Wie die Linke gegen Le Pen gewinnen will
- Wie die Linke gegen Le Pen gewinnen will
- Keine Einigung unter den linken Kandidaten
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Frankreich: Für deutsche Verhältnisse erstaunliche Programme der linken Kandidaten, aber das bekannte Problem der Uneinigkeit
In genau zwei Monaten, am 23. April (erste Runde), wird in Frankreich gewählt. Es geht um die Neubesetzung des Staatspräsidentenamts, eines nach wie vor macht- und einflussreichen Postens.
Dabei befindet sich die konservative Rechte - nach einem stärkeren Zwischentief, das mit der mutmaßlichen Staatsgelder-Abzocke in Millionenhöhe ihres Präsidentschaftskandidaten François Fillon zusammenhängt - derzeit wieder im Aufschwung.
Ein Streit um Äußerungen des sozialliberalen Kandidaten und früheren Wirtschaftsministers Emmanuel Macron, welcher die französische Kolonialvergangenheit in Algerien kritisch bewertet hatte, ließ Macron abstürzen. Zumal nachdem Letzterer sich auf konfuse Weise entschuldigt und in Widersprüche hineingeredet hatte.
Rechte Demonstranten störten eine Veranstaltung Macrons in Toulon, andernorts wurde er als "Vaterlandsverräter" beschimpft. Gleichzeitig erfährt die Kandidatur Fillons einen erneuten Auftrieb, und Marine Le Pen werden erstmals stattliche 44 Prozent für eine Stichwahl vorausgesagt, ein bislang unerreichtes Niveau.
Demgegenüber zeigt sich das Lager der etablierten Linken nach wie vor zersplittert in seinem wahlpolitischen Angebot. Das klingt insofern erstaunlich, als es infolge der - relativ überraschenden - Nominierung des linken Sozialdemokraten Benoît Hamon zum Präsidentschaftskandidaten, Ende Januar, zunächst sehr nach einem neuen Bündnis aussah.
Perspektive Rot-Rot-Grün... in den Farben der Trikolore?
Das Profil Benoît Hamons, das einen Bruch mit der klar von Kapitalinteressen und einem Verlust jeglichen sozialdemokratischen Profils geprägten Amtszeit von Nochpräsident François Hollande widerspiegelt, schien neue Optionen für eine Art Rot-Rot-Grün à la française zu eröffnen.
Um es gleich vorwegzunehmen: Im Gegensatz zu dem, was manche Stimmen entweder hoffen oder befürchten mögen, würde dies, nein, bestimmt keine soziale Umwälzung bedeuten. Denn eine Rot-Rot-Grün-Koalition hat Frankreich bereits regiert, in Gestalt der gauche plurielle ("pluralen Linken") unter Premierminister Lionel Jospin in den Jahren 1997 bis 2002.
Unter ihr wurden unter anderem die französische Telekom privatisiert, die Arbeitszeit flexibilisiert - aber auch auf 35 Stunden wöchentlich im Jahresdurchschnitt(!) verkürzt, was von Anfang an unterschiedlich lange Arbeitswochen einschloss -, die militärische Präsenz in Afrika wurde nicht reduziert, und die Atomkraftwerke liefen munter weiter.
Am Ende war das Fußvolk der Sozialdemokratie und der Linken nicht so sehr begeistert, vor allem von der sozialpolitischen Bilanz, und bei der Präsidentschaftswahl 2002 fiel Jospin damals eiskalt durch. Sein Versuch, vom Sessel des Premierministers auf den des Präsidenten zu wechseln, scheiterte. In die Stichwahl zog damals erstmals der Neofaschist Jean-Marie Le Pen ein, gegen den Bürgerlichen Jacques Chirac.
Dennoch ist vieles von dem, was Hamon heute sagt, in programmatischer Hinsicht durchaus interessant. Als einziger der gewichtigen Bewerber für die sozialdemokratische Präsidentschaftskandidatur greift Benoît Hamon etwa ökologische Zukunftsfragen auf.
Unter anderem indem er sich für einen Ausstieg aus der Atomkraft für 2035 - auch die französische grüne Partei bietet nichts Besseres, was die Frist betrifft - und aus dem besonders schadstoffhaltigen Dieselkraftstoff-Verbrauch ab 2025 ausspricht. Auch machte er bislang Wahlkampf gegen den Pestizidmissbrauch, um den sich jüngst einige Skandale in Frankreich rankten.
Hamon spricht sich für die Abschaffung des von Ex-Premierminister Manuel Valls verantworteten so genannten Arbeitsgesetzes aus (das u.a. eine Verlängerung der Arbeitzeiten erleichtert), aber auch für einen Ausstieg aus dem seit vierzehn Monaten ohne Unterbrechung geltenden Ausnahmezustand.
Exkurs zum Grundeinkommen
Daneben wirft Hamon eine neue Debatte auf, die in Frankreich erstmals in die etablierte Politik vordringt. Er sprach sich zunächst für ein allgemeines Grundeinkommen aus, das allen Gesellschaftsmitgliedern ausbezahlt werden soll - Bezieher mittlerer und vor allem höherer Einkommen sollen es jedoch faktisch über ihre Besteuerung wieder zurückzahlen. Geringverdienende sollen es, als Ausgangsbasis, mit Lohn- oder anderen Einkommen kombinieren können.
Zuerst stellte Hamon ein bedingungsloses Grundeinkommen in Höhe von 750 Euro für alle in Aussicht. Dafür erhielt er mächtigen Gegenwind. Der Rechtssozialdemokrat Valls war etwa der Auffassung, dass man dadurch Faulenzern das "Geld in den Hintern schieben" würde, auch wenn er es etwas höflicher formuliert (er erklärte: "Ich bin für eine Gesellschaft, wo man arbeitet"); die sozialdemokratische Parteirechte prangerte auch vielfach die "mangelnde Finanzierbarkeit" an. Das Ganze soll angeblich 350 Milliarden Euro kosten.
Daraufhin schraubte Hamon seine Pläne mächtig herunter. Zunächst versprach er "in einem ersten Schritt" ein Grundeinkommen für diejenigen, die keine anderen Ressourcen besitzen, in Höhe von 600 Euro.
Das wäre eine um rund 150 Euro verbesserte Sozialhilfe. In einer zweiten und dritten Phase soll sie dann auf weitere Beziehergruppen ausgeweitet sowie auf 730 Euro aufgestockt werden. Mittlerweile wurde der Vorschlag sogar noch weiter heruntergeschraubt, dergestalt, dass zunächst einmal die 18- bis 25jährigen ein solches garantiertes Grundeinkommen erhalten sollten; danach werde man weitersehen bzw. die kommenden Umsetzungsstufen einleiten.
Kritik kam auch aus anderen Motiven (als nur dem der "Finanzierbarkeit") und von anderer Seite. Der Linkssozialdemokrat Jean-Luc Mélenchon oder die französische KP etwa treten ebenfalls gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen ein, weil sie die Auffassung vertreten, dadurch verabschiede man sich endgültig vom politischen Ziel der Vollbeschäftigung.
Und man ringe nicht mehr um eine andere Verteilung in der Produktionssphäre, sondern verabschiede jene, denen es dort nicht behagt, einfach in gesellschaftliche Zonen außerhalb dieser Produktionssphäre.
Noch aus anderen, stärker an den Einzelheiten von Hamons Programmvorschlägen ansetzenden Motiven wird Kritik laut. So soll das garantierte Grundeinkommen, wie es konkret vorgeschlagen wird, einerseits ab dem Lebensalter von 18 Jahren ausbezahlt werden. Andererseits sollen zugunsten von ihm - spätestens ab der "zweiten Stufe" seiner Einführung - bestehende Sozialleistungen verschwinden.
Letztere sollen durch das Grundeinkommens-Systems sozusagen absorbiert, also aufgesogen werden. Nun rechnen Kritiker/innen jedoch vor, für Haushalte, in denen minderjährige Kinder leben, vor allem aber für alleinerziehende Elternteile mit derzeit bestehenden Ansprüchen auf Sozialleistungen bedeute dies letztendlich viel eher einen Verlust als einen Gewinn.
Nun lässt sich dagegen sicherlich einwenden, dass das Vorhaben vielleicht in seiner konkreten Ausgestaltung noch wandelbar wäre. Aber sofern es im Rahmen eines irgendwie gearteten "Klassenkompromisses" durchgesetzt werden sollte, so ist wohl eher noch mit einer drastischen Verschlechterung gegenüber den derzeit präsentierten Plänen zu rechnen (etwa in der Form, dass das Grundeinkommen eher zu einer Vereinfachung der Sozialsysteme und zum Abbau bestehender, differenzierter Leistungen benutzt würde)...