Wie die Bundeswehr als Arbeitgeber für die "besten Köpfe" attraktiver werden will
Die neue Personalstrategie rückt ab von der militärischen Tradition und will mit mehr Vielfalt, Flexibilisierung und Sinnstiftung locken
Mit der seit Jahren propagierten größeren Verantwortung Deutschlands in der Welt und dem Ausbau der Bundeswehr rückt seit dem Ende der Wehrpflicht das Personalproblem in den Vordergrund. Bislang ist dies nicht so spektakulär wie die Mängel beim Material, aber die Bundeswehr schafft es nicht, die bislang angesteuerte Personalstärke von 170.000 Zeit- und Berufssoldaten zu erreichen, geschweige denn, die Truppe auszubauen, um sie für die vermehrten Auslandseinsätze fit zu machen (Trotz Beschwörung von Gauck und Co. fehlen die Soldaten).
Dringend gefragt sind für die neue Cyberwar-Einheit auch IT-Experten, auch im zivilen Bereich besteht Bedarf im gehobenen technischen Dienst. Man steht in der Konkurrenz, so von der Leyen, um die "besten Köpfe", wozu aber immer noch ein geeigneter Körper gehört, was auch eine Schwelle darstellt, wenn die Eignungskriterien wie der Sporttest nicht gesenkt werden. Die Konkurrenz verschärft, dass weniger junge Menschen auf den Arbeitsmarkt kommen und um diese, sofern sie eine gute Ausbildung haben, von allen Seiten gebuhlt wird. Die Ansprüche an die Arbeit oder an die Balance zwischen Arbeit und Freizeit/Familie steigen. Und es eben auch schwieriger, zunehmend Akademiker oder technische Spezialisten anwerben zu müssen, die auch anderswo gefragt sind. Dazu kommt die Aussicht, dass "die Hälfte des heute aktiven Personals bis zum Jahre 2030 die Bundeswehr altersbedingt verlassen" wird.
Verteidigungsministerin von der Leyen hat nun die Personalstrategie der Bundeswehr ("Eine Leitplanke für die Zukunft") vorgelegt, um das Problem langfristig anzugehen, den "Personalkörper" der Bundeswehr nicht nur attraktiver, sondern auch "demografiefester" zu machen. Zuvor wurde bereits zur Rekrutierung eine "Reality-Doku" im Social Web gestartet, um dort die Jungen abzuholen, wo sie sich angeblich am ehesten aufhalten. "Die Rekruten" soll angeblich ziemlich erfolgreich sein, gezeigt wird die Grundausbildung von 12 jungen Männern und Frauen, angeblich ganz realistisch.
Ansonsten hat von der Leyen versucht, die Bundeswehr mit dem "Attraktivitätssteigerungsgesetz" familienfreundlicher zu machen, auch von bunter war die Rede. Getestet war auch schon mal worden, wie die Idee ankommt, die Bundeswehr für nichtdeutsche EU-Bürger zu öffnen. Wenn man sowieso eine engere Kooperation im Verteidigungsbereich und vielleicht gar eine europäische Armee anstrebt, würde dagegen in einer Berufsarmee auch gar nichts sprechen (vgl. "Jeder in Verteidigung investierte Euro rentiert sich 1,6-fach"). In anderen Ländern wird schon längst angeboten, durch den Militärdienst auch die Staatsbürgerschaft zu erwerben.
"Freude am Dienst für die Gesellschaft"
Die Verteidigungsministerin will die Bundeswehr als "sinnstiftender" ("Mach, was wirklich zählt", so der Slogan) und "qualifizierender" Arbeitgeber aufstellen, wobei die Sinnstiftung hier auch heißt, den Job mit dem Tod zu bezahlen und andere Menschen zu töten. Das zu thematisieren, ist allerdings nicht sonderlich attraktivitätssteigernd, weswegen man davon auch nicht so gerne spricht, sondern lieber von der "Freude am Dienst für die Gesellschaft". Das wird dann so gesehen, dass damit eine Gleichheit geschaffen wird, die in der Gesellschaft weniger zu finden ist: "Das individuelle Potenzial der Menschen mit Freude am Dienst für die Gesellschaft steht dabei im Mittelpunkt, nicht ihre Herkunft, ihr Lebensalter oder ihr Bildungsstand."
Im Zentrum steht die Gewinnung neuer Zielgruppen, der erste große Schritt war bereits mit der Öffnung der Bundeswehr für Frauen gemacht worden, die auch in anderen Streitkräften die auch demografisch wegbrechenden Männer kompensieren sollen. So soll auch Bewerbern in einem Alter über 30 Jahren noch eine militärische Karriere angeboten werden. Auch wenn "formale Voraussetzungen" fehlen, also etwa ein Schulabschluss, soll die Aufnahme mit dem Ziel, einen Hauptschulabschluss abzuschließen, möglich werden. Man muss mehr Nachwuchskräfte selbst ausbilden. Und geplant oder gewünscht ist eben die Öffnung für EU-Bürger.
Auch ansonsten will man innovativ sein: "Entwicklung innovativer Formen der Arbeitsgestaltung und Zusammenarbeit, wie z. B. die Nutzung flexibler Beschäftigungs- und Arbeitszeitmodelle zur Erhaltung der Beschäftigungsfähigkeit sowie der Austausch mit dem zivilen Arbeitsmarkt bei Bewahrung der eigenen staatlichen Handlungs- und Bewertungskompetenz." Das nähert die Bundeswehr mit ihrer "einzigartigen Arbeitgebermarke" dann doch sehr dem zivilen Bereich an, wie das auch vom Pentagon betrieben wird. Die Folge ist, dass militärische und zivile Bereiche immer mehr verschmelzen, wie das auch im Cyberbereich der Fall ist. Angedacht sind offenbar noch nicht Telearbeitsstellen, was die Attraktivität der Bundeswehr als Arbeitgeber vielleicht steigern könnte, wenn man von Zuhause aus Drohnen steuert oder den Cyberwar führt. Aber man denkt an Teilzeitbeschäftigung und natürlich an Flexibilisierungen aller Art.
Die Personalstrategie enthält erwartungsgemäß viel Geschnatter und Dropping von Begriffen. Da ist von "operativer Exzellenz" die Rede, von " wissensorientierter Organisationskultur" und von "nachhaltiger Optimierung der Personalprozesse". Man will von der "Vielfalt der Menschen" profitieren, weil sich da die "kreative Perspektiven aus einem breiten Spektrum soziokultureller Erfahrungen" ergeben. Inklusiv ist man sowieso, wenn man "Vielfaltsmanagement" betreibt, "aktiv" selbstverständlich. "Führungskultur" wird hoch angesetzt, eine "glaubwürdig gelebte und aktiv praktizierte fördernde". Hervorgehoben wird etwa: "Die Bundeswehr gestaltet die Kommunikation der Arbeitgebermarke Bundeswehr zielgruppenorientiert und bedarfsgerecht und baut diese aus, um sich dauerhaft als sinnstiftender und qualifizierender Arbeitgeber zu positionieren." Da werden alle genickt haben.
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