Wie Zuwanderer dem deutschen Arbeitsmarkt nützen sollen

Seite 2: Blinder Fleck der Flüchtlings- und Migrationsbewegung

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Es dürfte nicht überraschen, dass solche Forderungen nicht im Interesse der deutschen Wirtschaft stehen und daher von ihren Lobbyverbänden nicht vertreten werden. Erklärungsbedürftiger ist schon, warum auch die Flüchtlingsbewegung diese Forderungen kaum stellt. Auch dort wird eher der Schwerpunkt auf die Integration der Zuwanderer in die deutsche Gesellschaft gelegt und die Integration in den deutschen Arbeitsmarkt gehört dazu.

Diskussionen über eine Qualifikation, die den Migranten auch in ihren Herkunftsländern nützen könnten, hört man weniger. Das könnte daran liegen, dass man fürchtet, mit einer solchen Diskussion Kräfte zu bestätigen, die sich gegen die Aufnahme von Migranten richten. Aber die Befürchtung ist dann gegenstandslos, wenn man die Bedürfnisse der Zuwanderer zur Grundlage nimmt.

Diejenigen, die dauerhaft in Deutschland bleiben wollen, sollen natürlich die Möglichkeit dazu haben. Aber die Interessen, derjenigen, die das gar nicht wollen, sollten auch besser berücksichtigt werden. In der Flüchtlingsbewegung und bei den Unterstützern wird sehr berechtigt das Recht auf Flucht und Migration propagiert. Doch es sollte ergänzt werden durch das Recht aller Menschen, auch in ihren Herkunftsländern ein Leben ohne Angst und Not führen zu können.

Für eine transnationale Gewerkschaftsarbeit

Die Frage nach den Arbeitsbedingungen, der Höhe der Löhne und der Arbeitsrechte ist dabei ein wichtiger Bestandteil. Das betrifft Arbeitsverhältnisse in Deutschland ebenso wie in den Heimatländern der Menschen. Doch das waren nie Geschenke und Zugeständnisse, sondern immer Ergebnisse von Kämpfen in Gewerkschaften und anderen Organisationen der Arbeiterbewegung.

Es ist klar, dass Unternehmer wenig Interesse an starken und durchsetzungsfähigen Gewerkschaften haben. Aber Organisationen und Menschen, die Geflüchtete und Migranten unterstützen, müssten dieses Interesse haben.

Es gibt ein gutes Beispiel einer solchen transnationalen Gewerkschaftsarbeit. Es war der Masseneintritt von Geflüchteten in die Dienstleistungsgewerkschaft verdi in Hamburg 2013, der die die Diskussion um eine Gewerkschaftsmitgliedschaft ohne Migrationskontrolle angeregt und auch die Grenzen der DGB-Gewerkschaften aufgezeigt hat.

Es müsste ein zentraler Teil von solidarischer Flüchtlingsarbeit sein, die Position der kämpferischer transnationalen Gewerkschaftsarbeit in- und außerhalb des DGB stark zu machen. Dann würden die niedrigschwelligen Arbeitsgelegenheiten für die Unternehmen nicht mehr so attraktiv, es würde auch ein Dumpingwettbewerb im Lohnsegment verhindert und die Migranten hätten eine Erfahrung gemacht, die ihnen in Deutschland genauso wie in ihren Heimatländern nützlich ist: Solidarität ist unabhängig von der Herkunft möglich. Die Arbeitgeber in Deutschland und anderswo dürften mit den Arbeitnehmern dann nicht mehr so zufrieden sein.