Wie die Linke gegen Le Pen gewinnen will

Seite 3: Jean-Luc Mélenchon: Keynesianer, Umweltpolitiker, Linksnationalist, polternder Choleriker

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Mélenchon, der oft durch seine Alleingänge hervorsticht, hat alles in allem ein linkeres Programm als der Parti Socialiste, auch unter dessen neuer Galionsfigur. Er fordert etwa die Rückkehr zu einem Mindest-Renteneintrittsalter mit 60, wie es bis im Jahr 2010 gesetzlich vorgesehen war, doch durch Nicolas Sarkozy abgeschafft - und unter François Holland nicht wieder hergestellt wurde, und eine Erhöhung des Mindestlohns um 15 Prozent auf gut 1.300 Euro netto.

Am Sonntag, den 19. Februar hat Mélenchon nun die Kosten seines Wahlprogramms und seine Finanzierung präzisiert und in einer, bei Youtube übertragenen, fünfeinhalbstündigen TV-Sendung dargelegt.

Demnach will er zugunsten eines auf keynesianische "Ankurbelungs"mechanismen setzenden Konjunkturprogramms 273 Milliarden Euro zusätzlich im Laufe der Legislaturperiode ausgeben. Davon sollen 173 Milliarden aus Steuer- und Abgabenerhöhungen (für Einkommen oberhalb von 4.000 Euro monatlich) resultieren, 100 Milliarden aus Anleihen und Kreditaufnahme.

Bis zum Ende des Legislaturperiode, rechnet Mélenchon sich aus, werde der dadurch eingeleitete wirtschaftliche Aufschwung jedoch sein Früchte tragen und wiederum neue Steuer- und sonstige Staatseinnahmen kreieren, wodurch das Haushaltsdefizit von derzeit 3,3 Prozent (und von ihm erwarteten 4,8 Prozent im Jahr 2018) auf 2,5 Prozent in 2022 sinken werde.

Bürgerliche Wirtschaftswissenschaftler halten dies deswegen für eine Illusion, weil das erwartete Anziehen des Binnenkonsums nicht nur französischen Anbietern - die höhere Produktionskosten hätten -, sondern auch internationalen Firmen zugute käme; eine traditionelle Krux keynesianischer Aufschwungprogramme in Zeiten einer zu den Weltmärkten hin "offenen", kapitalistisch verfassten Ökonomie.

In seinen Reden bedient Mélenchon in der Regel mehrere Diskurse, die sich überlappen: einen klassenkämpferischen, auch einen ökologischen (im Unterschied zur französischen KP tritt er bspw. für einen realen Ausstieg aus der Atomkraft ein), jedoch ebenfalls einen stark linksnationalistisch gefärbten.

So pries er vielfach Frankreich als "zweitstärkste Seemacht der Erde" (unter Einbeziehung aller "Überseegebiete" und faktischen Überreste des Kolonialreichs), die bei einer künftigen maritimen und submarinen Rohstoffförderung führend sein könne. Dies bildet sogar bei näherer Betrachtung eines seiner zentralen Projekte. (Vgl. dazu Mélenchons Rede zum Wahlkampfabschluss 2012 vom 12. April jenes Jahres in den Pariser Messehallen; oder diesen Text von 2013).

Dies bezeichnet er als ökologische Alternative zur heutigen Energie- und Rohstoffpolitik. Mélenchon erhofft sich jedoch davon vor allem, einen neuen Akkumulationszyklus unter Kontrolle der öffentlichen Hand zu starten und neue Staatseinnahmen zu schaffen, die eine strategische Reserve für die Einleitung einer neuen keynesianischen Politik ermöglichen sollen.

Mélenchon gibt sich in seinen ausgefeilteren Argumentationspapieren einige Mühe, dieses Vorhaben von der bestehenden Form der Ausbeutung von Umwelt und Natur abzugrenzen und ihm ein ökologisches Antlitz zu geben, etwa durch den Einsatz von umweltschonenden Gezeitenkraftwerken. (Vgl. dazu einen ausführlicheren Text von 2014 ; im Vorwahlkampf kam Mélenchon auch 2016 wieder auf diese Thematik zurück.

In der real existierenden Welt, und ohne stärkere Brüche in der bestehenden Wirtschaftsordnung, könnte der solcherart angestrebte Run auf "das Meer" und seine Ressourcen jedoch in der Praxis auch einen neuen kapitalistischen Erschließungszyklus für bislang noch ungenutzte Naturrohstoffe einleiten.

Im Unterschied zu Oskar Lafontaine, an dessen Positionierung im deutschen Parteiensystem er sich ansonsten orientiert, kombiniert Mélenchon seine übrigen Positionen nicht mit rassistischer Rhetorik, wie Lafontaine sie bisweilen dick aufträgt.

Mélenchon legte 2012 sogar eher ein deutlich antirassistisches Profil an den Tag, das er jedoch zurückschraubte, weil er - wie er gegenüber seiner engeren Umgebung präsentierte - deutliche antirassistische Positionen zur Migrationsfragen ihn damals Stimmen gekostet und ihm solche nicht eingetragen hätten.