Wie deutsche Steuern die Transatlantik-Lobby finanzieren

Seite 3: EU wehrt sich gegen Einflussnahme – aber auch gegen US-amerikanische?

In der Antwort auf die oben erwähnte Anfrage der AfD zur Einflussnahme ausländischer Akteure verweist die Bundesregierung auf das "Paket zur Verteidigung der Demokratie" und den "Aktionsplan für Demokratie in Europa", welche die Europäische Union bald auf den Weg bringen werde.

Im Dezember 2023 wurde ein entsprechendes Dokument zur betreffenden EU-Initiative veröffentlicht. Dort heißt es:

Die Bürgerinnen und Bürger sollten in der Lage sein, sich ihre eigene Meinung in einem öffentlichen Raum zu bilden, in dem unterschiedliche Ansichten geäußert werden können, in dem sie das Recht auf Widerspruch und auf den Wechsel der Regierung durch Wahlen, ohne internationale oder nationale Einflussnahme, haben.

Mitteilung der EU-Kommission über die Verteidigung der Demokratie

Beeinträchtigt werde jenes Recht allerdings demnach weniger durch ausländische Interessenvertreter und Stiftungen als durch "autoritäre Regime" und speziell "die russischen Behörden", die "eine systematische Maßregelung und Zensur unabhängiger Medien" betrieben.

Als wichtige Instrumente gegen "Desinformation" werden unter anderem der umstrittene Digital Services Act und die Berichte des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) zu Foreign Information Manipulation and Interference (FIMI) genannt.

Die Erfassung ausländischer Desinformation gründet sich auf die Arbeit des European Centre of Excellence for Countering Hybrid Threats und erfolgt in enger Abstimmung mit der Nato. Den dazugehörigen EU-Nato-"Werkzeugkasten" zur Abwehr von Desinformation hat Telepolis bereits an anderer Stelle thematisiert.

EU und Nato: Russischer Propaganda wohl deutlich überlegen

Obwohl von russischer Propaganda in deutschen Medienberichten sehr häufig die Rede ist, fällt es dem Autor schwer, eine ähnlich institutionalisierte Form der strategischen Kommunikation auf der Seite des "Feindes" ausfindig zu machen.

So konzentriert sich die Berichterstattung neben dem inzwischen verbotenen RT DE größtenteils auf Einzelakteure wie etwa die Bloggerin Alina Lipp, die Website "Anti-Spiegel" des Bloggers Thomas Röper oder die sogenannten russischen Trolle in den Sozialen Medien.

Zwar benennt der EU-Rat in einer öffentlichen Mitteilung vom Juli 2023 eine konzertierte Kampagne mit dem Namen "Recent Reliable News", an der die russische Online-Nachrichtenagentur Inforos sowie eine NGO namens ANO Dialog teilnehmen.

Allerdings ist schwer nachvollziehbar, wie solche Kampagnen in der Lage sein sollen, das massive Aufgebot gegen Desinformation aufseiten von EU und Nato zu hintertreiben.

Die Zusammenarbeit der EU mit dem Militärbündnis, dessen oberster Befehlshaber traditionell ein US-Amerikaner ist, gründet sich dagegen auf eine lange Tradition, die bis in die Nachkriegszeit zurückreicht.

Desinformation für den guten Zweck

So gehen die zahlreichen Amerika-Häuser, wie eingangs erwähnt, zurück auf die US Information Agency (USIA), die 1999 in das US-Außenministerium eingegliedert wurde und schließlich im Bureau of International Information Programs aufgegangen ist.

Die Bundesregierung beteuert in Ihrer Auskunft zur Förderung transatlantischer Stiftungen hingegen, dass die Häuser "keine organisatorische Verbindung mehr zu den historischen Amerikahäusern der unmittelbaren Nachkriegszeit haben".

Die US Information Agency war indes ab 1955 auch Betreiber des Rundfunks im Amerikanischen Sektor (RIAS) in Berlin. Nach DDR-Darstellung handelte es sich bei dem Sender um "ein Instrument der Central Intelligence Agency (CIA)", was zumindest ansatzweise durch deren Förderung der antikommunistischen "Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" gestützt wird, die regelmäßig im RIAS auftrat.

Wie die Nachdenkseiten in ihrem Bericht zur kleinen Anfrage erwähnen, erhielt der Gründer des Aspen Institutes, Shepard Stone, während des Kalten Kriegs, und zum Aufbau des sogenannten Kongresses für kulturelle Freiheit, über die Ford-Stiftung verdeckt Gelder von der CIA.

Das deckt sich im Übrigen auch mit Darstellungen einer arte-Dokumentation von 2006, wonach auch deutsche Intellektuelle um Heinrich Böll und den Verlag Kiepenheuer und Witsch jenem Kongress für kulturelle Freiheit eingegliedert waren.

Von Propaganda zu Politik: Ein Denkanstoß

In seinem Buch "Warriors of Disinformation" (1995) kehrt der ehemalige USIA-Mitarbeiter und Mitbegründer des RIAS, Alvin A. Synder, den aus heutiger Sicht feindselig konnotierten Begriff der Desinformation in sein Gegenteil um.

Demnach war es in der Nachkriegszeit auch Aufgabe der USA, die deutsche Bevölkerung mit "Desinformation" für die Ziele der US-amerikanischen Regierung zu gewinnen.

Die United States Information Agency (USIA) ist Amerikas Vermittler von Propaganda und "Desinformation" - ein Euphemismus, der von der Regierung in den 1980er Jahren gerne gebraucht wurde. Über ihre Rundfunkanstalten (wie die Voice of America) teilt die USIA der Welt mit, was sie der amerikanischen Regierung zufolge wissen soll.

Alvin A. Synder: Warriors of Disinformation

Dabei beschreibt Snyder auch die Rolle der CIA in der gezielten Platzierung von Inhalten in europäischen Medien:

Während der Präsidentschaft von Jimmy Carter hat die CIA ein geheimes Projekt ins Leben gerufen, um europäische Journalisten dafür zu bezahlen, positiv über die US-Pläne für den Einsatz von Atombomben zu berichten. Die CIA hat später zugegeben, dass sie sich regelmäßig solcher Praktiken bedient hat, und eine Studie der Harvard Kennedy School of Government vom Oktober 1984 hat gezeigt, dass jene Bemühungen auch eine gewisse Wirkung hatten.

Alvin A. Synder: Warriors of Disinformation

Freilich aber lastet Snyder diese Strategie nicht exklusiv den Vereinigten Staaten an und beschreibt ausführlich den Kampf mit den "Sowjets" und dem KGB um die Deutungs- und Definitionshoheit. So liefert er einen Denkanstoß, der heute angesichts der vermeintlich klaren Freund-Feind-Linien vielen verborgen bleibt:

Desinformation ist ein Bestandteil jeder Regierung, auch derjenigen, die ihr scheinbar ablehnend gegenübersteht.

Alvin A. Snyder: Warriors of Disinformation