Wie die Windkraft-Blockade überwunden werden kann
Seite 2: Tausend und ein Grund, weshalb Windenergie nicht genutzt werden darf
- Wie die Windkraft-Blockade überwunden werden kann
- Tausend und ein Grund, weshalb Windenergie nicht genutzt werden darf
- Abhilfe für die Ausbaublockade
- Vorbelastete Pufferzonen um Hauptverkehrswege herum
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Auch in anderen Bundesländern wie in Mecklenburg-Vorpommern gibt ähnliche Verhinderungsregelungen. Regionalpolitiker und Planer haben ihre Mittel und Wege, ihr Flachland zu einem vielfältigen Naturparadies hochzujazzen.
Die Blockadementalität kann man in diesem windreichen, flachen Bundesland auch an Zahlen ablesen. So ist pro Quadratkilometer mit 147 Kilowatt (kW) erheblich weniger Leistung an Windenergie installiert als z.B. in Brandenburg (254 kW) oder Sachsen-Anhalt (257 kW) und sehr viel weniger als Schleswig-Holstein mit 433 kW pro km². Bayern kommt im Übrigen mit kläglichen 36 kW weit abgeschlagen am Ende und das schon länger "grün" regierte Baden-Württemberg kommt in diesem Vergleich auf 44 kW installierte Windleistung.
Mindestabstand, Mindestgröße, Bedrängung
In Mecklenburg-Vorpommern gibt es gemäß Ministerium für Energie, Infrastruktur und Landesentwicklung einige besonders windenergiefeindliche Regelungen, die in der Praxis der Planung so klingen:
Die Mindestgröße des Eignungsgebietes soll 35 ha betragen. Der Mindestabstand zu bestehenden oder neu geplanten Eignungsgebieten soll grundsätzlich 2,5 km betragen.
Bei der Begrenzung der Größe von Eignungsgebieten auf mindestens 35 Hektar (ha) lautet die Begründung, sie gelte, um dem Grundziel "der Konzentration von Anlagenstandorten" gerecht zu werden. Es sei geboten, den "Freiraum" zu "schonen". Es gelte zudem, den "weitläufigen Charakter des Landschaftsbildes" zu erhalten, indem man eine "Vielzahl von störenden Einzelanlagen" verhindere.
Man führt auch praktische Gründe wegen einer einfacheren infrastrukturellen Anbindung bei einer höheren Konzentration von Anlagen an. Anmerkung dazu: Letzteres kann man ja dem Betreiber der Anlage selber überlassen, ob der meint, dass es ökonomisch und organisatorisch Sinn ergibt, die eine oder andere alleinstehende Anlage zu bauen oder nicht.
Beim ersten Argument gibt man immerhin zu, dass die Landschaft leer ist, erklärt aber ausgerechnet dies zu einem schützenswerten Attribut. Wer auf der Autobahn durch diese entleerten Räume fährt, hat meist nicht den Anspruch, unberührte Natur zu erleben. Warum also nicht diese vorbelasteten Räume um die Autobahn herum systematisch für Windenergie nutzen? Dazu weiter unten mehr...
Neben der vorgeschriebenen Mindestgröße gibt es eine dritte dubiose Restriktionskategorie in Mecklenburg-Vorpommern namens "visuelle Bedrängung". Wie kompliziert, unflexibel und sperrig man bei der Anwendung dieser Regel denkt, wird am folgenden Zitat aus der Dokumentation zur Potentialflächenanalyse eines Planungsverbands deutlich:
Lübz – Abdeckung des zulässigen Umfassungswinkels von ca. 120° entgegen dem Uhrzeigersinn ausgehend von der östlichen Grenze des WEG Gischow Siedlung ist zwar in den 60° Freihaltekorridoren durch Bestands-WEA in der Breite umfasst [...] Siedlung ist in den 60° Freihaltekorridoren durch die Potenzialflächen Werder und Lübz Süd in der Breite umfasst, was eine zusätzliche optische Bedrängung darstellt – betreffende Bereiche der Potenzialflächen werden nicht zum WEG [Windeigungsgebiet].
Regionaler Planungsverband Westmecklenburg
Alles verstanden? Die Frage beschäftigt jedenfalls Winkeladvokaten wie Gerichte, die im Einzelfall über eine "Bedrängung" entscheiden müssen. Es sind in diesem Sinne schon ganze Gerichtsurteile gesprochen worden, gespickt mit Sätzen wie diesem:
Die optischen Dimensionen der Anlage würden durch die Drehbewegung des Rotors vergrößert, die die Anlage zu einem bestimmenden Unruheelement in der ansonsten statisch wirkenden Landschaft mache. Der Kläger könne diesen Wirkungen der WEA 1 nicht ausweichen.
OVG Mecklenburg-Vorpommern
In der Logik dieses Urteils dürften auch keine Autos in Sichtweite eines Hauses vorbeifahren und alle für Anwohner sichtbaren Windkraftanlagen könnten verboten werden. Um zum Beispiel Lübz zurückzukommen, stellt sich hier die Frage, wie das in der Realität ist, wenn man am Rande der Siedlung Lübz steht. Dann kann man doch eigentlich nur in einer Richtung Windparks erkennen: Der Ort hat eine Ausdehnung von ca. 2-2,5 km im Durchmesser. Wenn man sich also z.B. in einem Garten am südlichen Rand des Ortes befindet, wird man die anderen Windparks z.B. im Norden des Ortes (siehe Link) in 3 km Entfernung nicht sehen (es sei denn, man klettert auf einen hohen Baum). Von einer "Bedrängung" oder "Umfassung" kann im Sinne einer visuellen Beeinträchtigung also nicht wirklich gesprochen werden. Vielleicht ist das Gesetz aus Perspektive von Zugvögeln und Piloten geschrieben.
Die vierte schwammige Regelung zur Verhinderung der Windenergie in Mecklenburg-Vorpommern, auf die hier eingegangen werden soll, heißt "Landschaftsbildpotential – Bewertung". Entsprechend von visueller "Vielfalt, Naturnähe, Schönheit und Eigenart". Wird in dieser Kategorie die "Schutzwürdigkeit" auf "sehr hoch" gesetzt, ist Windenergie in diesen Räumen tabu.
Schauen wir uns zum Beispiel konkret einmal das Schutzgebiet "Wiesenlewitz zwischen Banzkow und Neustadt-Glewe" an, das in seinem Westen und Süden die Autobahnen A14 und A24 einschließt und in dem keine Windkraftanlagen gebaut werden dürfen.
Die Begründung des schützenswerten "Landschaftsbilds" kann überprüft werden, indem man mit dem Auto über die A24 fährt. Da ist nicht viel mehr als Weitläufigkeit zu erkennen, wie auf mapillary.com nachvollziehbar.
Man gibt auch offiziell schon eine Vorbelastung dieses Gebiets zu: "Störungen des Landschaftsbildes durch A 241". Nur hat diese Vorbelastung nach aktueller Planung dort nicht die Konsequenz, dass mehr Eignungsflächen ausgewiesen werden.