Wie der BND die deutschen Medien steuerte
Seite 3: Von Hofberichterstattern
Ist es Teil des Problems, dass sich heutzutage viele Journalisten zu regelrechten "Hofberichterstattern" von Diensten und Politik machen? Dass es also kaum mehr kritische Distanz gibt zwischen den "nationalen Interessen", wie sie die Geheimdienste vertreten, und dem Allgemeinwohl jenseits nachrichtendienstlicher Sichtweisen?
Erich Schmidt-Eenboom: Ich kann nicht erkennen, dass es dem deutschen Journalismus mehrheitlich an kritischer Distanz zu den Diensten oder den nationalen Interessen der Bundesregierung mangelt. Es gibt jedoch Ausnahmen. Wo ich den Beweis hatte, dass ein Journalist eine erstrangige Pressesonderverbindung des BND war, spiegelte sich das stets auch in den analysierten Artikeln. Doch gilt auch der Umkehrschluss, dass man die Marionetten des BND anhand ihren Worte entlarven kann? Einen diesbezüglichen Versuch, der sich mit der Arbeit der Reporterin der Süddeutschen Zeitung, Annette Ramelsberger, auseinandersetzt, habe ich unlängst unternommen.
Auffällig wurde die Mitarbeiterin des Hauptstadtbüros der Süddeutschen Zeitung im Oktober 2004 mit einem ausführlichen Porträt von BND-Präsident August Hanning. Spaltenweise zitierte Ramelsberger Lobeshymnen aus BKA und LKA, aus Ministerien und von Geheimdienstkoordinatoren, bevor sie zum eigenen Urteil findet: "Der BND-Chef ist ein Mensch, der bis in die Fingerspitzen professionell agiert." Und erst die Troika, die er mit Kanzleramtsminister Frank-Walter Steinmeier und Geheimdienstkoordinator Ernst Uhrlau bildet: "Wer den Dreien mit '007'-Späßchen kommt, kann das Gespräch auch gleich beenden." Jeder Hofberichterstatter hätte sie um diese Huldigung beneidet. "Deckname Offenheit" überschrieb Ramelsberger ihre Story.
Diese Art der Anbiederung an BND-Präsidenten hat mich veranlasst, einige ihrer folgenden Artikel unter die Lupe zu nehmen. Erneut auffällig wurde Ramelsberger dann am 24. März 2006, als sie auf der ersten Seite der SZ über den "Club der Verschwiegenen", das in Paris ansässige Terrorabwehrzentrum von sechs Nationen, berichtete. Scheinbar aus erster Hand - von einem deutschen Sicherheitsexperten gespickt - tischte sie ihren Leserinnen und Lesern eine fromme Lüge auf: "Tabu bleibe es aber für die deutschen Dienste, Informationen über deutsche Staatsbürger an die Partner zu geben."
Die Washington Post hatte allerdings bereits neun Monate zuvor seriös über diese Alliance Base berichtet und mit dem Fall von Christian Ganczarski aufgemacht, einem deutschen Islamisten, der bei seinem geplanten Heimflug aus Riad von seiner Familie getrennt und von CIA und DGSE entführt wurde. In der Transitzone des Flughafens Paris-Roissy nahm ihn der französische Verfassungsschutz DST fest und brachte ihn in ein Sondergefängnis, wo er auch jetzt noch sitzt, ohne dass ihm der Prozess gemacht wurde.
Die deutschen Behörden hatten den Metallarbeiter von der Ruhr überwacht und abgehört, aber da die Beweise für eine Anklage nicht ausreichten, ihre Informationen an Partnerdienste weitergereicht und so an der Entführung aus Saudi-Arabien mitgewirkt. Hätte Ramelsberger nur ein wenig in die amerikanische Presse geschaut, wäre sie nicht in den Verdacht geraten, hier im Sinne von BND und Verfassungsschutz Nebelkerzen zu werfen, die ihre Verwicklung in den Fall Ganczarski leugneten.
Was halten Sie in diesem Kontext von der aktuellen Glaubwürdigkeitskrise, in die unsere Medien geraten sind? "Lügen" die Medien?
Erich Schmidt-Eenboom: Die Glaubwürdigkeitskrise der Medien ist Ausfluss der Glaubwürdigkeitskrise der Politik, die durch Pegida und andere Sturmabteilungen der AfD angeheizt wird. Ein Beispiel: Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat 2015 betont, unter den Syrienflüchtlingen befänden sich keine Schläfer des sogenannten Islamischen Staates und die Balkanroute sei kein Einfallstor für Terroristen.
Die Ereignisse 2016 haben ihn deutlich widerlegt, und als Fachminister für die Innere Sicherheit hätte er es besser wissen müssen. Als meine Lagebeurteilung im Herbst 2015 zu einem anderen Ergebnis kam als der Innenminister, galt es bei einigen um Interviews ansuchenden Medien, eine gewisse Zurückhaltung zu überwinden. Die war jedoch nicht geprägt von kritikloser Übernahme einer staatstragenden Position, sondern von der humanitären Sorge, dass die Gesamtheit der Syrienflüchtlinge in ein schiefes Licht geraten könne, wenn unter ihnen auch nur im unteren Promillebereich potentielle Attentäter zu finden seien. Auch so kann man Rechtspopulisten in die Hände spielen.
Erich Schmidt-Eenboom, Jahrgang 1953, studierte Pädagogik und Neuere Geschichte an der Universität der Bundeswehr in Hamburg. Er war ab 1985 wissenschaftlicher Mitarbeiter und ab 1990 Leiter des Forschungsinstituts für Friedenspolitik e.V. in Weilheim/Obb. Sein Arbeitsschwerpunkt sind Nachrichtendienste, er ist außerdem Autor zahlreicher Sachbücher zu der Thematik.
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