Wie deutsche Steuern die Transatlantik-Lobby finanzieren

US-Außenminister Antony J. Blinken im Gespräch mit der deutschen Außenministerin Annalena Baerbock. Foto (Februar 2023): U.S. Department of State

Regierung legt staatliche Zuwendungen offen. Ukraine-Krise verstärkt den traditionellen US-Einfluss auf Deutschland. Besonders das Grünen-nahe Zentrum Liberale Moderne sticht heraus.

Deutsch-Amerikanische Freundschaft ist nicht nur eine legendäre Elektropunk-Band. Transatlantische Einfluss- und Lobbyorganisationen, aber auch solche, die schlicht der Völkerverständigung dienen, blicken in Deutschland auf eine lange Tradition zurück.

Unter den einflussreichsten Lobbyisten für die amerikanische Sache finden sich bekanntere Organisationen wie der Atlantic Council, wo Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) Vorträge über den Umgang mit Russland und China hält. Oder die Atlantik-Brücke, deren Mitglied Roderich Kiesewetter (CDU) kürzlich forderte, "den Krieg nach Russland zu tragen".

Die Rolle von Amerika-Häusern und US-Organisationen

Daneben gibt es aber auch weniger bekannte Organisationen wie den American Council on Germany oder den Koordinator für transatlantische Zusammenarbeit im Auswärtigen Amt. Weniger bekannt sind auch die sogenannten Amerika-Häuser, die unter der Schirmherrschaft der einflussreichen US Information Agency in der deutschen Nachkriegszeit entstanden sind (mehr dazu später).

Auf eines jener Amerika-Häuser, nämlich die Stiftung Bayerisches Amerikahaus GmbH, bezieht sich die AfD in einer kleinen Anfrage vom Juli 2023, zu der vor Kurzem die Antwort der Bundesregierung (Teil 1) erschienen ist. Genauer gesagt bezieht sich die Partei auf eine Liste von Partnerorganisationen, unter denen sich auch die bekannteren Namen finden.

Die Anfrage lässt sich auf eine einfache Frage herunterbrechen: Fließen in Deutschland Staatsgelder an Organisationen, die die Öffentlichkeit im Sinne der USA beeinflussen?

Nur "transatlantisch" oder doch US-gesteuert?

Ihrer Antwort fügt die Bundesregierung eine Liste von zwanzig transatlantisch ausgerichteten, als gemeinnützig deklarierten Organisationen mit Sitz in Deutschland bei, denen in den vergangenen zwei Jahren Fördermittel aus Steuergeldern zugesagt wurden.

In der Anfrage wird auch das Zentrum Liberale Moderne (LibMod) erwähnt, über das Telepolis bereits berichtet hat.

Die Denkfabrik um die Grünen Ralf Fücks und Marieluise Beck wird von der Bundesregierung in ihrer Antwort zwar ausdrücklich nicht als US-amerikanische NGO benannt, "der Vollständigkeit wegen" aber dennoch in der Liste mit aufgeführt.

Über die selbst bekundete transatlantische Ausrichtung von LibMod dürften indes keine Zweifel bestehen. Überdies saß der Gründungsgesellschafter und ehemalige US-Botschafter John Kornblum zeitweise im Leitungsgremium des American Council on Germany, der eng mit dem US-Thinktank Council on Foreign Relations und der Atlantik-Brücke verbunden ist. Das macht eine Nähe zur US-Lobby schwer bestreitbar.

Die aufgrund des Projekts "Gegneranalyse" in einen direkten Konflikt mit LibMod verwickelten Nachdenkseiten haben in Gestalt des ehemaligen Russia-Today-Redakteurs Florian Warweg kürzlich erstmals über die Anfrage berichtet.

LibMod: Großzügig unterstützt, aber gemeinnützig?

Die Anfrage der AfD bezieht sich zunächst auf die Förderung einschlägig bekannter US-Stiftungen aus privater Hand (etwa die Bill & Melinda Gates Foundation, George Soros’ Open Society Foundations und die Stiftungen der Familien Rockefeller und Ford). Erfragt wird aber auch die Unterstützung öffentlicher NGOs wie des American Council on Germany oder des Aspen Institutes.

Ihre Auskunft darüber fasst die Bundesregierung in besagter Liste zusammen. Eine direkte Förderung der genannten privaten Stiftungen erfolgt demnach nicht.

Bei den öffentlichen Zuwendungen hingegen sticht das Zentrum Liberale Moderne mit einer beachtlichen Fördersumme von rund fünf Millionen Euro heraus. Darin inbegriffen ist die jährliche institutionelle Förderung des Zentrums in Höhe von 500.000 Euro.

Die Förderungszwecke betreffen im Wesentlichen die "demokratisierende" Öffentlichkeitsarbeit in Bezug auf die Ukraine sowie die Republiken Moldau und Georgien, die im Zentrum des Konflikts zwischen Nato und Russland stehen.

Nach den Enthüllungen eines ehemaligen Mitarbeiters zur einseitigen Berichterstattung und dem undurchsichtigen Finanzierungsmodell von LibMod, weckt die Aufstellung der Bundesregierung erneut Zweifel an der "Gemeinnützigkeit" des staatsfinanzierten Thinktanks, den die verstorbene Grünen-Politikerin Antje Vollmer in einem aufsehenerregenden Telepolis-Interview 2022 als "Instrument eines ideologischen Lobbyismus" bezeichnet hat.

Von "Demokratiefestigung" zur Agrarwende im Westbalkan

Unter den größten Empfängern staatlicher Subventionen findet sich weiter der German Marshall Fund of the United States mit insgesamt 4,5 Millionen Euro.

Neben der jährlichen "Zustiftung" in Höhe zwei Millionen Euro fördert der Bund mit rund 500.000 Euro das Projekt "Cities fortifying democracy", das sich nach eigener Darstellung neben der Förderung einer informierten Wählerentscheidung unter anderem auch die inhaltliche Stärkung des Lokaljournalismus zum Ziel gesetzt hat. In Deutschland soll Frankfurt am Main den Vorreiter spielen.

Weitere große Steuermittel-Kontingente gehen mit fünf Millionen Euro an die Deutsch-Amerikanische Fulbright-Commission, die sich besonders dem Austausch unter Akademikern und Journalisten verpflichtet sowie an das Aspen Institute, das neben seiner jährlichen institutionellen Förderung von 500.000 Euro zusätzlich mit Projekt-Zuschüssen in Höhe von rund 800.000 Euro bedacht wird.

Die aufgeführten Aspen-Projekte sind größtenteils auf den Westbalkan ausgerichtet und umfassen neben dem Thema "Stabilität" auch die nachhaltige Umgestaltung der Agrarwirtschaft ("Green Agenda").

Wie aus der Antwort der Bundesregierung ebenfalls hervorgeht, hat Annalena Baerbocks Staatsministerin für Europa und Klima, Anna Lührmann (Grüne), im Dezember 2022 das Vorwort für eine entsprechende Publikation des Aspen Institutes verfasst.

Viel transatlantisch unterwegs: Die engsten Vertrauten von Scholz und Baerbock

Bisher noch nicht in den medialen Fokus gerückt ist die zweite erfragte Auskunft in der kleinen Anfrage der AfD. Sie betrifft Auftritte oder Einladungen von Regierungsmitgliedern bei transatlantischen Organisationen, inklusive des Zentrums Liberale Moderne.

Die ebenfalls als Liste dargestellte Veröffentlichung ist im Gesamten lesenswert. Hier seien nur die auffälligsten, das heißt in ihrer Summe beachtlichen Positionen herausgegriffen.

Angeführt wird besagte Liste von einem der "wichtigsten Berater" (Business Insider) Annalena Baerbocks, Tobias Lindner (Grüne). Der Staatsminister hat über den abgefragten Zeitraum von zwei Jahren an 17 verschiedenen Veranstaltungen teilgenommen beziehungsweise Reden gehalten.

Die Wirkungsstätten umfassen neben zahlreichen bekannten Namen auch das Zentrum Liberale Moderne sowie einen Runden Tisch von Heinrich-Böll-Stiftung und der Carnegie Foundation des gleichnamigen US-Stahlbarons.

Ähnlich rege hat sich auch der "Vordenker des Kanzlers" (Redaktionsnetzwerk Deutschland), Jörg Kukies, am transatlantischen Austausch beteiligt.

Der Staatssekretär im Bundeskanzleramt hat insgesamt elf Veranstaltungen besucht – darunter ein Termin zum Thema "Global Health Governance" beim Council on Foreign Relations wie auch ein Vortrag beim Thinktank Center for Strategic and International Studies (CSIS), der bei Telepolis unter anderem in einem Bericht zur hybriden Kriegsführung um das Social-Media-Phänomen NAFO Erwähnung fand.

Parlamentarisches Interesse an Stiftungs-Finanzierung

Die hier thematisierte kleine Anfrage ist nicht die einzige, die in den vergangenen Jahren zum Thema transatlantische Einflussnahme an die Bundesregierung gerichtet wurde. So hatte die AfD bereits im Mai 2023 – während des Vetternwirtschafts-Vorfalls um Staatssekretär Patrick Graichen (Grüne) – die Rolle von US-Stiftungen beim politischen Klima-Aktivismus erfragt.

Die Bundesregierung verwehrte damals eine Antwort auf die Finanzströme der "Letzten Generation" mit dem Verweis auf "überwiegende Belange des Staatswohls" und eine dahin gehend nicht zu verantwortende Offenlegung des "vorhandene[n] oder nicht vorhandene[n] Erkenntnisinteresse des Bundesamtes für Verfassungsschutz".

Einen Monat später hatten sich auch Parteimitglieder der Linken um Andrej Hunko erkundigt, inwieweit die Bundesregierung bei der "nachhaltigen" Gestaltung des globalen Gesundheitswesens mit privaten US-Stiftungen zusammenarbeitet (Telepolis berichtete).

EU wehrt sich gegen Einflussnahme – aber auch gegen US-amerikanische?

In der Antwort auf die oben erwähnte Anfrage der AfD zur Einflussnahme ausländischer Akteure verweist die Bundesregierung auf das "Paket zur Verteidigung der Demokratie" und den "Aktionsplan für Demokratie in Europa", welche die Europäische Union bald auf den Weg bringen werde.

Im Dezember 2023 wurde ein entsprechendes Dokument zur betreffenden EU-Initiative veröffentlicht. Dort heißt es:

Die Bürgerinnen und Bürger sollten in der Lage sein, sich ihre eigene Meinung in einem öffentlichen Raum zu bilden, in dem unterschiedliche Ansichten geäußert werden können, in dem sie das Recht auf Widerspruch und auf den Wechsel der Regierung durch Wahlen, ohne internationale oder nationale Einflussnahme, haben.

Mitteilung der EU-Kommission über die Verteidigung der Demokratie

Beeinträchtigt werde jenes Recht allerdings demnach weniger durch ausländische Interessenvertreter und Stiftungen als durch "autoritäre Regime" und speziell "die russischen Behörden", die "eine systematische Maßregelung und Zensur unabhängiger Medien" betrieben.

Als wichtige Instrumente gegen "Desinformation" werden unter anderem der umstrittene Digital Services Act und die Berichte des Europäischen Auswärtigen Dienstes (EEAS) zu Foreign Information Manipulation and Interference (FIMI) genannt.

Die Erfassung ausländischer Desinformation gründet sich auf die Arbeit des European Centre of Excellence for Countering Hybrid Threats und erfolgt in enger Abstimmung mit der Nato. Den dazugehörigen EU-Nato-"Werkzeugkasten" zur Abwehr von Desinformation hat Telepolis bereits an anderer Stelle thematisiert.

EU und Nato: Russischer Propaganda wohl deutlich überlegen

Obwohl von russischer Propaganda in deutschen Medienberichten sehr häufig die Rede ist, fällt es dem Autor schwer, eine ähnlich institutionalisierte Form der strategischen Kommunikation auf der Seite des "Feindes" ausfindig zu machen.

So konzentriert sich die Berichterstattung neben dem inzwischen verbotenen RT DE größtenteils auf Einzelakteure wie etwa die Bloggerin Alina Lipp, die Website "Anti-Spiegel" des Bloggers Thomas Röper oder die sogenannten russischen Trolle in den Sozialen Medien.

Zwar benennt der EU-Rat in einer öffentlichen Mitteilung vom Juli 2023 eine konzertierte Kampagne mit dem Namen "Recent Reliable News", an der die russische Online-Nachrichtenagentur Inforos sowie eine NGO namens ANO Dialog teilnehmen.

Allerdings ist schwer nachvollziehbar, wie solche Kampagnen in der Lage sein sollen, das massive Aufgebot gegen Desinformation aufseiten von EU und Nato zu hintertreiben.

Die Zusammenarbeit der EU mit dem Militärbündnis, dessen oberster Befehlshaber traditionell ein US-Amerikaner ist, gründet sich dagegen auf eine lange Tradition, die bis in die Nachkriegszeit zurückreicht.

Desinformation für den guten Zweck

So gehen die zahlreichen Amerika-Häuser, wie eingangs erwähnt, zurück auf die US Information Agency (USIA), die 1999 in das US-Außenministerium eingegliedert wurde und schließlich im Bureau of International Information Programs aufgegangen ist.

Die Bundesregierung beteuert in Ihrer Auskunft zur Förderung transatlantischer Stiftungen hingegen, dass die Häuser "keine organisatorische Verbindung mehr zu den historischen Amerikahäusern der unmittelbaren Nachkriegszeit haben".

Die US Information Agency war indes ab 1955 auch Betreiber des Rundfunks im Amerikanischen Sektor (RIAS) in Berlin. Nach DDR-Darstellung handelte es sich bei dem Sender um "ein Instrument der Central Intelligence Agency (CIA)", was zumindest ansatzweise durch deren Förderung der antikommunistischen "Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit" gestützt wird, die regelmäßig im RIAS auftrat.

Wie die Nachdenkseiten in ihrem Bericht zur kleinen Anfrage erwähnen, erhielt der Gründer des Aspen Institutes, Shepard Stone, während des Kalten Kriegs, und zum Aufbau des sogenannten Kongresses für kulturelle Freiheit, über die Ford-Stiftung verdeckt Gelder von der CIA.

Das deckt sich im Übrigen auch mit Darstellungen einer arte-Dokumentation von 2006, wonach auch deutsche Intellektuelle um Heinrich Böll und den Verlag Kiepenheuer und Witsch jenem Kongress für kulturelle Freiheit eingegliedert waren.

Von Propaganda zu Politik: Ein Denkanstoß

In seinem Buch "Warriors of Disinformation" (1995) kehrt der ehemalige USIA-Mitarbeiter und Mitbegründer des RIAS, Alvin A. Synder, den aus heutiger Sicht feindselig konnotierten Begriff der Desinformation in sein Gegenteil um.

Demnach war es in der Nachkriegszeit auch Aufgabe der USA, die deutsche Bevölkerung mit "Desinformation" für die Ziele der US-amerikanischen Regierung zu gewinnen.

Die United States Information Agency (USIA) ist Amerikas Vermittler von Propaganda und "Desinformation" - ein Euphemismus, der von der Regierung in den 1980er Jahren gerne gebraucht wurde. Über ihre Rundfunkanstalten (wie die Voice of America) teilt die USIA der Welt mit, was sie der amerikanischen Regierung zufolge wissen soll.

Alvin A. Synder: Warriors of Disinformation

Dabei beschreibt Snyder auch die Rolle der CIA in der gezielten Platzierung von Inhalten in europäischen Medien:

Während der Präsidentschaft von Jimmy Carter hat die CIA ein geheimes Projekt ins Leben gerufen, um europäische Journalisten dafür zu bezahlen, positiv über die US-Pläne für den Einsatz von Atombomben zu berichten. Die CIA hat später zugegeben, dass sie sich regelmäßig solcher Praktiken bedient hat, und eine Studie der Harvard Kennedy School of Government vom Oktober 1984 hat gezeigt, dass jene Bemühungen auch eine gewisse Wirkung hatten.

Alvin A. Synder: Warriors of Disinformation

Freilich aber lastet Snyder diese Strategie nicht exklusiv den Vereinigten Staaten an und beschreibt ausführlich den Kampf mit den "Sowjets" und dem KGB um die Deutungs- und Definitionshoheit. So liefert er einen Denkanstoß, der heute angesichts der vermeintlich klaren Freund-Feind-Linien vielen verborgen bleibt:

Desinformation ist ein Bestandteil jeder Regierung, auch derjenigen, die ihr scheinbar ablehnend gegenübersteht.

Alvin A. Snyder: Warriors of Disinformation