Wie gefährlich ist Alkohol nun wirklich?

Seite 3: Suchtverhalten und Epidemiologie

Aufgrund epidemiologischer Daten aus dem Jahr 2018 heißt es in dem Bericht über problematischen Alkoholkonsum weiter:

Legt man die Daten des Epidemiologischen Suchtsurveys aus dem Jahr 2018 zugrunde, so haben 12,4 % der Männer und 12,8 % der Frauen im Alter zwischen 18 und 64 Jahren, also insgesamt ca. 6,7 Millionen Menschen, einen riskanten Umgang mit Alkohol. 4,0 % der Männer und 1,5 % der Frauen, also ca. 1,4 Millionen Menschen, treiben Missbrauch und 4,5 % der Männer und 1,7 % der Frauen, also ca. 1,6 Millionen Menschen, sind abhängig.

Deutsche Hauptstelle für Suchtfragen, 2022

Dazu sollte man aber ergänzen, dass etwa laut dem Alkoholatlas des Deutschen Krebsforschungszentrums, auf den auch der Drogenbeauftragte der Bundesregierung verweist, der Pro-Kopf-Konsum in Deutschland Mitte der 1970er noch über 17 Liter reinen Alkohols betrug. Das waren fast vier Standardgläser pro Tag. Bis Mitte der 2010er nahm dies auf rund elf Liter, also um rund 35 Prozent ab.

Damit einher geht laut dem Atlas eine kontinuierliche Abnahme der Personenschäden bei Verkehrsunfällen und krankheitsbedingten Todesfälle im Zusammenhang mit Alkohol. Allein das stellt schon Dramatisierungen und Forderungen nach mehr Regulierung oder gar einem Alkoholverbot infrage.

Wir müssen aber noch auf etwas anderes achten: Wenn der Trend ohnehin zu weniger Alkohol geht, könnten neue Regulierungs- und Kontrollmaßnahmen irrtümlich als wirksam dargestellt werden. Man muss daher immer überprüfen, ob die Abnahme nicht auch ohne die Maßnahmen weitergegangen wäre.

Meinem Eindruck nach feiern darum Drogen- und Gesundheitspolitiker ihren angeblichen Erfolg beim Zurückdrängen des Rauchens mitunter vorschnell. Auf globaler Ebene sieht das Bild ohnehin anders aus: Während der Konsum in Europa rückläufig ist, nimmt er auf anderen Kontinenten erheblich zu. Doch das ist ein Thema für sich.

Fazit

Die in wissenschaftlichen Fachartikeln und den Medien immer wieder vorkommenden Dramatisierungen des Alkoholkonsums entsprechen vielleicht dem Zeitgeist einer Gesundheitskultur. Doch sie passen nicht so recht zu den klinischen Daten und widersprechen sogar der Epidemiologie.

Wenn Suchtmediziner einen anderen Standpunkt vertreten, sollte man bedenken, dass diese Tag für Tag Extremfälle sehen, die jedoch nicht repräsentativ für die Gesamtbevölkerung sind.

Zudem profitieren Sie zusammen mit den Public-Health-Forschern von dramatischen Berichten, weil sich damit der Ruf nach mehr Fördermitteln begründen lässt. Damit ist natürlich nicht der wichtige Beitrag geschmälert, den diese Fachleute tagtäglich für alkoholabhängige Menschen und deren Umfeld bedeuten.

Und wo wir schon bei den Kosten sind: Gerne werfen Gesundheitsökonomen hier mit Milliardenbeträgen um sich, die ein dringliches Alkoholproblem dokumentieren sollen. Wie ich schon einmal am Beispiel der psychischen Störungen nachrechnete, beruhen diese Zahlen aber auf Schätzungen und abstrakten Annahmen über die ideale Produktivität der Menschen. Die klinischen Kosten sind zudem gleichzeitig der Umsatz des Gesundheitssystems.

Außerdem sind die Gleichungen unvollständig: So räumt Annika Herr, Professorin für Gesundheitsökonomie an der Universität Hannover, in der Diskussion "Alkoholkonsum: Risikoloses Trinken gibt es nicht" offen ein, dass man den positiven Nutzen des Substanzkonsums nicht wirklich erfassen könne.

Damit sind die Ergebnisse der Gesundheitsökonomen aber einseitig gegen den Alkoholkonsum voreingenommen und sollte man sie gerade nicht für gesellschaftspolitische Entscheidungen heranziehen.

Anders formuliert: Kein Alkohol verursacht auch Kosten! Abgesehen von der psychologischen Seite könnte ganz konkret etwa das Diabetesrisiko steigen, wenn die Menschen dann statt des Alkohols mehr Süßigkeiten und zuckerhaltige Getränke konsumieren, von Drogen ganz zu schweigen!

Wer gesundheitsbewusst ist und Alkohol mit seinen Effekten genießen will, fand in diesem Text Empfehlungen für risikoarmen Konsum. Das Deutsche Krebsforschungszentrum nennt im Alkoholatlas zudem sechs Kriterien für das Vorliegen einer Abhängigkeit. Wenn mindestens drei davon vorliegen, empfiehlt sich ein Gespräch bei der Suchtberatung oder mit dem Hausarzt:

Erstens ein starkes Verlangen oder gar Zwang, Alkohol zu trinken. Zweitens die bereits erwähnte Toleranzentwicklung: Man muss immer größere Mengen für denselben Effekt konsumieren. Drittens ein fortgesetzter Alkoholgebrauch, obwohl es zu Folgeschäden kommt.

Das vierte Kriterium bezieht dich auf die Schwierigkeiten, Anfang, Ende und Menge des Konsums zu kontrollieren; man trinkt also länger und mehr, als man eigentlich will. Das Fünfte sind Entzugserscheinungen, wenn man keinen oder nur wenig Alkohol trinkt. Sechstens und letztens vernachlässigt man immer mehr andere Interessen und Hobbys im Leben für den Alkoholkonsum.

Zum Schluss will ich noch auf den zwiespältigen Umgang unserer Gesellschaft mit dem Genussmittel (und übrigens auch manchen Drogen) hinweisen: Die Substanzen sind leicht verfügbar, werden mehr oder weniger direkt beworben, teilweise besteht sogar vielleicht sozialer oder Gruppenzwang zum Mitmachen. Wer die Kontrolle verliert, wird dann aber schnell als Alkoholiker oder "Junkie" stigmatisiert und ausgegrenzt. Das führt vor allem zur Vergrößerung der Probleme.

Sollte man also gar nichts am Status quo ändern? Bei 13 Fragen haben wir einen Kompromissvorschlag gemacht. Interessierte können sich dafür am besten die Sendung selbst anschauen.

Dieser Artikel erscheint ebenfalls im Blog "Menschen-Bilder" des Autors.