Wie die Linke gegen Le Pen gewinnen will

Seite 2: Keine Einigung unter den linken Kandidaten

Der folgende Beitrag ist vor 2021 erschienen. Unsere Redaktion hat seither ein neues Leitbild und redaktionelle Standards. Weitere Informationen finden Sie hier.

Trotz dieser inhaltlichen Ausgangsbasis, die eine Einigung zwar nicht in allen Punkten, doch entlang einiger inhaltlicher Achsen zu ermöglichen schien, kam es bislang zu keiner Verabredung der betreffenden Parteien zu einer einheitlichen Kandidatur. Denkbar schien, nachdem Benoît Hamon die sozialdemokratische Vorwahl gewonnen hatte, ein Minimalkompromiss unter Einschluss von Parti Socialiste (PS), Grünen (EE-LV) sowie des Linkssozialisten Jean-Luc Mélenchon.

Die Französische KP, oder was von ihr übrig ist - einstmals handelte es sich bei ihr um die stärkste französische Partei (28,6 % der Stimmen bei den Wahlen von 1946), doch sie ist nur noch der Schatten ihrer selbst -, stellte in diesem Jahr keine/n eigene/n Präsidentschaftskandidaten oder -kandidatin auf. Bisher unterstützt sie formal die Kandidatur Mélenchons, doch Teile ihrer Führung streben unter der Hand eher nach einer Einigung mit den PS-Sozialdemokraten.

Da denkbar ist, dass diese Parteien oder relevante Teile von ihnen künftig gemeinsam regieren, wäre an einen Rückzug der weniger aussichtsreichen Kandidaten unter ihnen zugunsten des mutmaßlich Bestplatzierten zu denken - um ihnen gemeinsam den Einzug in die Stichwahl zu sichern. Und um den Preis inhaltlicher Absprachen im Vorfeld, bei denen den "Zurückziehenden" inhaltliche Garantien in der Sache gegeben werden.

Dazu würde aber auch die Zusicherung relativ "sicherer" Wahlkreise an die "Unterlegenen" der Präsidentschaftswahl für die im Juni d.J. folgenden Parlamentswahlen gehören. Dies würde den etwas schwächeren Linkskräften eine Präsenz in der Nationalversammlung garantieren.

Doch bis Anfang dieser Woche kam es noch nicht einmal zwischen der französischen Sozialdemokratie und den Grünen zur, bereits seit längerem erwarteten Einigung. Zwar trafen sich ihre jeweiligen Präsidentschaftskandidaten Benoît Hamon und Jannick Yadot am Montag, den 20. Februar zum gemeinsamen Mittagessen und unterstrichen auch inhaltliche Gemeinsamkeiten.

Dennoch steht die Ankündigung eines Kandidaturverzichts seitens der Grünen bei der Präsidentschaftswahl noch aus, obwohl fest mit ihr zu rechnen ist, da dem Kandidaten der Ökopartei ohnehin nur rund zwei Prozent vorausgesagt werden.

So lange Benoît Hamon sich jedoch an solchen Verhandlungen zwischen den Parteiapparaten festbeißt, bleibt der inhaltliche Wahlkampf vorläufig zurückgestellt, da auch noch keine Programmeinigung stattgefunden hat. Dies beginnt wiederum Teile der sozialdemokratischen Parteibasis und auch des Parteiapparates zu beunruhigen.

Schwieriger noch gestaltet sich das "Unternehmen Bündnis" mit dem Linkssozialisten Jean-Luc Mélenchon. Zumal hier nicht nur divergierende Apparatinteressen hineinwirken - wie zwischen PS und französischen Grünen -, sondern auch echte inhaltliche Differenzen zuzüglich eines, vor allem bei Mélenchon, ausgeprägten bis überdimensionierten Egos. Anfang der Woche schien das Unternehmen "Absprache zu einer gemeinsamen Kandidatur" jedenfalls gescheitert.

Abzuwarten ist, ob es bis zum 17. März - also dem Anmeldeschluss für Kandidaturen zur Präsidentschaftswahl - dabei bleibt. Dies scheint jedoch hochgradig wahrscheinlich.

Beobachter verglichen die Vorgänge jüngst mit einer Diskussion zwischen Marathonläufern: Wer sich monatelang eisern und verbissen auf eine Teilnahme vorbereitet, den eigenen Ernährungsplan und Lebensstil auf das Sportereignis abgestellt und alle Energien darauf ausgerichtet hat, dem oder der wird nur schwer das Zugeständnis abzuringen sein, wegen kleinerer Widrigkeiten doch noch auf eine Teilnahme zu verzichten.

Die Struktur des französischen Wahlsystems - bei dem eine landesweite Personenwahl als wichtigstes Ereignis im Mittelpunkt steht - trägt mit dazu bei, Ego- und Personalfragen eine überragende Bedeutung zu verleihen.

Nach derzeitigem Stand kann Jean-Luc Mélenchon dabei mit 10 bis 12 Prozent, Benoît Hamon mit 15 bis vielleicht 18 Prozent der Stimmen rechnen. Erhebliche Verschiebungen sind dabei jedoch noch möglich. Zwischen Juni 2016 und Januar dieses Jahres hatte Mélenchon in Umfragen noch stets vor dem mutmaßlichen PS-Wahlvorschlag gelegen - dieser schien damals noch François Hollandes Profil zu haben, also die volle Verantwortung für die nun ablaufende Amtszeit zu tragen.

Erst nach der Ernennung des relativ linken Kandidaten Hamon hat sich die Relation zwischen Mélenchon und dem PS-Bewerber umzudrehen begonnen.

In der Nacht vom Donnerstag zum heutigen Freitag kam etwas Bewegung in die politische Landschaft. Am Donnerstag Abend verkündete der grüne Kandidat Yannick Yadot nun den, seit längerem erwarteten Rückzug seiner Bewerbung zugunsten des Sozialdemokraten Hamon. Beide einigten sich auf einen Maßnahmenkatalog, zu dessen Programmpunkten u.a. ein auf 25 Jahre gestreckter Ausstieg aus der Atomenergie zählt.

Ungelöst bleibt hingegen bislang die Frage der Kandidatur-Konkurrenz zwischen Hamon und Mélenchon. Letzterer zeigt zwar bislang keine Anstalten, sich zurückzuziehen, schlug allerdings bei einer TV-Talkshow am Donnerstag Abend dem Sozialdemokraten Hamon ein Treffen für "Sonntag oder Montag", den 26./27. Febuar vor. Hamon hat dieses Angebot zum Gespräch inzwischen angenommen.

Doch wer ist überhaupt dieser Mélenchon, und was will er?