".

Aufgrund der ökonomischen Schieflagen, unter denen viele Menschen in Ungarn wie in den USA leiden, erzeugt durch neoliberale Agenden und eine unfaire kapitalistische Globalisierung, konnte Orbán den Frust vieler Menschen für sich ausnutzen.

Ungarn als rechtsextremes Erfolgsmodell

Trump sagt nun: Schaut auf Ungarn, was Orbán dort seit 14 Jahren erfolgreich praktiziert, das können wir in den USA auch. Wenn er die Demokratie zerstören kann, dann können wir das auch.

Das zweite Problem ist Orbáns Positionierung im Ukraine-Krieg und seine Nähe zum russischen Präsidenten Wladimir Putin. Der US-Botschafter Pressman warnte Ungarn vor den Gefahren, die Beziehungen zu Russland auszubauen.

Wenn das die politische Entscheidung Ungarns ist – und es wird immer deutlicher, dass das der Fall ist, mit der sechsten Reise des Außenministers nach Russland seit dem Einmarsch Russlands in der Ukraine, mit seiner nächsten Reise nach Russland, die in zwei Wochen geplant ist, nach seinem Treffen mit dem russischen Außenminister Anfang dieses Monats und dem eigenen Treffen des Premierministers mit Wladimir Putin in China – werden wir entscheiden müssen, wie wir unsere Sicherheitsinteressen am besten schützen, die als Verbündete unsere kollektiven Sicherheitsinteressen sein sollten.

Ungarn war von Anfang an ein Haupttreiber, der in Bezug auf die Ukraine-Politik der Nato unter Führung der USA Spaltungen in Europa erzeugte. Budapest weigerte sich, Waffen an die Ukraine zu liefern, befürwortete Friedensgespräche als Lösung für den Krieg, kritisierte die Sanktionen gegen Russland und blockierte bei dem Nato-Beitritt von Finnland und Schweden.

Nähe zu Putin, Kritik an Ukraine

Am 25. September 2023 kündigte Orbán an, die Ukraine in internationalen Angelegenheiten nicht mehr zu unterstützen.

Ungarns Regierung liegt mit der Ukraine zudem wegen eines Gesetzes im Streit, das den Gebrauch von Minderheitensprachen in der Ukraine einschränkt. Ungarn behauptet, dieses Gesetz verletze die Rechte der ethnischen Ungarn in der Ukraine, Ungarisch zu sprechen, insbesondere im Bildungswesen.

Die "Abweichungen" Ungarns vom westlichen Ukraine-Kurs sieht man in Washington als eine Gefährdung für die Geschlossenheit an. Denn sie könnten ansteckend wirken, vor allem auf andere osteuropäische Länder, wo ebenfalls ein anderer Kurs gegen Russland immer lauter gefordert wird.

In der Slowakei schimpft bereits der neue Premier Robert Fico, im Schulterschluss mit Orbán, über Ukraine-Hilfen, die Korruption in Kiew, über die EU und die USA.

Aber es gibt noch ein grundsätzlicheres Problem, dass die USA mit Ungarn haben. Denn die Allianz Trump-Orbán wird zunehmend zu einer alternativen transatlantischen Brücke, die die Rechtsextremen in Europa mit denen in den USA verbinden.

Die alternative transatlantische Brücke

Denn hinter Orbán stehen andere rechtsextreme Kräfte in anderen EU-Mitgliedsstaaten, von den Niederlanden über Deutschland bis nach Italien und Frankreich. Sie besetzen national erfolgreich die Lücken, die die Liberalen in den USA und die Sozialdemokratie in Europa in den letzten Jahrzehnten hinterlassen haben.

Überall wurden die Interessen und Bedürfnisse eines großen Teils der Bevölkerung, der Arbeiter:innen, übergangen, missachtet oder auch verraten. Die Reallöhne sanken dabei oder stagnierten, der Sozialstaat wurde "verschlankt". Gleichzeitig geht es den Kapitaleignern, Reichen und Wohlhabenden so gut wie nie zuvor, während die Politik vor allem auf EU-Ebene zuschaut, wie von ihnen Profite in Steueroasen geparkt werden.

Diese Lücken besetzen Trump, Orbán und Co. als selbsterklärte "Anwälte der kleinen Leute", rhetorisch zumindest. In der Praxis sieht es anders aus, siehe die Eine-Billionen-Dollar-Steuerreform Trumps in seiner Amtszeit, die die obersten Schichten massiv entlastete, während die Finanzierung über Sozialkürzungen eingebracht wird.

Bidens Antwort auf den Orbán-Besuch bei Trump zeigt aber auch, dass die andere Seite weiter unfähig ist, ein echtes Gegenangebot für die Bevölkerung zu präsentieren und die Lücke ernsthaft zu schließen. Das einzige Rezept ist bisher: Schaut her, wir sind die Verteidiger der Demokratie, dort sind die Anti-Demokraten.

Die Lücke wird von etablierten Parteien weiter nicht geschlossen

Aber damit wird der materielle, soziale und politische Frust der Menschen nicht adressiert. Sie sehen ja, dass auch die etablierten Parteien es im Zweifelsfall nicht so genau mit der Demokratie nehmen. So sind Ihre Ansichten und Wünsche vom politischen Kurs dieser Parteien in den letzten Jahrzehnten ständig übergangen worden.

Daher braucht es eine grundsätzlichere Kursänderung der Regierungsparteien in Europa und den USA. Denn die frustrierten Menschen wollen sehen und konkret spüren, dass Demokratie sich für sie auch lohnt.

Dafür braucht es einerseits eine Friedenspolitik, statt weitere Aufrüstung und Eskalation von Konflikten und Kriegen, und andererseits eine sozialpolitische und ökonomische Agenda, die gute, nachhaltige Jobs schafft.

Stattdessen steigen Biden, Scholz und Co. in einen Kulturkampf ein, den sie auf lange Sicht ohne echte Kursänderung nicht gewinnen werden, während sie die Anti-Migrationsoffensiven der Rechten nur kopieren. Aber rechtsextreme Parteien sind viel besser darin, die gesellschaftlichen Probleme auf Sündenböcke abzuwälzen.

Solange das so ist, werden Orbán und Ungarn weiter ein Problem für die USA, und auch Europa, bleiben.